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i^
Beethoven's 8tu
Beethoven's Studien.
Erster Band.
Beethoven's Ünterric
bei
J. Ha;4B, Albrcchtebei^er mmi Salieru
Nach rtcn Original-MannBcripten
dargestellt
Leipzig und WinterMur,
Verlag von J. Rieter-BiedermanD.
1873.
; JAN 30
IS89' ;
'^ - ^ ' ■ ;
^ y
ffVi/ni/vtS.'u
ERSITY "
961
:Z LiSRARY
Vorwort
lliin in dem Entwicklungsgänge Beethoven's wchtiges Glied sind die die
Compositionslehre betrefifenden Stadien Beethoven's. Wir verstehen darunter die
bei seinen Lehrern gemachten Arbeiten und seine eigenen Studien. Beethoven's
Thätigkeit in dieser Richtung zu verfolgen, überhaupt sein Yerhältniss zur Theorie
in's Klare zu bringen, ist der Zweck dieses Werkes.
Bei vorliegendem Bande , der sich mit den unter fremder Anleitung geschrie-
benen Compositions-Uebungen befasst, war das vorhandene Material so zu benutzen
nnd wiederzugeben , dass jeder Cursus vollständig repräsentirt ist und das Ganze
auf den Namen eines Quellenwerks Anspruch machen kann. Der UeberBichtlich-
keit wegen konnte jedoch manches Unwesentliche und ganz Unbedeutende bei
Seite gelassen werden. Eine ziemliche Anzahl von Uebungen. die kein Interesse
boten und zu einem Ergebniss nichts beigetragen hätten, konnte wegbleiben. So-
gar eine diplomatisch genaue Wiedergabe der Vorlagen musste hin und wieder der
Uebersichtlichkeit geopfert werden. In dieser Beziehung kann die erste Choral-
fuge (S. 113 ff.) angeführt werden, wo, wenn man jede geänderte Note hätte
berücksichtigen wollen, die Hauptsache durch Nebensächliches in den Hinter-
grund gedrängt worden wäre.
Dem Herausgeber lag es ob , die in Beethoven's Uebungen vorkommenden,
von den Liehrem gemachten Aenderungen oder Verbesserungen zu erklären. (Die
Aenderungen sind, was hier vielleicht zum Ueberfluss bemerkt wird, mit dem An-
fangsbuchstaben der Namen ihrer Urheber bezeichnet, theils im Anhang der
Uebungen, theils über den Stellen , zu denen sie gehören , angebracht.) Hier galt
es, sich möglichst auf den Standpunkt der Lehrer zu stellen. Zur Erklärung der
von Haydn gemachten Aenderungen konnten solche Lehrbücher herangezogen
werden, von denen erwiesen oder sicher anzunehmen ist, dass sie Haydn bekannt
waren. In erster Linie stand hier Fux' y>GradtM ad Pamasmmaj von dem uns
durch die freundliche Mittheilung des Herrn C. F. Pohl ein mit Haydn's Rand-
bemerkungen versehenes Exemplar zu Gebote stand. Bei Albrechtsberger's Aen-
derungen kam dessen eigenes Lehrbuch zu Statten. Eine ähnliche Handhabe
fehlte bei den von Salieri vorgenommenen Aenderungen. Dass der Heransgeber
— VI —
tiberall den wirklichen Grund der Aenderung getroffen, kann er nicht behaupten.
Es kommen Stellen vor , wo der Grund der Aenderung zweifelhaft ist oder ein
verschiedener sein kann ; und dann giebt es gewisse Punkte , in Betreff deren die
Theoretiker nicht nur von einander abweichen , sondern sich auch selbst wider-
sprechen. In letzterer Beziehung kann Albrechtsberger genannt werden , der an
einer Stelle gewisse Schritte und Intervalle erlaubt , die er an einer andern ver-
bietet. (Vgl. z. B. S. 34, 41, 53 und 177 seiner »Anweisung« v. J. 1790, wo erst alle
Sprünge in eine Dissonanz verboten werden , dann aber gesagt wird : dass man
jetziger Zeit in die wesentliche Septime und ihre Verkehrungen im strengen und
freien Satze im Durchgange springen dürfe.) Diese Unbestimmtheit hat zur Folge
und hängt damit zusammen , dass bei ihm die Ausdrücke »strenger« und »freier«
Satz eine etwas dehnbare Bedeutung haben. In Betreff des letzteren Punktes
konnte der Herausgeber nur der freien Terminologie Albrechtsberger's folgen,
wenn er sich auch sagen muss, dass dessen strenger Satz nicht immer der strenge
und sein freier Satz zuweilen etwas zu streng ist. Die Widersprüche in Albrechts-
berger's Regeln können wohl Zweifel erregen und machen sich insofern auch an
mehreren Stellen bemerkbar ; sie sind aber zu geringfügig , als dass sie das Er-
gebniss, welches sich an das Ganze knüpft, beeinträchtigen könnten.
Eine feinere Aufgabe bestand darin, am Schlüsse jedes Cursus die hervor-
tretenden Erscheinungen und die Betrachtungen , zu denen sie in Bezug auf Art,
Beschaffenheit und Erfolg des Unterrichts Anlass geben , in ein Ergebniss zu-
sammenzufassen. Erfolge des Unterrichts konnten nur an Gompositionen Beet-
hoven's ermessen werden. Bei solcher Betrachtung war natürlich abzusehen von
dem , was dem Genius und der subjectiven Natur Beethoven's angehört, und war
nur das Vcrhältniss zu Dingen in's Auge zu fassen, welche Gegenstand der Lehre
waren und auf deren Erlangung und Pflege der Unterricht gerichtet war.
Es schien wichtig, zu wissen, wie Beethoven vorbereitet war, als er in
Haydn's Schule trat. Dies annähernd zu bestimmen, ist in den einleitenden
»Bonner Studien« versucht worden.
In Betreff der handschriftlichen Vorlagen verweist der Herausgeber auf den
letzten Artikel seiner »Beethovenianat«. Mehrere Stücke, die dort nicht angegeben
sind , finden sich an verschiedenen Orten zerstreut. In erwähntem Artikel wird
auch der Unwerth des Seyfried'schen Buches »Ludwig van ßeethoven's Studien«
dargethan.
Der zweite Band wird sich mit Beethoven's eigenen Studien befassen.
k
Inhalt.
Seite
Bonner Studien i
Unterricht bei Joseph Haydn 19
Einfacher Contraputikt 21
lieber die Bedchaffenheit des Unterriehts 41
Unterricht bei J. 6. Albrechtsberger 45
/. Einfacher Conirapunkt 47
II. ContrapunlUische Uebungen im freien Satz 57
m, Nachahmung 03
IV. Zweistimmige Fuge 70
V. Dreistimmige Fuge 89
VL Vierstimmige Fuge 94
VII Choralfuge 112
VIII. Doppelter Contrapunkt in der Octave 125
IX. Doppelter Contrapunkt in der Decime oder Terz 142
X. Doppelter Contrapunkt in der Duodecime oder Quinte ' HS
XI. Doppelfuge 151
XH. Dreifacher Contrapufikt in der Octave und dreifaclie Fuge 176
XIII. Kanon 191
üeber Beschaffenheit und Erfolg des Unterrichts 1 93
Zur Chronologie 202
Unterricht bei A. Salieri 205
(Sesangromposition 207
Zur Chronologie 220
üeber Art und Erfolg des Unterrichts 228
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Bonner 8 tu
(FUne hypothetiidie Untwii
lieber den Unterrioht in der Cooiposition, den Beethoven in Bonn genossen,
sind wir gar wenig unterrichtet. Die diesen Gegenstand betreffenden Mitthei-
Inngen nnd Ueberliefemngen sind uns so karg zugemessen, dass sich schwerlich
daraas ein klares nnd zusammenhängendes Bild von der Art des Untemchts und
yon den Yorgenommenen Compositions-Uebungen gewinnen lässt. Dennoch wird
es gelingen, einige nicht unwichtige Punkte sicher zu stellen, und auch einige theo-
retische Qegenstände, mit denen sich Beethoven in Bonn beschäftigt oder nicht be-
schäftigt haben kann , genauer zu bezeichnen, wenn mi^n die vorhandenen zuver-
lässigen Daten zusammenstellt nnd einer genauen Betrachtung unterzieht.
Unter den Lehrern, welche Beetiioven in Bonn hatte, lässt sich nur einer nam-
haft machen, bei dem er einen einigermassen eingehenden Unterricht in der Com-
position liaben J(onnte. Dieser war Christian Gottlob Neefe, damals Musik-
direetor am Bonner Theater und Organist am kurftirstlichen Hofe *) . Beachtens-
*) N^fe's und der aodeni Lehrer Beethoven's wegen ist zu verweisen auf die in der Leip-
suigQr Allgem. Musik. ZeituQg voip Jnoiiar 1799 erschienene Selbstbiographie Neefe's und auf
Tkvyer's »Beethoven's Leben« Bd. I, S. 81 f., 110 f. und 117 f. Einige Bekanntschaft mit jener
.^eibstl^iograpbie wird hier voräosgeset^st. Der Lese^ wegen, denen sie nicht zugänglich ist,
folgt hier ein Auszi^g, der das Wichtigste enth^t und ein Bild des Mannes geben kann. Neefe
schreibt:
»Ich bin im Jahr 1748 den 5. Februar zu Chemnitz im Erzgebirge Sachsens geboren. Ohn-
erachtet meine Aeltern ai:in sind, so hielten sie mich doch früh zur öffentlichen Stadtschule an.
Eine ungem^n gute Diskantstimme .bahnte mir bald den Weg in das grosse Singechor, allwo ich
den Anfang zur Erlernung der Singknnst machte. Den Anfang im Klavierspielen machte ich
hey d^m Stadto^^ganisten Wilhelmi , und nachher bey einem gemeinen preussischen Soldaten,
der im,8iebQi\iähr)gen Kriege bey uns im Winterquartier stand. Bessere Meister könnt' ich nicht
haben und auch nicht bezahlen. J)as meiste hab' ich in der Folge aus Marpurg's Anleitungen
npd AusiCrP. E. Bach 's, Versuch gelernt
la .meinem zwQlCten Jahre ward derHaog'zur musikalischen Komposition in mir rege. Ich
setste lül^rlei Kleinigkeiten auf und besudelte manchen schönen Bogen Papier, bis meine Ueber-
l^^Pg i^er geiworden, aA4 ich mich, noch ,ftls Chemnitzer Schiller, mit meinen schriftlichen
J^WSVi über . die ^on^ppsUiQn IUI mein€9i.ngol|ber sp y^rehrungswürdig^n Freund Hl 11 er in
Leipzig wendete.
In meinem 14. J^i^hro verlor ich meinen, geraden .Körper. Von der Zeit an ward ich kränk-
lich. Doch hatte auch wohl mein Vater mir den Keim 9ur Hipochondrie mitgetheilt.
tnt meinem 15. Jahre wollte mich mein Vater seiner Profession , dem Schneiderhandwerke
nfldmea. Ich sträubte mich dagegen, sagte ihm frey heraus, dass nichts vermögend sey, mich
yoQ (den. Studien. abzuwenden, .... und ich ging meinen angetretenen Weg getrost fort. 1767
reiste ich nach Leipzig und wurde ein Bürger der Akademie.
"^1
— 4 —
werth in Betreff des Unterrichts ist die bekannte, Beethoven betreffende Stelle,
welche in dem von Neefe am 2. März 1783 über die Bonner Tonkünstler geschrie-
benen, in Cramer's »Magazin der Musik« vom Jahre 1783 (Seite 377 ff.) veröffent-
lichten Bericlit vorkommt. Besagte Stelle lautet wörtlich und vollständig :
»Louis vanBetthoven, Sohn des obenangeftihrten Tenoristen [Johann
V. B.], ein Knabe von 11 Jahren, und von vielversprechendem Talent. Er spielt
sehr fertig und mit Kraft das Ciavier . liesst sehr gut vom Blatt , und um alles in
einem zu sagen : Er spielt grösstentheils das wohltemperirte Ciavier von Sebastian
Nach meiner Zurückkauft unterrichtete ich wie vorher in Musik und andern WiBsenschaften,
theils um dadurch selbst noch zu lernen, theils Mittel zu erwerben zur Anschaffung^ nützlicher
und angenehmer Bücher. Unter den letzteren waren vorzüglich Gellorts, Rabners und
Gessners Schriften; doch fand ich an den Gessnerischen den meisten Greschmack.
Zu Ostern 1769 bezog ich mit schwacher Gesundheit und noch schwächerm Geldbeutel die
Universität zu Leipzig. Meine Lehrer waren vornehmlich: Geliert, Seydlitz, Sammet,
Breuning, Tobias Richter, und Kleemann. Ewig segnet mein Herz besonders des Er-
stem Andenken. Das Studium der Logik^ Moralphilosophie und des Natur- und Völkerrechts
gewährte meinem Geiste eine angenehme Nahrung. Auch zur bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit
spürte ich anfänglich viel Neigung, bis ich zu den Pandekten und der Processordnung kam. Hier
verlor ich alle Lust, ein Rechtsgelehrter zu werden. Dies, mein geringes Gedächtniss, welches
zur Rechtsgelahrtheit untauglich war, der überwiegende Hang zur Musik, das Gefühl vorzüg-
licher Fähigkeiten darzu, das Zureden meiner musikalischen und ästhetischen Freunde, H i 1 1 e r s,
Engels, und andrer, auch meine Hipochondrie bewog mich, die Themis zu verlassen und mich
ganz Euterpen zu widmen. Doch absolvirte ich zuvor meine juristischen Studien.
Die Hipochondrie hat mir viele Leiden gemacht. Doch habe ich dieser Krankheit auch vie-
les zu verdanken. 1) Leitete sie mich wieder näher zur Religion. Der Hipochondrist bildet sich
immer einen nahen Tod ein. Ich trachtete also nach bessern und gründlichem Einsichten in der
Religion ; ich suchte Gefühl für sie in meinem Herzen zu erwecken, um mit Freudigkeit und Hoff-
nung sterben zu können. Es gelang mir , vornehmlich durch die Schriften von Bonnet, Mo-
ses Mendelssohn, Spalding, Jerusalemund Nösselt Die Religion wurde mirver-
ehrangswürdig, und ich spürte die herrlichen Früchte derselben im Herzen und Leben. 2) Hielt
sie mich von den gewöhnlichen Ausschweifungen der Jünglinge auf Universitäten ab. 3) Ward
ich durch sie in den Stand gesetzt, meinem Vater, der einen harten Anfall von ihr bekam , Rath
zu ertheilen. 4) Veranlasste sie eine genauere Freundschaft zwischen Hillern und mir. Er hatte
selbst viel von ihr gelitten. Und gleiche Schicksale bringen die Menschen gemeiniglich näher zu-
sammen.
Ich bin nun wieder auf Hillern gekommen. Dieser Mann nun ist es, der vorzüglichen
Ansprach auf meine Dankbarkeit zu machen hat. Er ist die Quelle , woraus ich meine bessern
musikalischen Kenntnisse geschöpft. So oft ich zu ihm kam , empfing er mich mit freundlichen
Augen. Eine ziemlich lange Zeit war ich um ein geringes Geld sein Kostgänger. Dadurch be-
kam ich Gelegenheit, mit vielen andern Tonkünstlem bekannt zu werden. Er verschaffte mir
auch Bekanntschaft mit andem Gelehrten, schönen Greistem und Künstlern. Die Gesellschafteines
Weisse, Garve, Engel, Oeser, Bause etc., ihre Werke, ihre Unterredungen und Urtheile
klärten meinen Verstand immer mehr und mehr auf, bildeten meinen Geschmack und meine
Empfindung. Solches Umgangs mit solchen Personen suchte ich mich nun täglich würdiger zu
machen. Ich glaubte, jede unedle Empfindung, jeden unanständigen Gedanken könnten sie deut-
lich an meiner Stime lesen. Und so ward ich immer mehr im Guten durch Beyspiele Und eignes
Bestreben befestigt.
Hill er sorgte auch für die Verbesserang meiner Glücksumstände« u. s. w.
Wir fügen diesem Auszug Folgendes hinzu.
Im Jahre 1776 kam Neefe als Musikdirector einer Schauspielergesellschaft nach Dresden,
1777 in gleicher Eigenschaft nach Frankfurt am Main, dann nach Mainz und andem rheinischen
Städten. Im October 1779 kam er nach Bonn, wo er mit kurzen Unterbrechungen bis zum Jahre
1796 blieb.
5
Bach, welches ihm Herr Neefe unter die Hände gegeben. Wer diese Sammlung
von Präludien und Fugen durch alle Töne kennt , (welche man fast das ?wn plm
ultra nennen könnte,) wird wissen, was das bedeute. Herr Neefe hat ihm auch,
sofern es seine übrige Geschäfte erlaubten, einige Anleitung zum Generalbass ge-
geben. Jetzt übt er ihn in der Composition, und zu seiner Ermunterung hat er 9
Variationen von ihm ftirs Ciavier über einen Marsch in Mannheim stechen lassen.
Dieses junge Genie verdiente Unterstützung, dass er reisen könnte. Er würde ge-
wiss ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er
angefangen«.
Also hat Beethoven vor dem 2. März 1783 von Neefe T)einige Anleitung zum
Generalbass« bekommen. Das Wort »Generalbass« , als Bezeichnung eines Lehr-
gegenstandes genommen, hat zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Bedeutung
gehabt. Man kann zweierlei darunter verstehen: 1) den Inbegriflf der Regeln zur
Begleitung eines bezifferten Basses ; 2) die Lehre von der Zusammensetzung und
Verbindung der Intervalle und Accorde, ohne oder mit Rücksicht auf das General-
bass-Spielen. Man kann aber das Wort »Generalbass« hier nur in dem Sinne neh-
men , in welchem es zur Zeit Neefe's genommen wurde. Damals verstand man
darunter sowohl die Lehre von der Beziflferung (Signaturen) , als die Lehre von der
Harmonie *) .
Dass Beethoven frühzeitig die Signaturen kannte, ist nicht zu bezweifeln.
Musste er sie doch kennen , als er im Juni 1 782 Neefe's Stellvertreter als Organist
in der Hofkapelle wurde und als er im Jahre 1783 die Stelle eines Cembalisten im
Orchester des Theaters annahm **) . Ueberdies wird eine Kenntniss der Signaturen
ausser Zweifel gestellt durch das Vorkommen beziflferter Bass-Stellen auf einigen
Blättern, welche mit Compositions- Versuchen aus der frühesten Zeit Beethoven's
angefüllt sind, und denen wir folgende Stelle entnehmen :
6
4 - 2. 6
^I^UI^^^^.
t
sUl
jsb.
u. s. w.
Was nun die eigentliche Harmonielehre betrifft, so interessirt es uns am mei-
sten, zu wissen, mit welchem System Neefe seinen Schüler bekannt machte : ob
mit dem System der älteren Generalbass-Schulen, welches den Bass als Basis der
Harmonie annimmt; oder mit dem von Rameau begründeten, um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts auf deutschen Boden verpflanzten Fundamental-System,
welches jede Harmonie auf einen Stamm- oder Fundamental-Ton bezieht. Man
kann mit Recht annehmen, dass Neefe, der, wie er selbst sagt***), »unter Hillern
in Leipzig die Musik studirt(( hatte, in derartigen theoretischen Dingen derselben
Ansicht war, Mrie Hiller. Hiller aber war ein entschiedener Anhänger des Funda-
mental-Systems t) . Die Annahme nun, dass Beethoven sich in Bonn mit derFun-
*) Vgl. Snlzer*8 »Allgefmeine Theorie der sohÖnen Künste«, Artikel : Generalbass.
**) W. C. Müller schreibt in der Leipziger AUg. Musik. Zeitung vom Jahre 1827 : »Beethoven
ward im 14. Jahre Cembalist im Orchester, d. i. der bei Symphonien den Creneralbass begleitet«,
yergl. auch Thayer a. a 0. S. 118 f., 122, 148.
*♦♦) Cramer's »Magazin« V. J. 1783, S. 381.
+) Vgl. »Wöchentliche Nachrichten«, 2. Jahrgang, S. 57, 248; 3. Jahrgang, S. 17.
_ 6 —
damental-Theorie beschäftigte und damit bekannt war, wird dnroh Folgendes
bestätigt. Anf einem Blatte, welches ein ungedruektesLied (»DieElageayonHölty)
enthält und welches der Handschrift nach einer frtthen Zeit (etwa 1785 bis 1790)
angehört, kommt folgende Bemerkung von Beethoven's Hand vor :
Der harte, weiche a. verminderte Der dissonirende wesentliche Ttimen-Acoord,
Dreiklang. der viererlei Zusammensezungen fähig ist.
^^ ^=i"=#= =r~i [TUR-- i—i— i = ^r"i= ^
Diese Stelle, welche die zwei Fundamental- Accorde (Dreiklang und Septimen-
Accord) mit ihren verschiedenen Intervall-Zusammensetzungen zeigt, ist dem 1773
erschienenen Buche Kimberger's »Die wahren Grundsätze zum Gebrauch der Har-
monie«, Seite 5, entnommen. Auf dem genannten Blatte finden sich auch Bemer-
kungen über den Einfluss der verschiedenen Notengattungen auf daa Tempo und
dgl., bei denen Kirnberger's »»Kunst des reinen Satzes« (2. Theil, S. 106 f.) benutzt
ist. Das Vorkommen dieser Stellen ist zugleich ein Beweis , dass die wichtigsten
Schriften Kimberger's in Bonn zur Hand waren, mögen sie nun beim Unterricht
gebraucht worden sein, oder nicht.
Hier kann einer besondem Uebereinstimmung zwischen Theorie und Praxis
gedacht werden. Beethoven verdoppelt in seinen Compositionen oft einen Vorhalt
durch seinen in einer andern Stimme angebrachten Auflösungston, ohne viel Rück-
sicht darauf zu nehmen, welches Verhältniss der Vorhalt zum Basston hat. Beet-
hoven's Vorgänger, Haydtf und Mozart, sind in Betreff der Begleitung eines Vor-
halts sehr sorgsam, und der strenge Satz gestattet einen mit seinem Aufiösnngs-
ton begleiteten Vorhalt nur, wenn er als None gegen den Bass erscheint. Beet-
hoven aber begleitet die Undecime mit der Terz, die Terzdecime mit der Quint,
die Quartdecime oder Septime mit der Sext u. s.w. Gerade so lehrt es Kimberger
in dem angeführten Buche »Die wahren Grundsätze« Seite 27. Es kann aus dieser
Erscheinung nicht gefolgert werden, dass Beethoven durch Kimberger auf die un-
genirte Verdoppelung geführt worden sei, wohl aber , dass ihm diese Eigenthüm-
lichkeit durch Kimberger nicht benommen wurde und er darin nur bestärkt wer-
den konnte.
Zur Harmonielehre gehört die Lehre von der Ausweichung. Dass die Aus-
weichung ein Gegenstand besonderen Studiums war, wird man behaupten können,
wenn Arbeiten vorliegen, deren Beschaffenheit auf eine vorhergegangene theore-
tische Erörtemng schliessen lässt. Solche Arbeiten sind vorhanden. Zu nennen
sind die im Jahre 1789 geschriebenen, mit der Opuszahl 39 herausgekommenen
zwei Präludien durch alle Dur-Tonarten für Pianoforte oder Orgel. Beethoven geht
im ersten Präludium von C-dur quintaufwärts nach Cis-dur, dann, ohne eine en-
hannonische Verwechselung vorzunehmen, durch zwischenliegende , vermittelnde
Tonarten (Cis-moll, D-dur, H-moU, G-dur, C-moU, B-moU) nach Des-dur und von
Des-dur quintaufwärts nach C-dur zurück. Im zweiten Präludium geht er im
Quinten-Zirkel und mit enharmonischer Verwechselung der Tonarten Cis- und
Des-dur zweimal durch alle Dur-Tonarten. Der Uebergang in eine nächste Tonart
wird bewirkt im ersten Präludium meistens durch chromatische, im zweiten meistens
durch diatonische Einführung des Leittons der zu erreichenden Tonart. Betrachtet
L.
— 7 —
man die Stücke genau und bemerkt man, wie bestimmt und beschränkt die darin
zur Anwendung kommenden Mittel und Wege der Ausweichung sind : so kann man
nicht zweifeln^ dass eine Aufgabe dabei gestellt war, mögen sie nun unter Neefe's
Leitung gesehrieben sein, oder nicht. Wir halten beide Stücke für Uebungsstücke.
Ob nach einem Lichrbuch gearbeitet wurde, wird sich schwerlich entscheiden lassen,
besonders da vorauszusetzen ist, dass der zii einem Ereisgang durch die Tonarten
nöthige theoretische Apparat auch damals jedem tüchtigen Musiker bekannt war"*"] .
Theoretische Hülfsmittel, die möglicherweise gebraucht werden konnten , lassen
sich namhaft machen. Das Formular eines Zirkelganges, wie er bei Beethoven vor-
komn^, findet man in Adlung's ;^in zweiter Auflage von J. A. Hiller im Jahr 1783
herausgegebener) »Anleitung zur musikalischen Gelahrtheit«, §. 103, Fig. 16; in
Petrins »Anleitung zur praktischen Musik« (Leipzig 1782) , Seite 220 u. a. a. 0.
Die Einfühhing des Leittons einer zu erreichenden Tonart auf verschiedenen We-
gen lehrt Kimberger in seiner »Kunst des reinen Satzesa, 7. Abschnitt; ferner
Petri in seiner »Anleitung«, Seite 218, 220 u.s. w. Eine Uebergangsformel, welche
der im zweiten Präludium Beethoven's häufig gebrauchten
W—^~h^ ^^
9t
i^^
U. 8. W.
t
etwas ähnlich ist, findet man in Abt Vogler's »Kurpfillzischen Tonschule« (Mann-
heim 1778),
U. 8. W.
und in Petrins »Anleitung« Seite 257
4
2.
7
4
-«-
Nachdem Neefe seinem Schüler »einige Anleitung zum Generalbass gegeben«,
so heisst es in dem oben mitgetheilten Bericht weiter , ȟbt er ihn in der Compo-
sition«. Hier ist nun zu fragen : was ist unter dem Ausdruck »in der Composition
üben« zu verstehen? An selbständige Compositionen kann dabei nicht gedacht
werden. Die Compositionen, welche Beethoven in Bonn geschrieben, gehören, so
weit sie uns bekannt sind, den verschiedensten Formen an; sie lassen im Ganzen
keinen Lehrgang erkennen, und einzeln betrachtet wird man ihnen, mit Ausnahme
der erwähnten zwei Präludien und einiger andern kleinen Stücke, keinen didak-
tischen Ursprung beilegen können. Man wird überhaupt den Ausdruck »in der
Composition üben« nicht gleichbedeutend mit »componiren« oder »componiren
♦) C. Ph. E. Bach spricht im 2. Theil seines Versuchs (Ausgabe v. J. 1762, S. 331) von
den »bekannten musicalischen Cirkeln«. Ein fleissiger Zirkelgänger war damals G. A. Sorge.
N /
- !
- 8 -
lassen«, sondern wörtlich und in dem Sinne zu nehmen haben , in welchem er zu
damaliger Zeit genommen wurde. Unter dem Worte »Composition«, als Lehrgegen-
stand oder als Sache der Uebung genommen , verstand man damals im engeren
Sinne den einfachen Contrapunkt, im weiteren Sinne die Setzkunst überhaupt.
Zu letzterer gehörten ausser dem einfachen Contrapunkt auch die Lehre von der
Nachahmung, Fuge u. s. w. *) . Es ist nun zu untersuchen, welcher Art die contra-
punktischen Uebungen Beethoven's gewesen sein können.
Manche Lehrer nehmen oder haben die Uebungen im Contrapunkt nur vorge-
nommen in der von der älteren italienischen Schule ausgegangenen Satzart, welche
in der Schulsprache unter dem Namen des strengen Satzes bekannt geworden
ist. Hier ist nun die Frage aufzuwerfen : hat Beethoven in Bonn den strengen Satz
kennen gelernt? Die Frage wird sich beantworten lassen, wenn man den damali-
gen Zustand der Theorie ins Auge fasst.
Der strenge Satz war zu Neefe's Zeit im nördlichen Deutschland, Berlin viel-
leicht ausgenommen , vollständig ausser Curs gesetzt **) . Das einzige Lehrbuch,
welches den strengen^Satz behandelte und welches (in Mizler's deutscher Ueber-
setzung) auch in Norddeutschland bekannt war, war Fux' r>Gradti8 ctd Partiassurm,
Das Studium dieses Werkes wurde jedoch als ein Special-Studium betrachtet.
Seinem allgemeinen Gebrauch stand entgegen, dass Fux die alten pythagoräischen
Rechnungen (die Kanonik) zur Grundlage seines Systems gemacht und sowohl die
Solmisation, als die alten Kirchentonarten beibehalten hatte : alles Dinge, die da-
mals in Norddeutschland längst abgethan waren und von welchen, den Uebersetzer
Mizler und seine Anhänger vielleicht ausgenommen, keiner von den Männern, die
das theoretische und kritische Ruder führten , etwas wissen wollte ***) . Erst mit
dem Bekannt- und Bekannterwerden der Werke Palestrina's und anderer alter
*) In Sulzer's »Theorie« (Artikel : Contrapunkt) wird bemerkt, dass »man gegenwärtig [1771]
von diesem [einfachen] Oontrapunktmeistentheils unter dem Namen der Uebungen in der Compo-
sition spricht". Man iutnn sich auch wegen der obigen Erklärung des Wortes »Composition« auf
Inhalt und Titel einiger Lehrbücher berufen , z. B. auf Marpurg's »Handbuch bey dem General-
basse und der Composition« (1755) , Albrechtsberger's »Anweisung zur Composition« (1790) u. s. w.
**) Es wäre die Aufgabe einer besondem geschichtlichen Abhandlung, diese kurz ausge-
sprochene Behauptung zu beweisen. In Ermangelung einer solchen verweisen wir auf einen Auf-
satz (Über die Ausbildung der Tonkunst in Deutschland im 18. Jahrhundert) in der Leipziger
All^. Musik. Zeitung vom Jahre 1801 (3. Jahrgang), Seite 302—300, 437; ferner auf Mattheson's
»Vollkommenen Capellmeister«, 8. 74, §. 37 und 38; Kimberger's »Gedanken über die verschie-
denen Lehrarten«, S. 4 und 8 ; Abt Vogler's »Choral-System« , S. 6, 60 u. s. w. — Zu bemerken
ist, dass der Ausdruck »strenge Schreibart« von den damaligen norddeutschen Theoretikern
immerfort gebraucht wurde ; jedoch verstanden sie darunter nicht den oben gemeinten strengen
Satz, sondern diejenige Schreibart, in welcher Bindungen und wenig Verzierungen vorkommen.
Vergl. Kimberger's »Kunst des reinen Satzes«, Th. I, S. 80; Koch's »Lexikon« vom Jahre 1802,
S. 384 u. s. w.
***) J. A. Hiller sagt in den »Wöchentlichen Nachrichten« vom Jahre 1768, S. 2 und 10 : «Dass
diese Wissenschaft [die arithmetische und mathematische Theorie der Musik] nOthig sey, um
glückliche Componisten zu machen, läugnen wir im ganzen Ernst. — Man nehme immer das Ohr
zum Richter musikalischer Schönheiten an«. In seiner »Anweisung zum Violinspielen« nennt er
(S. 82) die Solmisation »ein gar armsecliges und gebrechliches Ding«, und den alten Kirchenton-
arten ruft; er (S. 76) nach : »Retpiiescant in paee !« — Bekannt ist der Kampf Mattheson's wider
die Solmisation und die alten Tonarten.
— 9 —
Meister, gegen Ende des vorigen und zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts,
kam der strenge Satz allmählich zu Ehren, und erkannte man seine Brauchliarkeit
für die Schule *) . Das erste Lehrbuch , welches den strengen Satz dem neuen
Tonart-System gemäss behandelte, war Älbrechtsberger's »Anweisung zur Compo-
sition«. Sie erschien 1790 in Leipzig.
Vergegenwärtigt man sich nun Neefe's Lebensgaug , seine Abhängigkeit von
den zu seiner Zeit herrschenden Kunstansichten, seine hauptsächlich auf eigenen
Studien und aufEinflUssenJ. A. Hiller's beruhende musikalische Bildung**), seine
vorwiegende Thätigkeit als Theater-Componist, betrachtet man seine Compositionen
ernster und religiöser Texte: so kann mau nicht annehmen, dass er sich je ein-
gehend mit dem strengen Satz befasst habe. Es ist nicht denkbar, dass er mit
Beethoven Uebungen im strengen Satz vorgenommen habe. Es ist im Gegentheil
nichts anderes von ihm zu erwarten, als dass er nach derjenigen Lehr- und Satz-
art vorging, welche damals an der Tagesordnung war und welche unter dem Namen
des reinen Satzes bekannt geworden ist. Als die besten Lehrbücher des reinen
Satzes galten : Marpurg's »Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition«
(1755—1760), J. RiepeFs Schriften in sieben Capiteln (1752—1786) und Kirn-
berger.'s »Kunst des reinen Satzes« (1774 und 1776]***). Ob nun Neefe eines von
diesen Büchern und welches er gebraucht habe, wissen wir nicht. Eben so wenig
ist etwas darüber zu sagen, in welcher Folge und Form die Uebungen vorgenom-
men wurden. Das ist im Grunde auch ziemlich einerlei; denn die Bücher stimmen
in. einigen Dingen, die uns als die wichtigsten erscheinen und in denen sie sich
zum Theil von den Lehrbüchern des strengen Satzes unterscheiden, überein. Sie
stimmen darin überein, dass die Theorie sich im Einklang mit der Praxis und herr-
schenden Richtung befinden müsse, eine Forderung, welcher Neefe, auch wenn er
nach keinem Lehrbuche vorging und sich ein eigenes System zusammen stellte,
sich nicht entziehen konnte. Sie stimmen femer überein in einigen an einen contra-
punktisch reinen Satz zu stellenden Forderungen. Die Lehrbücher des reinen Satzes
theilen den Contrapunkt nach alter Weise ein in zwei Gattungen : in den gleichen
und ungleichen oder verzierten Contrapunkt. Bei beiden Gattungen wird im All-
gemeinen gefordert (denn von den besonderen Regeln müssen wir hier absehen) ,
dass eine gegen einen gegebenen Gesang (Subject) contrapunktirende Stimme
*) Fordernd war eine von Bumey im J. 1771 in London herausgegebene, später in Deutsch-
land bekannt gewordene Sammlung von Compositionen Palestrina's und anderer alter Meister.
Yergl. Gerber's altes Lexikon, Bd. n, S. 6S. — Die Leipziger Allg. Musik. Zeitg. vom 13. Juni
1810 bringt als Beilage ein Stück von Palestrina und bemerkt dabei, dass »die Auftnerksamkeit
der Freunde der Tonkunst jetzt wieder mehr als seit langer Zeit auf die ältesten herrlichen
Werke italienischer und deutscher Meister gerichtet« sei.
^) Hiller war ein entschiedener Anhänger der neuen und ein Gegner der alten Schule , ein
Verehrer Hasse's, dann aber auch Haydn's und Mozart's. Dass ihm ein gründliches contrapuiik-
tisches Wissen und eine Kenntniss des strengen Satzes abging , beweisen seine Compositionen
unddi^Aenderungen, die er in von ihm herausgegebenen Werken früherer Jahrhunderte vornahm.
***) Hiller bezeichnet in den »Wöchentlichen Nachrichtea« vom li. Juli 176b Marpurg's
«Handbuch« und Riepel's Lehrbücher, von denen bis dahin 5 Oapitel erschienen waren , als die
zwei besten Werke, welche »verdienen in den Händen aller zu seyn, welche gründliche Einsichten
in das Wesentliche der Musik und der guten reinen Oompöaition zu erlangen^ trachten«. Kim-
berger's^Kunst des reinen Satzes« war, als Hiller das schrieb, noch nicht ersichienen.
Hotttboha , B««t]ior«&*t8tB4Ua, 9
^ 10 ^
selbständig geführt werde. Beim ungleichen Contrapunkt wird verlangt, dass
eine Figur oder ein Motiv festgehalten werde und dass die contrapunktirende
Stimme zu einer selbständigen Figuralstimme ausgebildet werde, ^ferner wird
gelehrt, dass durch Regelung der Rhythmen, durch Beobachtung des Ebönmasses
und der Cäsur eine contrapunktirende Stimme zu einer rhythmisch gegliederten
selbständigen Melodie auszubilden sei.
Die Vermuthung nun, dass Beethoven auf diese und andere Forderungen des
reinen Satzes abzielende Uebungen gemacht habe , gewinnt an Gewissheit, wenn
sich nachweisen lässt, dass jene Forderungen in denjenigen Compositionen, welche
der Zeit vor dem Unterrichte angehören, wenig oder gar nicht erfüllt sind, in den-
jenigen aber, welche naeh Beginn des Unterrichtes geschrieben wurden, immer
mehr in Erfüllung gehen. Dies lässt sich nun nachweisen. ^
In den Variationen über einen Marsch von Dressler, welche Neefe in seinem
Bericht vom 2. März 1783 als erschienen erwähnt und welche also der Zeit vor
dem Unterricht in der Composition angehören, zeigt sich keine Spur von contra-
punktisch selbständiger Stimmenführung. Es sind Figural-Variationen der ein-
fachsten Art. Man sieht überall nur eine harmonisch oder melodisch figurirte
Oberstimme mit Begleitung , eine begleitete Einstimmigkeit. Die drei dem Kur-
fürsten von Cöln gewidmeten, im Jahr 1783 erschienenen Clavier-Sonaten zeigen
wohl hier und da Keime einer selbständigen Stimmenführung , erheben sich aber
im Ganzen und was Gegensätzlichkeit der Stimmen anbetrifft gar wenig über die
4
Stufe, welche die Variationen einnehmen. Eine im Jahre 1783 (»im Alter von 11
Jahren«) geschriebene zweistimmige Fuge für Orgel, deren grössere Hälfte hier folgt.
In geachmnder Bewegung.
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zeigt zwar in den gegeneinander auftretenden Stimmdi eine gewisse Selbständig-
keit, eine wirkliche Zweistimmigkeit ; jedoch zeigt sich diese Selbständigkeit gar
gliedermännisch abhängig und beeinflusst von Vorbildern , und dann ist die Be-
2*
l
handlung der Intervalle {z. B. der Qnarte zu Anfang des 5. Takts) zum Theil so
wider alle Regeln, dass man daraus nur den Beweis einer mangelnden systema-
tischen Uebung im reinen Satz Bcliflpfen Jtann. Ein Fortechritt ist in den im Jahre
1 785, zwei bis drei Jahre nach Beginn des Unterrichts bei Neefe geschriebenen
drei Quartetten fUr Ciavier und Streichinstrumente bemerkbar. Die theils harmo-
nische, theils melodische Figuration hat au Mannigfaltigkeit, und die Führung der
oft selbständig gegeneinander autb-etenden Stimmen hat, im Vergleich mit der
Fnge, an Reinheit und Freiheit in der Benutzung der Inten-alle gewonnen. Immer
selbständiger wird die Stimmftihrung, immer mannigfaltiger die Figuration in den
nun folgenden , später geschriebenen Werken , namentlich in dem angeblich im
Jahre 1787 geschriebenen Präludium für Pianoforte in F-raoll*) , in den 1789 ge-
schriebenen zwei Präindien Op, 39 und in den spätestens 1790 geschriebenen
Variationen über Righini's Ariette iVenm Amm-e«. Allerdings darf man mit meh-
reren in diesen Werken hier und da vorkommenden schlechten Gängen , Octaven-
Farallelen, Quersländen und dergl. nicht rechten.
In den Lehrbttchem des reinen Satzes schliesst sich an den einfachen Contra-
punkt die Lehre von der Nachahmung. In Betreff der ^eien Nafshahmnng kann
man in den frühesten Compositionen Beethovens fast denselben Stnfengang beob-
achten, wie bei dem Contrapunkt oder der Figuration. In den Variationen über
Dressler's Marsch zeigt sich keine Spur einer Nachahmung. Ansätze dazu finden
sich in den drei Clavier-Sonaten. In der zweistimmigen Fuge ist , abgesehen von
der Durchführung des Themas, das den Zwischensätzen zugewiesene Nach-
ahmangswesen gar nicht wohl gerathen ; die Zwischensätze bestehen meistens
ans Sequenzen, wie man sie häufig bei einigen schlechten Componisten gegen
Ende des vorigen Jahrhunderts antrifft. Immer entschiedener , aber doch nur bis
zu einem gewissen Grade, tritt die Nachahmung hervor in den drei Quartetten für
Clarier und Streichinstrumente, in dem Präludium in F-moll, in den zwei Präludien
Op. 39 und in den Variationen über Righini's Ariette. In letzterem Werk findet
man auch (zu Anfang der t9. Variation) eine kurze kanonische Machahmuog in
der Unterquinte.
Wenn sich nun diese mit der chronologischen Entstehung der Werke Schritt
haltende Steigerung in der Anwendung der Mittel der Figuration und der Nach-
ahmung nicht ohne irgend einen theoretischen Beistand und nicht ohne vorherge-
gangene Uebungen erklären lässt : so darf dabei doch nicht übersehen werden,
dass sich auch andere Einflüsse , die nicht theoretischer Art sind und die einen
tieferen Grund haben, geltend gemacht haben. Neefe sagt in seinem Bericht über
Beethoven : »Er spielt grösstentheils das wohltemperirteClaviervon S.Bach«. Dass
dieses Werk anregend gemrkt hat, kann man sich denken. Dass es aber auch zur
*) Auf einem alten gedruckten Exemplar iIcs Präludiurns ist von fremder Hand bemerkt:
«ä, l'nge de lA ans". Auf dieser Angabe beruht die AnaaLiuu, dass es im Jahre 1TS7 componirt
Bei. Auf einem ebenfallB alten Exemplar des später ku erwähnenden Menuete filr I^anofort« in
Es-dur ist von derselben Hand bemerkt: »dans TAge de l'i ans'. Demnach rnnsB der Mennet ltS&
geschrieben aein. Sehr wahracheinlich sind die Dat* de» verloren getcangeoen Original-Hann-
BCiiptcn entnommen. Man würde keinen Grund haben, den Angaben Glauben zu schenken, wenn
nicht dieselbe Hand sich hr einem drittim Orte als suverl^sig erwiesen hatte.
— 13 —
Nachbildnng angeregt hat, kann man daraus sehen, dass etwas von dem in einigen
Präludien (z. B. im Präludium in F-dur im zweiten Theil) heiTSchenden freien poly-
phonen Wesen, wo alle Stimmen intheils freier, theils nachahmender Weise sich an
der Figuration betheiligen, übergegangen ist auf Beethoven's Präludium inF-moU.
Das ist nun ein einzelnstehendes Beispiel fremder Einwirkung. Nachhaltiger zeigt
sich ein anderer Einfluss. Dieallerfrühesten, vor 1784 geschriebenen Compo nen
Beethoven's (die Variationen über den Marsch, einige Lieder, ein Rondo fttr Ciavier
in A-dur, die drei Ciaviersonaten u. a. m.) gehören derjenigen Richtung an, welche
damals in C. Ph. E. Bach culminirte*) . Die Form ist, wenn auch oft weit und aus-
gesponnen, doch klein und nicht gedrungen; eigentliche DurchfÜhrungstheile feh-
len oder sind karg bedacht ; der zweite Theil eines Sonaten-Satzes beginnt in der
Regel wie der erste Theil mit dem Hauptthema; meistens herrscht die Obei*stimme
vor und verhalten sich die andern Stimmen begleitend. In den später geschriebe-
nen Compositionen und ungefähr vom Jahre 1785 an eignet sich Beethoven aber
immer mehr die Schreibart Mozart's an, wie sich solche in den ungefähr bis zum
Jahre 1782 geschriebenen Werken zeigt, nämlich die Art Mozart's zu figuriren,
Motive zu bilden, Nachahmungen einzuweben und die begleitenden Stimmen durch
irgend ein Mittel der Figuration zu einer gewissen Wesenheit und zu einem für
sich bestehenden Antheil an dem Ganzen der Darstellung zu verhelfen. Der be-
ginnende Einfluss Mozart's ist ersichtlich in den 1785 geschriebenen drei Clavier-
Quartetten. Entschieden mozartisch ist das im Jahre 1792 geschriebene Trio flir
Streichinstrumente Op. 3. Von kleineren Sachen sind zu nennen : der wahrscheinlich
im Jahre 1 785 geschriebene Menuet in Es-dur für Pianofore, das Rondino in Es-»dur
ftlr acht Blasinstrumente u. a. m. In diesen Stücken ist ein bedeutender Fortschritt in
der Entwickelung Beethoven's geschehen. Beethoven schreibt nun nicht mehr die
Stimmen immer von oben nach nnten, sondern er beginnt so zu schreiben, dass die obe-
ren Stimmen wie aus den unteren herausgewachsen erscheinen ; ausser der Ober-
stimme nehmen auch die andern Stimmen, jedoch nur beiläufig und auf kurze Zeit, an
der Melodieftihrung Theil, und die begleitenden Stimmen geben die untergeordnete
Bolle auf, die sie früher zu spielen hatten. Mozart wurde und war nun längere Zeit das
Vorbild, um eine Schreibart zu erlangen, welche grössere Formen auszufhllen ver-
mag, und welche wohl Beethoven meint, wenn er (1800 an HoflFmeister) schreibt:
»Ich kann gar nichts unofoligates schreiben, weil ich schon mit einem obligaten Ac-
compagnement auf die Welt gekommen bin« **) .
*) Dass Beethoven in Bonn Compositionen von C. Ph. £. Bach kannte, kann nicht bezwei-
felt werden. Im Nachlass Beethoven's fand sich eine von seinem Vater (•{* 1792) geschriebene
Partitar von C. Ph. £. Bach's Morgengesang am Schöpfbngstage. C. Czemy berichtet, dass sein
Unterricht im Ciavierspielen bei Beethoven im Jahre ISOl mit dem Stadinm der Clavierschnle
nnd der Ciavierwerke C. Ph. E. Bach s begonnen habe. Es wird auch erzählt, dass Beethoven
noch in späteren Jahren anf Bach's Ciaviersonaten grosse Stücke gehalten habe.
**) Dass d^r Stern Mozart's für Beethoven zur oben angegebenen Zeit aufgehen konnte, geht
ans folgenden Mi ttheilnngen hervor. »Die Entführung aus dem Serail « wurde in Bonn aufgeführt
im Winter 1782— 17n3, »Don Giovanui« und »Die Hochzeit des Figaro« 1789—1790. (Vergl.
Thayer's Biographie, I. S 73, 193.) Die sechs Haydn gewidmeten Streichquartette waren 1786
V.
— 14 —
Dass Beethoven, wenn er auch in Bonn viel Bachs'che Fugen gespielt, doch
die Fugenfonn nicht gründlich kennen gelernt hat, dais beweisen die Fehler , die
in den später unter Albrechtsberger's Leitung geschriebenen Fugen vorkommen.
Die im Alter von 11 Jahren geschriebene Füge ist nicht probehältig. Sie ist
nur ein Bieweis des Talents. Sie beweist, dass Beethoven sich frühzeitig das all-
gemeine Wesen der Fuge angeeignet hatte und dass er die Gabe hatte, ein Thema
fesf zu halten, in seiiie Bestandtheile zu zerlegen und frei durchzuführen.
Auch beiin doppelten Contrapunkt liefern die später bei Albrechtsberger ge-
schriebenen üebüngen den Beweis, dass Beethoven denselben in Bonn nicht
gründlich, d. h. nicht nach Regeln kennen gelernt hat. Einige doppelcontra-
punktische Stellen, welche hier und da vorkommen, z. B. im zweiten Theil der
19. Variation über Righinfs Ariette
(Verkehrung.)
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und im letzten Satz des Trios Op. 3, zeigen eine regelwidrige Behandlung der
Intervalle (z. B. in der mitgetheilten Stelle die Quinten, welche in der Ver-
kehrung zu Quarten werden) und können höchstens als Beweis dienen, dass er
einen allgemeinen Begriff von der Sache hatte und die Erscheinung kannte.
Was nun noch die übrigen Gegenstände der Compositionslehre betrifft, z. B.
Behandlung des Textes bei Singcompositionen, Gestaltung derTonstticke u. s. w.,
so schweben unsere Annahmen darüber fast ganz in der Luft. Beispielsweise
lässt sich erwähnen, dass Neefe bei seinen eigenen Gesangcompositionen auf
richtige Declamation der Worte und auf Erfassen der in den Worten liegenden
Empfindung sah *) . Dass aber in dieser Hinsieht eine Einwirkung Neefe's Statt
gefunden habe , lässt sieh schwerlich aus den von Beethoven in Bonn geschriebe-
nen Liedern erkennen. Es lässt sich nur mit Gewissheit sagen, dass das musika-
lische Lehen Bonns Gelegenheit genug bot, die meisten und wichtigsten Formen
der Instrumental- und Vocal-Musik in den Werken der bedeutendsten Componi-
sten der damaligen Zeit (Ph. E. Bach, Gluck, J. Haydn, Mozart, Georg Benda,
Philidor, Monsigny, Gretry, Piccini, Salieri, Sacchini u. s. w.) kennen zu lernen.
Wir müssen nun auf Neefe genauer zurückkommen." Neefe wird von seinen
in Bonn bekannt. (Vergl. Cramer's »Magazin« vom Jahre 1786, S. 1383.) Simrock, Waldhomist
an der Bonner Kapeile, hatte (nach CraAier's «Magazin« t. Jahre 1783, S. 385) ein Lager von Mu-
sikalien der Verleger GrOtz in Mannheim und Artaria in Wien. Beethoven hatte also 1783 und
später Gelegenheit, die Compositionen Mozart's, welche bei jenen Verlegern erschienen, gleich
kennen zu lernen.
*) Neefe äussert sich in dem Vorbericht zu seinen i. J. 1776 erschienenen »Oden von Klop-
stock mit Melodien«: er schmeichle sich» »die Empfindungen getreu ausgedrückt und die
Worto richtig deklamirt zu haben. Denn keine Melodie ist von mir eher aufge^hrieben wor-
den, als ich den Text ganz verstanden und empfunden, mir ihn zwey- bis dreymal laut vor-
deklamirt , und die Melodie nach allen Strophen untersucht hatte«.
— 15 —
Zeitgenössen als ein reehtsHiaffener , gewissenliafter Mann geschildert*;. Man
ka'nii däfeer mit gutem Gnind annehmen, dass er nach bestem Willen und Ge-
wissen beim Unterricht zu Werke ging. Femer lernt man ihn in seinen schrlÄstel-
terischen Arbeiten als einen Mann kennen, der mit einer unbefangenen, aber
ernsten Auffassung der Dinge die Gabe einer klaren Darstellung verbindet und
dabei eine nicht geringe Kenntniss der Literatur zeigt**). Üaraus ist zu folgern,
dass er liieim Ünterriclit nicht planlos , sondern Überlegt und , so gut er konnte,
methodisch vorging. Ist es doch ganz fo'lgerichtig^ dass er Beethoven erst »zuni
Generalbass« anleitet und ihn dann »in der Composition« übt. JEs ist aber nun nicht
ZU übersehen, dass Neefe, wie er selbst sagt, keine eigen tlicke Schule in der Com-
position durchgemacht hatte. Er sägt nämlich in seiner Setbstbiograpjiie /Leijiz.
Atlg. Musik. Ztg. I, 259) : »Zwar kann ich nicht sagen , dass icli so eigentlich
Schule bey ihm [J. A. Hiller] gemacht habe. Aber seine Gespräclie Über musika-
lische Dinge, seine Erinnerungen über meine Arbeiten, seine Berieitwilligkeit, mir
die besten Mustier in die Hände zu geben, und mich auf itire vorzüglichsten Schön-
heiten aufmerksam zu machen, dieselben zu entwickeln, das Vorschlagen solclier
Bücher, worinnen die Kunst auf psychologische Gründe gebaut war, z. B. komes
Grundsätze der Kritik, Sulzers Theorie u.a. ra. — nützten mir mebr, als ein förm-
licher Ünterriclit«. Uebereinstimmend mit diesem Geständniss lassen Uecfe's Com-
positionen eine Vertrautheit mit allem, was die Schute bietet, vermissen.
Nerfe lebte und bildete sich in einem kreise und zu einer Zeit, wo einerseits
Händel und J. S. Bach, wenn auch oft genannt, doch in den Hintergrund gedrängt
und in ihrer Grösse und Bedeutsamkeit nur von gar Wehigen (und wir rechnen zu
diesen Wenigen einen der treuesten Wächter des reinen Satzes, Kirnterger) er-
kannt waren, und wo andererseits Haydn und Mozart ihre ll!fission noch nicht er-
füllt hatten. Es war eine Zeit, wo in dem Suchen nacb neuen Bahnen man nichts
Besseres wusste, als die Formen der gleichzeitigen französischen üna italienisclien
Musik anzunehmen. Überall auf Einfachheit zu dringen, die künstlichere polyphone
Schreibart zu vermeiden und die Melodie zur Herrin über die Harmonie zu machen.
El diesem Streben näcli Simplicität lassen sich zwei , in gewisser Hinsicht ent-
gegengesetzte Richtungen unterscheiden. Bei der einen Eichtiing wurde der ide-
ale und eigentliche Zweck, der Tonkunst nicht aus den Augen verloren. Ihr ge-
hlören an: Geofg Benda in seinen späteren IVerken, iPh. E. Bach in seinen meisten
Werken, Joseph flaydn in seinen früheren Werken, ^N'aumann unÄ, init gewisser
*) Roehlitst sAgt (Letpz. Allg^. Musik. Ztg. I, ^41) Über ihn: »Sein Chaiif^kter httttd Red-
lichkeit, Gefälligkeit,, OffenlierzigkQit und Fr^nncUcl^afty^hkeit ;^u Qnind9(^eii;, .^m utt-
^nannter Freund nennt ihn (ebenda S. 355) »einen äann, der nur für die Kunst, für das Edle
und Schöne, für seine Familie und seine Freunde lebte«.
**) C. F. D. Schubart sagt in seinen »Ideen zu einer Aesthetik der Tonkunst« : »Neefe zeich-
l|et sich auch dadurch vor vi/elen Musikern aus^ dass er s^hr gut deutsch schreibt. Man hat im
46U^hen Museum und in andern deutschten Mpnatschnften einige Abbandlungen . über musi«
l^lische Gegenstände von ihmu die ungemeipi gut und gründlich geschrieben slnd^. Qerber sagt
t(}(eue0 Lexikon der Tonkttnstler, IXI, 564) über einen Aufsatz von Neefe (im 3^,, Stück der 6w*
linerjBius, Ztg.} : »Diesen Aufsatz nebst den\ im Isten Jahrg. des Crfunerischen^ Il(i^««iii9 mOgea
<fie Hm. Einsender ähnlicher Aufsätze als Muster ansehen, wie man von musikalischen Gregen-
ständen urtheilen und handeln soll«.
— 16 —
Einschränkung, auch Gluck und Mozart. Die andere Richtung, vertreten meistens
durch Männer, welche von der Seite der allgemeinen geistigen Bildung her in die
Tonkunst gekommen waren, ging, mit oder ohne Absicht, auf eine Verallgemeine-
rung der Kunst aus. Ein Vertreter dieser Richtung ist J. A. Hiller. Wenn man
dieser Richtung das zweifelhafte Lob, das allgemeine Kunstbedürfniss im Auge
gehabt und die Musik zum Gemeingut des Volkes gemacht zu haben, auch nicht
nehmen kann, und wenn man auch sagen muss , dass die ihr angehörenden Com-
positionen innerhalb der Grenzen, welche ihnen auf ihrem engen und vorwiegend
heiteren Gebiet gestellt sind, ihre Aufgabe vollkommen erfllllen und insofern ganz
stylgemäss sind : so muss man doch bekennen, dass das Streben nach Verein-
fachung und allgemeiner Verständlichkeit zur Verflachung führen musste, und dass
eine Kunstrichtung, in welcher das Gemüthsleben den höchsten Grad seines
Ausdrucks in der Sentimentalität findet, den idealen Zweck der Kunst ver-
fehlen muss. Nun, Neefe ist als Componist ein Opfer dieser Richtung. Er
wurde ein Opfer der Richtung in Folge seines Berufes, weil die Arbeiten flir die
Bühne ihn nicht zu einer mehrseitigen Ausbildung seiner Anlagen und zur Lösung
einer im eigentlichen Sinne künstlerischen Aufgabe kommen Hessen, vielleicht
auch weil der angeborene Hang zur Speculation ihn abhielt, die Kunst so viel als
möglich von allen Seiten praktisch anzufassen. Gewiss lag in ihm ein edler Keim.
Das sieht man an einigen Liedern und Opern- Arien, in denen sich ein warmes und
reines Gefühl ausspricht*}. Neefe's Compositionen sind grösstentheils ftlr die
Buhne bestimmt ; ein kleinerer Theil besteht aus Clä vierstücken , aus Gesängen
mit Ciavier-Begleitung, aus Compositionen über geistliche Texte u. s. w. Sie
haben im Ganzen genommen die damals übliche Schreibart , wie wir sie , theils
leicht und gefällig, theils etwas gekünstelt aber durchsichtig, bei Hasse, Hiller,
Gretry, Ph. E. Bach, G. Benda und Andern finden, erreichen jedoch weder die
Gedrungenheit noch die feine Harmonik des einen oder andern genannten Compo-
nisten. Die Melodie liegt fast immer in der Oberstimme. Die Figuration ist nicht
reich. Nachahmungen kommen selten vor und auch dann meistens nur bei kurzen
Gliedern. Wo sich Neefe in einem Satze für vierstimmigen Chor auf Nachahmung
eines längeren Gliedes, z. B. eines zwei Takte langen Motivs, einlässt, da wird,
indem die Stimmen, welche die Nachahmung begonnen, noch vor Eintritt der letzten
Stimme, also vor der Durchführung des Motivs durch alle Stimmen , die ein-
mal angetretene Selbständigkeit wieder aufgeben , das Gewebe gar bald faden-
scheinig und locker. Ueberhaupt ist, abgesehen von jenen kleinen und misslun-
genen Nachahmungen, zu bemerken, dass Neefe nirgends, auch wo es angebracht
wäre, z. B. bei der Composition eines geistlichen Textes, zu den ausgebildeteren
Formen der polyphonen Schreibart greift. Das ist die Stufe des höheren Dilettan-
*) C. F. D. Sehubflrt sagt Über die von ihm in Musik gesetisten Klopstock'Bchen Oden : »Die
Melodien sind^meist dem grossen Geiste Klopstocks angemessen und drücken seine tiefe, schwer-
mttthige Empfindung ganz vortrefflich aus«. Schubart bemerkt auch : »Mir däucht, Neefe würde
als Kirchen-Oomponist am meisten glänzen. Leider ist aber seine jetzige Bestimmung seinem
Geiste nicht angemessen. Er hält sich als Musikmeister bei der Seiler'sohen Schauspielergesell-
Schaft auf«. Neefe hatte diese Stellung 1776— 1779.
— 17 —
tismus*). Die letzterwähnten Erscheinungen ftind uns wichtig. Sie liefern den
Beweis, dass Neefe in der Stimmfühning bei fugirten Sätzen nicht handfest nnd
mit der polyphonen Schreibart wenig vertraut war. Daraus ergiebt sich weiter,
dass sein Unterricht lückenhaft war ; denn zum Unterricht in der Composition ge-
nügt nicht eine praktische Gewandtheit in dieser oder jener Compositions-Art, soii-
dem es gehört dazu, ausser einer theoretischen Vielseitigkeit , eine gewisse pi*ak-
tische Gewandtheit in allen zur Compositionslefare gehörenden GegensfÄnden.
Mängel können aber auch ihre Kehrseite und ihr Gutes haben. Neefe sagt
in ehter bereits angefahrten Stelle, dass »Bücher, worinnen die Kunst auf psycho-
logische Gründe gebaut war«, ihm mehr genutzt hätten , als ein förmlicher Unter-
richt in der Composition . Dass nun Neefe s Ansichten von der Kunst eine Sichtung
zur Psychologie und Aesthetik genommen hatten und welcher Art seine Ansichten
waren , das mag folgende Stelle zeigen , welche einem Aufsatz »Ueber die musi-
kalische Wiederholung« (im deutschen Museum v. J. 1776, S. 745) entnommen ist.
Neefe schreibt : »Das Genie soll zwar nicht durch die Regel unterdrückt werden,
es soll nur durch sie, besonders wenn sie aus der Natur der menschlichen Seele,
aus dem natürlichen Gange unserer Empfindungen abgezogen ist (wie eigentlich
die Regel seyn muss) , geleitet werden, dass es sich nicht ganz vom geraden Wege
entferne. Es behält immer noch Gelegenheit genug, sich als Genie zu zeigen , in
der Neuheit der Ideen, in der eignen Einkleidung derselben, in der verschiedenen
Modifieation der Melodie und Harmonie, in den besondem Verzierungen der unvoll-
kommenen Schlüsse und Einschnitte, in Verschmelzung der Abschnitte u. s. w. Es
kann mannigfaltig seyn, ohne die Einheit und Ordnung zu stören« u. s. w. Neefe's
Ansicht ging also dahin, dass die Gesetze und Erscheinungen der Musik auf das
seeKsche Leben des Menschen zu beziehen seien und eigentlich darin begründet
sein müssen. Man kann naeh dieser Ansicht nicht zweifeln, dass Neefe der Philo-
ß(^h nicht selten Neefe den Compositions-Lehrer vertreten und ergänzen musste,
dass, Wo technincbe Regeln nicht ausreichten nnd auch da, wo solche ausreichten,
Neefe mit ästhetischen Bemerkungen bei der Hand war und Regeln des Ge-
schmacks zu Hülfe nahm. Stellt man sich nun diesen trefflichen Mann vor, wie
wir ihn namentlich aus seiner Selbstbiographie kennen , diesen Mann ohne alle
Plunlerei, der mit offenem Blick für das Sachliche und Gegenwärtige doch stets
das Niedere auf ein Höheres, das Aeussere auf ein Inneres bezog : so kann man es
wohl ein Glück nennen, dass Beethoven, dessen Natur auf die Darstellung eines so
reichen Gemüthslebens angelegt war, in seiner Jugend einen Mann zur Seite hatte,
der an Beispielen und in Bemerkungen auf die Verwandtschaft zwischen den Be-
wegungen der menschlichen Seele und dem Element der Töne aufmerksam machen
und dadurch zur Aufklärung Beethoven's über seine Bestimmung und zur Ent-
*) Der Verfasser urtheilt nur nach den ihm bekannt gewordenen Compositionen Neefe s.
Bekannt sind ihm die in Hiller's »Wöchentlichen Nachrichten« v. J. 1767—1769 und die in den
•Musikalischen Nachrichten« V. J. 1770 erschienenen Stücke (Sonatinen, Variationen und klei-
nere Sätze fUr Ciavier, eine geistliche Ode fttr drei Singstimmen u. s. w.), ehie Anzahl Lieder
mit Clavierbegleitnng, das Singspiel »Heinrich und Lyda« und die Oper »Adelheid von Veitheim«
(in Bonn aufgeführt um 1781). Das letztere Werk war als das zuletzt geschriebene und als das
umfangreichste und bedeutendste hauptsächlich bei obigem Urtheil massgebend.
Notttbokm, Be«tlu»Yen*f Studien. q
— 18 —
wickelnng Beioer SubjecHvität beitragen kooDte. Vielleicht lässt Bich der Einflnss
Meefe'e noch höher anBchlageo. Es iet nämlich mOglich, dass Keefe, indem er,
waB man aus der oben mitgetheilteii Stelle schliessen kann , auf geschmackTolle
Wendndgen, auf Mannigfaltigkeit bei der Wiederholung eines Gedankens u. fl. w.
drang, den kritisehen Sinn, den wir in seiner Thätigkeit so oft in Beethoven's
SkizzenbUchcm zu beobachten Gelegenheit haben, wecken oder stärken half. Dann
ist es denkbar , dass Neefe , indem er anf die Unzertrennliehkeit des SchOnen,
Wahren und Guten hinwies, zur Bildung des sittlichen Charakters Beetfaoven's
and zur Hebung seines künstlerischen Selbstbewusstaeins beitrug. Alles zusammen-
geuommen kann man also sagen : Keefe's Unterricht war in technischer Hinsicht
ungenügend, in Hinsicht auf Bildung des Geschmacks und Entwickelung des mu-
sikaliBcheu Geftthls aber konnte er nur fijrdernd und nachhaltig sein. Dass Uhei^
haupt der Unterricht nicht ohne Wirkung sein konnte, beweist der Inhalt eines an
Ncefc geschriebenen Briefes, worin Beethoven seinen Dank in den Worten aus-
spricht: »Ich danke Ihnen fHr Ihren Rath, den Sie mir sehr oft hei dem Weiter-
kommen in meiner göttlichen Kunst ertheilten. Werde ich einst ein grosser Mann,
so haben auch Sie Theil daran« u. s. w. "),
Beethoven war im Jahre 1787 in Wien und erhielt, wie BJes (Biogr.Not.S. 86)
mittheilt, neinigen Unterricht« von Mozart. Ueber diesen Unterricht fehlen nähere
Mittheilungen. Beethoven war zu kurze Zeit in Wien, als dass er hätte einen voll-
sUindigen Cnrsus im Contrapunkt oder in einem andern Gegenstände durchmachen
klinnen.
Im Juli 1792 kam Joseph Haydn anf der Rttckreiae von England nach Bonn.
Wegeier erzählt (Biogr. Notizen S. 15) : »Als Haydn zuerst aus England zurttck-
kam - . . , legte ihm Beethoven eine Cantate vor"), welche von Haydn besonders
beachtet und ihr Verfasser zu fortdauerndem Studium au%emuntert wnrde*.
Wir vermuthen , dass bei dieser Gelegenheit Haydn das Studium des strengen
Satzes empfahl. Beethoven hat sich dann längere Zeit and wiederholt damit be-
schäftigt, zuerst anter J. Haydn's Leitung in Wien. Hierüber im nächsten Buch.
*] Berlinische muBikaligohe Zeitung vom 26. October 1793.
.**) Wahrscheinlich eine CantAte auf den Kaiser I.eopold II., welche verloren gegangen ist.
Unterricht bei Joseph Haydn.
3»
Deethoven traf im November 1792 in Wien ein, und bald darauf begann der
Unterricht bei Joseph Haydn. Der Unterricht kann ein Jahr oder etwas darüber
gedauert haben. Vorgenommen wurde der einfache Contrapunkt. Daß war die
erste Schule des strengen Satzes, die Beethoven durchmachte.
Ebiydn hielt grosse Stücke auf Fux' y)Gradus ad Parnassunu*) , Er schätzte
das Buch seiner Methode wegen, war aber nicht in allen Punkten mit Fux einver-
standen, sondern folgte auch seiner eigenen Ansicht und den AnsichteB Anderer
(z. B. C. Ph. E. Bach's, Kirnberger^s) . Haydn hatte sich, mit Benutzung einiger
andern Lehrbücher, einen Auszug aus Fux' y>Gradm adParnassuma gemacht, den
er seinen Schülern ittvjdie Hand gab. Auch Beethoven hatte einen. Wir lassen den
Inhalt eines solchen Elementarbuchs (so nannte Haydn den Auszug) mit Ueber-
gehung einiger überflüssiger Stellen und ohne den Wortlaut zu berücksichtigen,
hier folgen **) .
Regeln des Contrapunkts.
Die Intervalle sind theils consonirend, theilä dissonirend. Consonanzen sind : Ein-
klang [ums(mus)y Terz, Quinte, Sexte und Octave. Diese Consonanzen sind theils voll-
kommen, theils unvollkommen. Vollkommene Consonanzen sind : Einklang, Quinte und
Octave. Unvollkommene Consonanzen sind : Terz and Sext. Alle Übrige Intervalle sind
Dissonanzen, nämlich : Secunde, Quarte, Tritonus, falsche Quinte, Septime und None. i
Die Bewegung ist dreierlei :
1) die gerade Bewegung {moit*s rectus)y wenn zwei oder mehr Stimmen zugleich
steigen oder fallen ;
2) die Oegenbewegung (motus contrarius) , wenn eine Stimme steigt und eine andere
out;
3) die Seitenbewegung (moius ohUquua), wenn eine Stimme auf- oder abwärts geht
und eine andere auf einem Tone liegen bleibt.
*) A. C. Dies (biogr. Nachr. S. 39) berichtet: »Haydn vermehrte seine Bibliothek mit dem
Lehrbocha von Fux. Er (fand nichts darin, was seinem Wissen mehreren Umfang hätte geben
könaea; doch gefiel thm die Methode oder Lehrart, und er bediente sich derselben bei seinen
damaligen Schülern«. Griesinger (biogr. Not. S. 10) sagt: *»£r lernte auoh Faxens Oradm etd
Pttmae$mn in deutscher und lateinischer Sprache kennen, ein Buch, das er noch im späten Alter
aU klaastsch rühmte« u. s. w.
**) Das Elementarbuch , welches Beethoven besass ,* ist verloren gegangen. Obige Zusam-
laensteUung ist naah zwei Vorlagen gemacht, von denen eine unvollständig, die andere unzuver-
Jässig war. Auf Genauigkeit und Vollständigkeit der Wiedergabe des Elementarbuchs musste
also von vornherein verzichtet werden.
y
— 22 —
Hinsichtlich des Gebrauchs dieser drei BewegungeD giebt es vier Hauptregeln :
1) Von einer vollkommenen Consonanz zu einer andern vollkommenen schreitet man
entweder durch die Gegen- oder durch die Seitenbewegung.
2) Von einer vollkommenen Consonanz zu einer unvollkommenen schreitet man durch
alle drei Bewegungen.
3) Von einer unvollkommenen Consonanz zu einer vollkommenen schreitet man ent-
weder durch die Gegen- oder durch die Seitenbewegung.
4) Von einer unvollkommenen Consonanz zu einer unvollkommenen schreitet man
durch alle drei Bewegungen.
An der Kenntniss und dem rechten Gebrauch dieser Regeln hänget, wie man zu sagen
pfl^, das Gesetz und die Propheten.
Das Wort Contrapunkt kommt her von puncttim contra punctum, d. i. Punkt
gegen Punkt. In früheren Zeiten nannte man die Noten auch »Punkte«. Wenn man nun
gegen eine Reihe von Punkten oder Noten eine andere Reihe von Punkten oder Noten
setzte, so nannte man das : Punkt gegen Punkt [punctum contra punctum) setzen.
Der Contrapunkt wird in ftlnf Gattungen eingetheilt.
In der ersten Gattung wird Not« gegen Note [nota contra notam) gesetzt. Jede Note
des Choralgesanges (cantus ßrmus) erhält eine vollkommene oder unvollkommene Con-
sonanz. Die erste und letzte Note erhalten vollkommene Consonanzen. Die vorletzte Note
erhält, wenn der Cantus firmus unten steht, eine grosse Sexte ; steht der Cantus firmus
oben, so ist unten eine kleine Terz zu nehmen. In der Mitte sind viele Einklänge und
Octaven zu vermeiden. Die vier Hauptregeln sind wohl zu beachten. Am meisten ist die
Gegen- und Seitenbewegung anzuwenden. Bei der geraden Bewegung können leicht
Fehler (verdeckte Quinten und Octaven) entstehen.
In der zweiten Gattung des Contrapunkts werden zwei Noten gegen eine gesetzt.
Die erste Note fällt auf den Niederschlag [thesis] , die andere auf den Aufschlag (arsis) .
Die Note, welche in Thesi zu stehen kommt, rouss eine Consonanz sein. Die andere Note,
in Arsi, kann eine Dissonanz sein, wenn sie stufenweise angebracht ist, mit andern Worten :
wenn sie einen Terzensprung ausfüllt; z. B.
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Wenn der Cantus firmus unten steht, so muss im vorletzten Takt die erste Note eine
Quinte, die zweite eine grosse Sexte sein. Steht aber der Cantus firmus oben, so muss die
erste Note eine Quinte, die zweite eine kleine Terz sein ; z. B.
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Es ist erlaubt, den Contrapunkt mit einer Pause anstatt der ersten Note zu beginnen.
Wenn beide Stimmen zu eng aneinander kommen, so können sie vermittelst eines Sexten-
oder Octaven - Sprungs wieder auseinander geführt werden. Zwei in Thesi aufeinander
folgende Qumten oder Octaven, weiche in Arsi eine Note mit einem Terzen-Sprung zwi-
schen sich haben, sind verboten (Beisp. 1) ; denn die in Arsi stehende Note wird so an-
gesehen, als wäre sie nicht vorhanden. Anders ist es, wenn der Sprung einen grossem
Raum ausfüllt, z. B. eine Quarte, Quinte oder Sexte (2) ; hier wird der Fehler durch
den grossem Sprung ausgeglichen.
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Die vier Hanptregeln müssen sowohl bei dieser als bei den folgenden Gattungen
genau beachtet werden.
In der dritten Gattung des Contrapunkts werden vier Noten gegen eine gesetzt.
Die erste Note muss eine Consonanz sein. Die ttbrigen Noten können auch Consonanzen
(1), zum Theil aber auch Dissonanzen sein (2).
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Eine Consonanz kann sprungweise eintreten. Eine Dissonanz darf nur stufenweise
im Durchgange angebracht werden. Eine Ausnahme macht die Wechselnote {twta cam-
hiata) y welche entsteht, wenn man aus einer auf einem zweiten Viertel stehenden Dissonanz
(Septime oder Quarte), statt eine Stufe abw&rts zu gehen , eine Terz abwärts in eine Con-
sonanz (Quinte oder Sexte) springt und dann eine Stufe aufwärts geht. Z. B.
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In der vierten Gattung des Contrapunkts werden zwei aneinander gebundene
Noten, von welchen die erste in Arsi und die andere in Thesi steht, gegen eine gesetzt.
Die Bindung [Ugaiura, syncope) ist zweierlei : 1) die Bindung der Consonanzen, 2) die
Bindung der Dissonanzen. Die Bindung der Consonanzen findet Statt, wenn beide ge^
bundene Noten Consonanzen sind (Beisp. 1). Die Bindung der Dissonanzen findet Statt,
wenn die Note, welche in Thesi steht, eine Dissonanz ist ; die andere Note muss immer
eine Consonanz sein (2). Hier ist die gebundene Note, welche in Thesi steht, nichts
anderes, als eine Verzögerung der folgenden Note; denn wenn die Verzögerung auf-
gehoben wird, so erscheinen alle Noten als Consonanzen (3) .
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zulösen. Die gebundene Consonanz aber kann sprungweise fortschreiten. Steht der
Cantus ürmus unten, so geht die Secunde in den Einklang, die Quarte in die Terz, die
Septime in die Sexte, die Nene in die Octave. Steht der Cantus firmus oben, so geht die
Secunde in die Terz, die Quarte in die Quinte, die None in die Decime. Z. B.
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Wenn in einem Takte eine Bindung nicht Statt finden kann, so darf derselbe mit
zwei ungebundenen Noten ausgefüllt werden. Der vorletzte Takt bekommt, wenn der
Cantus firmus unten steht, die gebundene Septime mit der Auflösung in die Sexte ; steht
der Cantus firmus oben, so ist unten die Secunde mit der Auflösung in die Terz an-
zubringen; z. B.
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— 25 —
Die fflnfte Gattung heisst die zierliche oder verblttmte [C&ntrttppunto fiorUo) , weil
ausser den vier ersten Gattungen auch andere^ Veränderungen und Ausschmückungen
iarin vorkommen dürfen. Gebundene Noten der vierten Gattung können auf verschiedene
Weise verziert oder verändert werden ; z.B.
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dritten Takt- Viertel vorkommen. Wenn im Anfang eines Taktes zwei Viertelnoten vor-
kommen, so soll im Aufsciilag keine ungebundene Halbenote stehen, weil es scheinet, als
ob der Gesang da schliessen wollte (1). Besser ist es, da eine gebundene Halbenote (2),
oder wieder Viertelnoten (3) anzabringep.
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Man muss öfters auf Bindungen sehen. Die zwei letzten Takte sind wie in der
vierten Gattung einzurichten.
Wir nehmen nun die von Böethov«n geschriebenen »Uebungen im Contrapunkt«
vor. Vorhanden sind 245 Uebungen*). Nach Fux'schem Vorbild liegen ihnen
sechs, den sechs alten (authentischen Figural-) Tonarten in 2>, JB, F, G, A und
C angehörende feste Gesänge zu Grunde. Haydn hat in 42 Uebungen Stellen ge-
ändert oder als fehlerhaft bezeichnet. Ein Grund der Aenderung, eine Regel und
dgl. ist nirgends angegeben. Dem Herausgeber liegt es ob , eine Auswahl der Ue-
bungen zu treflPen und die vorkommenden Aenderungen zu erklären. In der nun
folgenden Zusammenstellung sind die von Haydn geänderten Stellen , mit H be-
zeichnet, den Uebungen, zu denen sie gehören, angehängt, und weisen Sternchen
auf die Stellen in den Uebungen hin, zu denen sie gehören.
Uebungen im Contrapunkt.
Zweistimmiger Ck)ntrapankt.
Nr. 1. Erste Gattung.
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*) Das Mannscript ist nicht voIIstSlncUj?. Vollständiff würde es nngefHhr 300 üebunpren
enthalten.
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Nr. 2. Zweite Gattung.
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Haydn's Aenderung gilt den verdeckten Quinten zwiseben den äusseren
Stimmen im vorletzten Takt. Dass sie nicht dem Querstande A-^ zwischen Sopran
und Alt gelten kann, zeigen u. a. die Uebungen Nr. 6, 17 und 20, wo Haydn bei
der Aenderung ähnliche Querstände nicht berücksichtigt. Haydn folgt in Betreff
der Behandlung verdeckter Quinten und Octaven der Ansicht von Fux, welcher,
auf Grund seiner ersten und dritten Hauptregel (siehe Seite 22 oben) , alle der-
artige Fortschreitungen verbietet und sie nur dann zulässt, wenn sie nicht zu ver-
meiden sind, oder wenn durch deren Vermeidung ein anderer , grösserer Fehler
entstehen wttrde. Wir verweisen auf mehrere Stellen des ttChraduß cui Pamasmtn^
(S. 61, 90—93, 104, 107, 113 f. der Uebersetzung von Mizler), wo Fux theils die
Beobachtung der Regeln fordert, theils eine Uebertretung derselben »um wichtiger
Ursachen Willem, oder »weil es nicht anders hat sein können«, oder »weil diese
Gattung etwas schwer ist«, oder aus andern Gründen entschuldigt.
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Vom vorletzten zum letzten Accord sind verdeckte Octaven zwischen den
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Im zweiten Takt sind durch eine durchgehende Note unterbrochene offene
Octavett zwischen Alt und Bass. Haydn hat hier und in manchen folgenden
Uebungen die fehlerhaften Noten mit Kreuzen (++) bezeichnet.
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Die Cadenz ist der zweiten oder sogenannten phrygischen Tonart nicht ge-
mäss. Der vorletzte Ton des Basses soll eine Stufe tiefer als der Finalton sein.
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der iihrygischen Tonart nicht gcmUss. Die erste Note des
im Ba88 mit dem (Jrundt«!! der Tonart ic], nud in der Fttll-
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m dritten Takt sind verdeckte Qninteu zwischen Sopran nnd
ten Takt verdeckte Octaven zwischen Alt nnd Bass. Anch
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dn's Cadenzen sind nicht vorschriftsnillssig. Die Hittelstimmc
Kote den Leitt«n {gü) bekommen.
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rang gilt der in den ersten Takten vorkommenden Cadenz.
sn in der Mitte (Grad, ad Pam., lat. Ansg., Pag. 89, 91, 95,
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Takt 3 und 4 ist eine Cadenz. Vgl. Nr. 12. Haydn ändert eine Note des
Cantns firmus. Die freie Quarte («) über der 8. Note des Cantus firmus hat er
stehen lassen.
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Der Tenor springt auf dem sechsten Viertel des zweiten Taktes wider die
Regel in eine Dissonanz. Haydn bringt dafür eine Wechselnote [Nota cambiata)
an. Die freie Quarte auf dem zweiten Viertel des vierten Taktes hat er stehen
lassen. Auch musste zur Cadenz eine Stimme (am besten die Mittelstimme) als
vorletzte Note den Leitton [h] bekommen.
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sie mit der Note fis im zweitfolgenden Accord ein widriges Verhältniss bildet und
die Tonalität verletzt.
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im ersten Accord des vierten Taktes, welche der Tonart G-dur, welcher die vor-
hergehenden und nächstfolgenden Accörde angehören, nicht eigen ist.
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stimmen. Vgl. Nr. 5.
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Die Wendenote h über der dritten Note des Cantus firmus ist stehen geblieben*) .
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Haydn's Aenderung ist auf die Entfernung der verdeckten Quinten von der
vorletzten zur letzten Note in den unteren Stimmen gerichtet. Bei der Aenderung
entsteht eine (verbotene) freie Septime.
*} Ich verstehe unter Wendenote das, was die ItaUener To/to nennen, nämlich eine
Nebennote, welche, anstatt in der Richtung, in der sie gekommen, stufenweise weiter zu schrei-
ten und also einen Terzensprung zu füllen, sich wieder zur vorhergehenden Stufe zurückwendet.
Vgl. Fux* «Oraduvi deutsch S. 74, 78.
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drei unteren Stimmen. Ohne Zweifel liegt hier ein Schreibfehler Beethoven's vor
und sollte die dritte Note in der Unterstimme so heissen, wie sieHaydn geändert hat.
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Vgl. Nr. 17 und 19.
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Oberstimmen. Die offenen Quinten im fünften Takt zwischen zweitem Sopran und
Bass sind nicht bezeichnet noch geändert worden.
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eine ähnliche Fortschreitang als fehlerhaft.
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schon beim dreistimmigen Contrapunkt (a. a. 0., S. 87, 92), dass in jedem Takt
der harmonische Dreiklang anzubringen sei , wenn solches nicht andere Umstände
verhindern. Die fehlerhafte Quarte y\ auf dem vorletzten Viertel des zweiten
Taktes ist nicht beseitigt worden.
Nr. 31.
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Bei der zehnten und elften Note des Cantns firmus ist eine octaven - artige
Fortschreitang zwischen Sopran nnd Tenor. Die freie Septipie /-^j im zweiten
Takt ist nicht beseitigt worden.
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Haydn's Aenderung kann, nach dem von ihm beigefügten Zeichen (+) zu
schliessen, nur den vom dritten zum vierten Takt zwischen Sopran und Alt vor-
kommenden verdeckten Quinten gelten. Es entstehen aber bei der Aenderung
schlechtere verdeckte Octaven zwischen Alt und Tenor. Die offenen Quinten vom
vierten zum fünften Takt zwischen Alt und Tenor hat Haydn nicht geändert.
Nr. 3&. Vierte Gattung.
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lung der Vorhalte. Im ersten Takt ist der Quarten- Vorhalt mit der Terz und Sexte
begleitet. Die Regel will , dass eine solche Dissonanz mit der reinen Quinte (und
im vierstimmigen Satz mit der Octave u. s. w.) begleitet werde. Pater Martini
sagt [Esemplare^ Parte primae pag. XXVIII) : man solle die Quarten-Ligatur [la
legatura di Quarta) mit der Quinte, die Septimen -Ligatur mit der Terz u. s. w.
begleiten. Fux hat keine besondere Regel über die Begleitung des Quarten-
Vorhai tö. Es^geht aber aus seinem System und aus seinen Beispielen hervor, dass
bei ihm die gebundene dissonirende Quarte nur als Vorhalt der Terz eines harmo-
^
— 37 —
nischen Dreiklangs , nicht aber als Vorhalt der Terz eines Sexten - Aocordes vor-
kommen kann. Derjenige Vorhalt , welcher dem Sexten - Accorde eigenthümlich
ist nnd ihm allein angehört, ist der Septimen - Vorhalt. Kommt die Sexte als Be-
gleitung der Quarte vor, so erscheint sie als Vorhalt der Quinte und löst sich
gleichzeitig mit der Quarte eine Stufe abwärts auf.
Im dritten Takt begleitet Beethoven den Septimen -Vorhalt mit der Terz und
Sexte, also mit seinem Auflösungston. Die Regel will, dass mit Ausnahme der
None, wo der Name schon eine solche Gleichzeitigkeit andeutet, kein Vorhalt mit
seinem Auflösungston in einer andern Stimme begleitet werde. Martini sagt
[Esemplare, P, /, paff. 143) : man solle gleichzeitig weder die Quarte mit der Terz,
noch die Septime mit der Sexte , noch die None mit der Octave anbringen. Pux
sagt {Oradtis, deutsch, S. 103), dass die Septime zur Begleitung die Terz haben
soll u. s. w. Haydn selbst war in Betreflf der Verdoppelung des Auflösungstons
eines Vorhalts in seinen spätem Compositionen sorgsam. In Gompositionen aus
früherer Zeit, welche vielfach Ph. E. Bach'sche Einflüsse zeigen, kommen der-
artige Verdoppelungen häufiger. vor.
Nr. 36.
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begleitet. Vgl. Nr. 35. Die Kreuze im nämlichen Takt im Tenor und Bass deuten
die unstatthafte Verdoppelung des Tones A , welcher hier als Leitton (iwt) ange-
nommen wird, an. Haydn ändert eine Note des Cantus firmus.
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tung der zwei gebundenen Quarten mit der Sexte. Vgl. Nr. 35 und 37.
Nr. 89.
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ein Septimen- Vorhalt mit seinem Auflösungston begleitet. Haydn bezeichnet beide
Stellen, ändert aber nur die erste. Vgl. Nr. 35 flf.
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Haydn bezeichnet und beseitigt den Fehler.
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1) auf den durch den Alt verdoppelten Auflösungston des im Bass liegenden
Secunden- Vorhalts; 2) auf die verzögerten Quinten -Parallelen zwischen Sopran
und Bass. Die Secunde ist in dieser Gattung des Contrapunkts nur mit der Quarte
oder Quinte zu begleiten. Vgl. Nr. 35. In Betreff des andern Falles scheint Haydn
der Ansicht von Fux, die Beschaffenheit der Consonanzen werde durch Bindungen
nicht geändert , zu folgen und daraus den Schluss zu ziehen , verzögerte Quinten
seien so schlecht wie nicht -verzögerte. Pux indess duldet verzögerte Quinten^
wie sie Beethoven macht, und macht sie auch. Vgl. sein Lehrbuch S. 100 ff.
Andere Theoretiker, z. B. Kirnberger, dulden sie nicht.
Nr. 42.
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tireudeu Stimme verdoppelten Terz. Zur VoUstimmigkeit gehört die Quinte.
Vgl. Nr. 30. Die Octaven - Parallelen im zweiten Takt zwischen Alt und Tenor
mag Haydn übersehen haben; wahrscheinlich liegt ein Schreibfehler Beet-
hoven's vor.
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Bei der zweiten Note des Cantus firmus ist die None mit der Sexte, statt mit
der Quinte begleitet. Vgl. Nr. 30.
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Im vierten Takt ist die gebundene Quarte mit dar Sexte begleitet. Vgl.
Nr. 35.
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falsche Begleitung der Quarte mit der Sexte.
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Vom zweiten zum dritten Takt sind Quinten-Parallelen zwischen den äusseren
Stimmen.
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Ueber die
Haydn's Aenderungen betreflTen zum grössten Theil die Begleitung der Vor-
halte (12 Stellen) und verdeckte Quint- oder Octav-Parallelen (10 Stellen), dann
offene Quinten oder Octaven (6 Stellen) und unterbrochene oder verzögerte Quint-
oder Octav-i?arallelen (6 Stellen). Die übrigen Aenderungen (11 an der Zahl)
vertheilen sich auf sieben andere Fehler.
Kottebofam, Be«tboveB*8 Siodien. 6
— 42 —
Die die Begleitung der Vorhalte betreflfenden Aenderungen (in den Uebungen
Nr. 35 flF.) beruhen auf festen Regeln, und es kann die Feinheit und Strenge ttber-
raschen, mit welcher Haydn da zu Werke ging.
Das Nämliche lässt sich von den Aenderungen, welche verdeckte Quint- und
Octav- Parallelen betreflFen (in Nr. 5, 6, 7, 11 u. s. w.), nicht sagen. Das Verbot
solcher Fortschreitungen lässt sich im zweistimmigen Satz wohl befolgen; im
mehrstimmigen Satz aber ist es nicht durchfuhrbar. Entweder muss hier, wie es
z. B. Albrechtsberger thut, ein Unterschied gemacht werden zwischen guten und
schlechten Fortschreitungen ; oder es müssen, wie es bei Fux geschieht, verdeckte
Fortschreitungen ausnahmsweise zugelassen werden, lyenn sie nicht zu vermeiden
sind, oder wenn durch ihre Vermeidung ein grösserer Fehler entstehen würde.
Haydn folgt weder der einen, noch der andern Ansicht. Er folgt der Regel, dass
man in eine vollkommene Consonanz nur in Gegenbewegung schreiten dürfe,
handhabt aber diese Regel willkürlich. Er handhabt sie und handhabt sie wieder
nicht. In der üebung Nr. 22 beseitigt er verdeckte Quinten, welche genau so,
wie sie Beethoven geschrieben, in F\ix\i>Gradtcs ad ParTtassuma (Pag. 123; deut-
sche Ausg. Tab. XVI. Fig. 5) vorkommen, nach diesem Lehrbuch also zulässig
sind ; und bei den Aenderungen in Nr. 17, 19, 24, 34 und 46 macht er selbst ver-
deckte Quinten und Octaven, und darunter einmal welche (in Nr. 34) , um von
Beethoven gemachte zu beseitigen. Offenbar ist ein solches Vorgehen nicht folge-
recht und nicht systematisch. Der Schüler musste irre werden, wenn er sah , wie
der Lehrer an einer Stelle auf die Beachtung der Regel dringt , an einer andern
aber sie selbst übertritt.
Bei der Aenderung in Nr. 11 bringt Haydn den Leitton nicht als vorletzte
Note einer Stimme an. In Nr. 22 entsteht in Folge seiner Aenderung eine freie
Septime, und in Nr. 46 ein Septimensprung. Das sind Fehler wider den strengen
Satz. Siebeweisen, dass Haydn mit den Forderungen und Eigenthümlichkeiten
des strengen Satzes nicht vollständig vertraut war.
Haydn übersieht in der Uebung Nr. 9, bei der 2. und 3. Note des Cantus
firmus, offene Quinten zwischen Alt und Bass; in Nr. 13, bei der 8. Note des
C. f., eine im Tenor sprungweis angebrachte Quarte; in Nr. 14 eine freie Quarte
im Bass zur 7. Note des C. f., femer den bei der Cadenz nicht richtig angebrachten
Leitton; in Nr. 26, bei der 9. und 10. Note des C. f., offene Quinten zwischen Alt
und Bass; in Nr. 30, bei der 15. Note des Basses, einen Sprung aus einer Quarte;
in Nr. 31, bei der 10. Note des Soprans, eine nicht stufenweis eingeführte Disso-
nanz; in Nr. 34, bei der 8. und 9. Note des C. f., offene Quinten zwischen Alt
und Tenor; in Nr. 44, bei der 3. und 4. Note des C. f., offene Octaven
zwischen Alt und Tenor u. s. w. Das ist ein Theil der Fehler, welche Haydn in
Uebungen hat stehen lassen, die von ihm an einer Stelle geändert sind. Dass
solche Fehler stehen geblieben sind, lässt auf Flüchtigkeit bei der Durchsicht
schliessen.
Verhältnissmässig eben so viel Fehler, wie in den von Haydn durchgesehenen
Uebungen, sind in den Uebungen stehen geblieben, die keine Spur der Aenderung
oder Durchsicht zeigen. Und die Zahl dieser Uebungen ist die bei weitem grössere,
denn sie verhält sich zur Zahl jener ungefähr wie 5 zu 1. Diese Erscheinung ist
— 43 —
nur zu erklären , wenn man annimmt , Haydn habe sich nicht die Zeit genommen,
Beethoven's Arbeiten genau durchzusehen. Dies Ergebniss stimmt im Grunde mit
dem vorhin erlangten Uberein.
Aus dem bisher Bemerkten ist zu folgern, dass Haydn's Unterricht im Contra-
punkt mangelhaft war. Haydn war kein systematischer, kein gründlicher und kein
genauer Lehrer. Bestätigt wird und glaublich ist, was Seyfried*) mittheilt >
Beethoven habe sich beklagt, bei Haydn nicht vorwärts kommen zu können , weil
Dieser, zu sehr beschäftigt, nicht im Stande sei, den ihm vorgelegten Arbeiten die
gehörige Aufmerksamkeit zu schenken. Der von Ries (Biogr. Notizen S. 86) mit-
getheilten Aeusserung Beethoven's, er habe von Haydn nie etwas gelernt, ist nicht
beizustimmen. Gewiss hat Beethoven von Haydn etwas gelernt, mag auch dieses
Etwas weniger dem Lehrer , als der ihm überkommenen Lehre und Methode zu-
zuschreiben sein. Der Lehrer ist aber von seiner Methode nicht ganz zu trennen.
Die Uebungen im strengen Satz sind ein radicales Mittel , den Schüler , indem sie
ihn nöthigen , die Stimmen ohne harmonischen Stützpunkt von innen heraus zu
schreiben, an eine selbständige Stimmführung zu gewöhnen. Hierzu werden die
Uebungen auch bei Beethoven beigetragen haben.
Die vorhandenen Uebungen können den für den Unterricht anzunehmenden
Zeitraum von ungefähr einem Jahre nicht ausfüllen. Beethoven muss mehr ge-
schrieben haben. Vermuthlich gingen andere contrapunktische Uebungen vorher.
Diese Vermuthung stützt sich auf die Vertrautheit mit gewissen Besonderheiten
des strengen Satzes, welche Beethoven gleich bei den ersten Uebungen jeder
Gattung zeigt. Zu solchen Besonderheiten gehören die Anwendung der sogenann-
ten Fux'schen Wechsehiote (in der Uebung Nr. 3) , die Vermeidung der Wende-
note in der zweiten Gattung , die Vertheilung der verschiedenen Notengattungen
in der fünften Gattung u. s. w. Dass Beethoven bei Haydn noch die Fuge oder
gar, wie Schenk sagt**), den doppelten Contrapunkt vorgenommen habe, ist nach
der BeschaflTenheit der bei Albrechtsberger geschriebenen Uebungen undenkbar.
Haydn verliess Wien, um nach England zu reisen, am 19. Jan. 1794. Beet-
hoven wurde nun Albrechtsberger's Schüler. Ueber diesen Unterricht im näch-
sten Buch.
•) SchiUing'B Univ. -Lexikon, Artikel: Schenk. Vgl. Thayer's Biographie, I. 261, 380 f.
'♦) Vgl. Thayer'B Biogr. IL 413.
6»
Unterricht bei J. 6. Albrechtsberger.
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Der Unterricht mag um Neujahr 1794 begonnen haben. Er erstreckte sieh
auf folgende Gegenstände : einfacher strenger Contrapunkt , freier Satz in Form
des einfachen Contrapunkts , Nachahmung , einfache Fuge , fugirter Choral , die
drei doppelten Contrapunkte in der 8., 10. und 12. nebst Doppelfuge, dreifacher
Contrapunkt nebst dreifacher Fuge und Kanon. Benutzt wurde Albrechtsberger's
»Anweisung zur Composition« in der Ausgabe vom Jahr 1790. Gelegentlich wurden
auch andere Bttcher zur Hand genommen.
I. Ein£Ekch6r Contrapunkt.
Das System, nach dem Albrechtsberger vorging, ist auf das von Fux gebaut ;
es unterscheidet sich von diesem hauptsächlich darin, dass statt der alten Ton-
arten das Dur und Moll der neueren Musik angenommen ist, dass einige Theile
des Systems erweitert, andere durch Regeln genauer bestimmt sind.
Dass der Unterricht mit einem Gegenstand begann, den Beethoven eben bei
Haydn durchgenommen, erklärt sich aus der Mangelhaftigkeit des früheren Unter-
richts. Albrechtsberger geht gleich auf einen bei Haydn vernachlässigten Gegen-
stand ein. Haydn hat den auf einem Triton beruhenden Querstand nicht berück-
sichtigt. Albrechtsberger aber berücksichtigt ihn und lehrt seine Behandlung.
Albrechtsberger, dem Beethoven das bei Haydn geschriebene Uebungsheft vor-
gelegt haben mag, damit er den Stand des abgebrochenen Unterrichts kennen
lerne, bemerkt zum zweiten Takt der Uebung Nr. 2 (Seite 26) :
übel, weil zwei voll-
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— 48 —
und zum fiinften Takt der Uebung Nr. 4 :
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Haydn ist ferner, wie früher bemerkt, bei verdeckten Quinten und Octaven
nicht nach festen Regeln zu Werke gegangen ; auch hat er die OUava batttUa ge-
duldet (z. B. in der Uebung Nr. 3 bei der zweiten Note des Cantus firmus), Sep-
timen-Sprünge gemacht (z. B. in Nr. 46) u. s. w. Auf Dieses und Anderes
beziehen sich folgende von Albrechtsberger geschriebene :
Regulae universales. Nebst den verbotenen Quinten und Octaven sind auch die Ottava
bcUtuiay wie auch harte und Dissonanz-Bprfinge verboten. Femer ist zö beachten, dass in
Dnr-Tonarten der vierte natürliche Ton gern um einen halben Ton zurück geht, der sie-^
bente grosse aber hinauf rückt. Das m» contra fa steckt in Dur -Tonarten zwischen dem
vierten und siebenten, in Moll-Tonarten zwischen dem dritten und siebenten oder (erhöhten)
sechsten Ton; z. B.
in Cdur:
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Beethoven schreibt nun, zum Theil in Albrechtsberger's Gegenwart, ungefähr
125 Uebungeü, den^ zwei feste Gesänge zu Grunde liegen, einer in Fdttr, der
abdere in Dmoll. ' ,
Wir lassen, in ähnlicher Weise wie im vorigen Buch, eine Auswahl der
Uebungen folgen und fügen die nöthigen Erklärungen der Aenderungen und die
hier und da von Albrechtsberger oder Beethoven gemachten Bemerkungen bei.
A bedeutet: Albrechtsberger's Aenderung ; B: Aenderung von Beethoven.
Uebungen im Contrapunkt.
Zweistimmiger Contrapankt.
Nr. 1. Erste Gattung.
Cantus firmus. :f: :ie
Albrechtsberger ändert aus keinem andern Grunde, als um die Monotonie des
in der Oberstinmie dreimal vorkommenden d zu beseitigen.
Nr. 2. Zweite Gattung. A
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— 49 —
Takt 7 und 8 ist ein unharmonischer Querstand (ä— *). Takt 8 und 9 stehen
reine Quinten auf nächstliegenden guten Takttheikn. Beide SteHen sind (nach
Albrecbtsbei^er's »Anweisung« in der Ausgabe v. J. 1790 S. 36 u. 105) fehlerhaft.
Nr. 9.
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Albreehtsberger bezeichnet die, beideub Sprthige im achten und nennten Takt,
welche zusammen eine (sonst verbotene] Septime bilden, als »gut«, und bemerkt :
oFehlerhaft ist es, wenn die zwei Noten, welche die Septime ausmachen, auf
Niederstreicben zu stehen kommen; z. B.
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Albrechtsberger'» Aenderung gilt: 1) dem zu frühen Verlassen der Haupt-
tonart ; 2) der unmelodischen Fortschreitung Takt 6 und 7 , nämlich der Folge von
drei grossen Secunden , welche zusammen einen Triton [b — e) bilden. Die Fort-
schreitung würde gut sein , wenn die abgrenzende Note des Tritons [e] eine Stufe
w«iler (aaeh/) gefttfart wtttde. Vgl. Kimfterger's »Kunst cfes reinen Satzes«,
1 . The», S. 136^.
Nr. 5. Dritte Gattung. ^
Albrechtsberger bemerkt zum vorletzten Takt: »Das h unten iist eine gute
erlaubte Dissonatiz. Auch die 2., 7. und 9. sind in Aufetreichen stufenweise
ertanbt«.
Kottebohn, Beetboren^s Studien. 7
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— 50 —
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Nr. 6. Vierte Gattnng.
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Im vorletzten Takt ist nicht die vorgeschriebene Seeund- Ligatur angebracht.
(Vgl. Albrechtsberger's »Anweisung« S. 62.) Albrechtsberger bemerkt dazu:
»nicht oft«. Beethoven verbessert die Stelle.
Nr. 7.
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nanz, die Quarte, zur Vorbereitung eines Vorhalts gebraucht.
Nr. 8. Fünfte Gattung.
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Bei der Cadenz ist nicht die vorgeschriebene Seeund -Ligatur angebracht.
(Vgl. Albrechtsberger's »Anweisung« S. 67.) Beethoven verbessert die Stelle.
Dreistimmiger Contrapankt
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Nr. 9. Erste Gattung.
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Vom ersten zum zweiten Takt sind verbotene verdeckte Quinten zwischen Alt
und Bass. Albrechtsberger (Anw. S. 80, 85) gestattet im dreistimmigen Satz ver-
deckte Quinten, Octaven und Primen nur, wenn die obere der zwei Stimmen,
zMrischen welchen eine verdeckte Fortschreitung vorkommt, stufenweise geht, und
wenn dabei entweder die dritte Stimme Gegenbewegung hat, oder die Unterstimme
(der Bass] einen Quarten-Sprung macht.
Nr. 10. Zweite Gattung. ^
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beiden Oberstimmen. Sie sind unstatthaft, weil die oberste Stimme nicht stufen-
weise fortschreitet. Vgl. Nr. 9.
Nr. 11.
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Aaf dem Niederschlag des vorletzten Taktes fehlt die zur Vollständigkeit der
Harmonie nöthige Terz. Vgl. Nr. 12.
Nr. 12. Dritte Gattung.
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Vom zweiten zum dritten Takt kommen zwischen Alt nnd Tenor unstatthafte
verdeckte Quinten vor. Vgl. Nr. 9 und 10. — Im vierten Takt springt die Unter-
stimme aus einer stufenweise eingeführten Quarte, statt in gleicher Richtung
stufenweise weiter (nach d] zu schreiten. Zulässig ist ein Sprung aus der Quarte,
wenn sie, wie es Albrechtsberger's Aenderung zeigt, als Bestandtheil eines durch-
sprungenen vollkommenen Dreiklangs oder Sextaccordes erscheint. Vgl. »Anwei-
sung« S. 43, 53, 55 und 113 f. — Auf dem Niederschlag des vorletzten Taktes
fehlt die zur Harmonie gehörende Terz. Beethoven bemerkt dabei : »Der Nieder-
streich soll vollstimmige Accorde haben; der Aufstreich kann leere haben«. —
Endlich ist bei der Cadenz der Leitton nicht vorschriftsmässig als vorletete Note
einer Stimme angebracht. Vgl. »Anweisung« S. 93 f.
Albrechtsberger schreibt :
Regeln zur vierten Gattung des dreistimmigen Gontrapunkts.
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Erste Hauptregel. Die Aufstreiche müssen alle Consonanz- Accorde haben; die
Niederstreiche aber können gebundene Dissonanz- oder Consonanz-Accorde haben.
Zweite Hauptregel. Die Dissonanz-Ligaturen, die Übermässige Quinte ausgenommen,
müssen im strengen Satze alle herab in den nächsten halben oder ganzen Ton aufgelöst
werden.
Die leeren Accorde 15535 sind in Niederstreichen verboten.
Nr. 13. Vierte Gattung.
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Im vorletzten Takt ist in der contrapunktirenden Stimme nicht die vorge-
schriebene Secund- Ligatur angebracht. Vgl. Nr. 6 und Albrechtsberger's »An-
weisung« S. 103. — Das von Albrechtsberger dem siebenten Takt beigefügte
Wort »Licenz« bezieht sich auf die frei eingeführte und in einer andern Stimme
aufgelöste falsche Quinte.
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Nr. 14.
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Im achten Takt ist der Anflösungston des Vorhalts verdoppelt. Albrechte-
berger bemerkt e« seiner Aenderang : » Die Secnnd- und Septimen- Ligatar kann
TOT der AoflOsnng einen Quinten -Sprung hinab machen«.
Nr. 15. Fttnfte Gattung.
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Auf dem dritten Viertel des dritten Taktes erscheint eine Wendenote [d) , eine
Quarte, welche keinen Terzensprung ausfüllt. Vgl. S. 31. — Im vorletzten Takt
wird durch die punktirte Note die Bewegung unterbrochen. Jeder Takttheil
soll in dieser Gattung eine »anschlagende« Note bekommen. Vgl. Albrechtsberger's
»Anweisung« S. 199.
Nr. 16. ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^^ — ^^ ^^
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Aaf dem NiederBchlag des vierten Taktes ist kein vollstimmiger Accord; es
fehlt die Terz. Vgl. Nr. 12. — Im sechsten Takt sind verdeckte Octaven
zwischen Sopran nnd Bass. Vgl. Nr. 9.
Nr. 17. ^
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Auf guter Zeit des dritten Taktes ist der Leitton der Tonart verdoppelt, was
Albrechtsberger (Anw. S. 84, 105, 362) nicht gestattet. — Im vierten Takt ist die
gebundene Septime mit ihrem Auflösungston, der Sexte, statt mit der Terz oder
Octave begleitet. Vgl. die vorhergehenden Kegeln zur vierten Gattung (S. 52) und
Albrechtsberger^s »Anweisung« S. 75. — Takt 8 und 9 sind schlechte verdeckte
Quinten zwischen Alt und Bass. Vgl. die Uebung Nr. 9.
Vierstimmiger Contrapunkt.
Nr. 18. Erste Gattung.
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Die Querstriche, von Beethoven beigefügt, dienen zur Bezeichnung der im
vierstimmigen Satz erlaubten verdeckten Quinten und Octaven (Licenzen) . Auf
denselben Gegenstand bezieht sich folgende von Beethoven geschriebene, offenbar
Albrechtsberger's »Anweisung« (S. 122) entnommene Bemerkung: »Die Licenzen
— 55
abwärts sind besser als aufwärts. Die Lieenzen dürfen in der obern Stimme höch-
stens einen Qainten-Spmng, im Basse und in den Mittelstimmen können sie auch
einen Quarten-, Sexten- und Octaven-Sprung haben. Bei dem Quarten -Sprunge
hinauf und hinab, wie bei dem Sexten -Sprunge hinauf, sind in der geraden Be-
wegung verdeckte Quinten und Octaven zu machen«.
Nr. 19. Zweite Gattung.
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Takt sind offene Quinten zwischen Tenor und Bass. Beide Fehler mag Albrech ts-
berger übersehen haben.
Nr. 20. Dritte Gattung.
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Die Cadenz ist nicht vorschriftsmässig eingerichtet. Albrechtsberger will
{Anw. S. 120 f.), dass der Bass im vorletzten Takt, wenn der Cantus firmus in
einer der obern Stimmen liegt, die Dominante der Tonart bekommt. Albrechts-
berger ändert auch ein kurz vor der Cadenz von der Haupttonart wegleitendes
Intervall.
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Auf dem guten Theil des secivsteii Taktes ist die Oetave zweimal verdoppelt.
Albrechtsberger macht dazu die Bemerkung : »In aQen Gattungen (des vierstim-
migen Satzes) , auch in der vierten und fünften Gattung , wenn keine Dissonanz-
Ligatur gemacht wird, mtttssen die Niederstreiebe oder die guten Takttheile volle
Accorde haben. Nur in Aufstreichen oder schlechten Takttheilen sind die leeren
Accorde erlaubt. Zu den leeren Accorden gehört auch , wen» drei Stimmen einen
gleichen Ton bekommen, wenn sie auch octavenweise stehen«.
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Im vierten Takt ist der Quarten- Vorhalt mit seinem Auflösungston, der Terz,
begleitet. Albrechtsberger bemerkt bei der Aenderung : »Zur Quart-Ligatur kann
keine Terz, zur Septimen-Ligatur keine Sext gemacht werden. Zu oh kann in der
Feme unten aus Noth \ genonmien werden; besser aber ist | oder ^«.
Nr. 23. Fünfte Gattung.
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Im zweiten Takt ist die gebundene Quarte mit der Terz in einer oberu
Stimme begleitet. Vgl. Nr. 22.
n. Contrapnnktisolie Uebongen im freien Satz.
Unter dem freien Satze versteht Albrechtsberger die zu seiner Zeit in Kirche,
Kammer und Theater übliche Schreibart. In den Uebungen , die er darin machen
lässt, schliesst die von den Forderungen des strengen Satzes befreite neuere Musik
eine Art Compromiss mit dem alten Contrapunkt und seinem Cantus firmus. Die
fänf eontrapunktisehen €rattttngen werden d^ Form nach beibehalten , aber mit
neuen Elementen versetzt. Die Regeln des strengen Contrapunkts werden theils
fallen gelassen, theils aufrecht erhalten.
Im freien Satze werden geduldet und als Licenzen betrachtet: SprUnge,
welche ein übermässiges oder dissonirendes Intervall bilden ; chromatische Fort-
schreitungen ; Querstände bei gewissen chromatischen Schrittea; auf 4er 5., 7.
und erhöhten 4. Stufe einer Tonart frei eintretende Septimen -Aceorde; falsche
oder verminderte Dreiklänge in allen Lagen oder Versetzungen ; sprungweis ein-
geführte zufällige Dissonanzen, Wechselnoten u. dgl. ; durch wesentliche Septimen
Torbereitete dissonirende Vorhalte; verzögerte oder von einer andern Stimme
übernommene Auflösungen einer wesentlichen Dissonanz , wobei dann eine Note
des Cantus firmus in ein dissonirendes Verhältniss gebracht werden kann ; auf-
wärts erfolgende Auflösung eines Vorhalts; Uebergehung des Leittons bei der
Cadenz u. s. w.
Aufrecht bleiben die Bestimmungen , welche die Form der fünf Gattungen,
die Anbringung und Vertheilung der verschiedenen Notengattungen betreffen; die
Regeln in Betreff verdeckter Quinten und Octaven ; das Verbot der Verdoppelung
einer wesentlichen Dissonanz , des Auflösungstons einer gebundenen Dissonanz,
des Leittons einer Tonart u. s. w.
Vorhanden sind 26 von Beethoven geschriebene Uebungen. Albrechtsberger
bat über den Cantus firmus, der ihnen zu Grunde liegt, auch Uebungen im strengen
Sat2 schreiben lassen. Aus welchem Grunde, ist nicht ganz klar. Wir übergehen
diese. Von ersteren folgt hier in bisheriger Weise eine Auswahl.
2lfott«bokiii, BMthoTeii's Stadien. 9
— 58 —
Zweistimmiger Contrapanlct.
Nr. !• Erste Gattung.
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Albrechtsberger hat die Variante geschrieben , um za zeigen y dass im achten
Takt .eine frei eintretende Dissonanz angebracht werden könne. Die verdeckten
Quinten Takt 8 and 9 zwischen Alt and Tenor sind gut.
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Die verdeckten Quinten vom ersten zum zweiten und vom neunten zum zehnten
Takt zwischen den Oberstimmen sind nicht gut, weil keine Stimme Gegenbewegung
hat und die Oberstimme springt. Vgl. S. 50 Nr. 9.
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Takt 3 und 4 sind schlechte verdeckte Quinten zwischen den äusseren Stim-
men. Vgl. die vorige Uebung.
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Im zehnten Takt wird ein ^dissonirender Quart-Öext-Accord wider die Regel
auf schlechter Zeit eingeführt und auf nächster guter Zeit aufgelöst. Vgl. Al-
brechtsberger's »Anweisung« S. tOO. Beethoven schreibt zu den letzten Takten
einen andern Contrapunkt.
Nr. 11, Fünfte Gattung.
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Im zehnten Takt kommt eine Wendenote J^) vor, die in der Richtung , in der
sie gekommen, nicht weiter geführt werden konnte, daher entfernt werden musste.
Vgl. S. 31 nnd 53.
yierstlmnilger Contrapankt
Nr. 12. Erste Gattung. q
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Die Folge der falschen Quinte nach einer reinen zwischen den Mittelstimmen
Takt 10 und 11 ist gut. Vgl. Anw. S. 140, 218.
Nr. 13. Zweite Gattung.
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Auf dem dritten Viertel des zweiten Taktes ist eine Wendenote (y).
Vgl. Nr. 11. — Im fünften Takt ist eine gebundene Septime mit ihrem Auf-
lösungston, der Sexte, begleitet. Vgl. S. 52 und 54. — Die offenen Quinten Takt
5 und 6 zwischen Sopran und Tenor mögen übersehen worden sein.
m. NachAhiniiiig.
Kleinere NacbaliinungBBätze , welche den Ue1>ergang bildeD kiln
CoDtrapnnkt zur einfachen Fuge, sind niebt vorhanden. Vorhandeo
grüssere NachahmuogRBätze, nHmlich :
1) ein Vorspiel zu einer einfachen Fuge in EmoU fUr drei Streiehinsl
2) ein Vorspiel zu einer Fuge aH' ottava in Fdnr für vier Streiehinsl
3) ein Vorspiel zu einer Fuge aUa denma in C dur fUr vier Streiehinsl
Diese Stttcke sind im freien Satz , gleichzeitig mit den Fagen , zu '
gehören, geschrieben. Dem Gange des Unterrichts vorgreifend fuhrei
hier ao, weil sie später nicht gut einzureihen sind. In dem anfzune
ersten StUck sind Albrecbtsberger's Aendernngen Über deu Stellen angeb
denen sie geh&ren.
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Beethovea's spätere Aenderungen :
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54 57
Zur Erklärung der Aenderungen Folgendes :
Die erste Violine bringt das Thema (Takt 1 bis 4) ; die zweite Violine über-
nimmt (Takt 4) die Nachahmung , verändert aber (Takt 6 und 7) das Ende des
Themas so sehr, dass eine Aehnlichkeit damit nicht mehr besteht. Albrechtsberger
verbessert die Stelle und streicht einen Zwischensatz von fünf Takten , so dass
unmittelbar nach der zweiten Violine das Violoncell mit dem Thema vernehmlicher
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— 69 —
einsetzt. •— Im 18. Takt sind schlechte verdeckte Octaven zwischen den äusseren
Stiminen. (Vgl. S. 51 .) — Im 21 . Takt sind (nach Kirnherger's »Kunst des reinen
Satzes«, Th. 1, S.,76) schlechte verdeckte Quinten zwischen de/i äusseren Stim-
men. — Im 23. Takt bringt die Oberstimme nach einer Pause und auf gutem
Takttheil ein nicht zur Durchführung gehörendes Motiv. Albrech tsberger folgt der
Regel, dass ein neues Motiv, welches nicht zur Nachahmung gelangt, nur auf einem
schlechten Takttbeile oder Taktgliede eintreten könne. — Im 32. Takt wird der
Satz durch einen Doppelgriflf in der zweiten Violine vierstimmig. Albrechtsberger
ändert so, dass der Satz dreistimmig bleibt. — Zu Anfang des 37. Taktes
unterbleibt die vier Takte lang in der Oberstimme fortgesetzte Vorhaltsbildung,
und wird dadurch das Ebenmass gestört. Albrechtsberger stellt Symmetrie
her. — Die Aenderung im 39. Takt scheint geschehen zu sein wegen der
Veränderung des . hier als Nachahmungsmotiv benutzten Anfangs des Haupt-
themas. — Im 40. Takt hat das Violoncell eine Dreiviertel - Note. Diese
Notengattung ist hier, in der Mitte des Stttckes, verboten; denn sie vertritt
die Ganze -Takt -Note, die Note der ersten Gattung des Contrapunkts, welche
in figurirten und fugirten Sätzen , wo nur die fünfte Gattung des Contrapunkts
anzuwenden ist, »bis zum letzten Takte keinen Platz hat«. Vgl. Albrechts-
berger's »Anweisung« S. 64 und 175. — Takt 46 bis 48 hat das Violoncell nur
Dreiviertel -Noten. Vgl. Takt 40. — Im 49. Takt setzt die zweite Violine ohne
Begleitung einer andern Stimme mit dem Anfang des Themas ein. Albrechts-
berger folgt der Regel (vgl. Anw. S. 196 und 215), dass in der Mitte wenigstens
eine Stimme das Thema begleiten müsse. — Takt 55 und 56 unterscheidet sich
die Oberstimme , welche hier die Hauptstimme ist , hinsichtlich der Notengattung
Bicht genug von den andern, begleitenden Stimmen. — Im 57. Takt haben die
Violinen Dreiviertel-Noten. Vgl. Takt 40. — Auf den Niederschlag des 61 . Taktes
fallt ein dissonirender Quartsext-Accord, der erst im folgenden Takte aufgelöst
wird. Die Regel schreibt vor (vgl. Albrechtsberger a. a. 0. S. 100; Kimberger
a. a. 0. S. 72), dass ein solcher Accord auf der schlechten Zeit desjenigen Taktes,
in welchem er eintritt, aufgelöst werden soll. Albrechtsberger zieht beide Takte
in einen zusammen. — Auf das zweite Viertel des 64. Taktes fällt ein leeres
Intervall, die blosse Quarte. Auch sind da verdeckte Octaven. Die Fehler wieder-
holen sich in den drei folgenden Takten. — Takt 68 wird die vorher vier Takte
lang fortgesetzte Vorhaltsbildung unterbrochen. Vgl. Takt 37. — In den letzten
sechs oder sieben Takten haben die Stimmen vorherrschend Viertel -Noten. Das
ist wider eine Regel der anzuwendenden fünften Gattung des Contrapunktes, in
ivelcher die zweite Gattung (denn zu dieser müssen wir jene Viertel -Noten, von
denen drei auf einen Schlag kommen , zählen) höchstens zwei Takte hindurch an-
gewendet werden darf. Vgl. Takt 40 und Albrechtsberger's »Anweisung« S. 64.
Beethoven hat das Stück , wie es Albrechtsberger geändert hat , in's Reine
geschrieben : ein Beweis , dass er die Aenderungen anerkannte. Später hat er in
der Reinschrift Aenderungen vorgenommen , ,die jedoch zum Theil nur angedeutet
und nicht ausgeführt sind. Eine Zusammenstellung der brauch- und lesbaren Aen-
derungen findet man im Anhang des mitgetheilten Stückes. Man kann an einigen
von ihnen sehen , dass und wie Beethoven sich Albrechtsberger's Lehren zu eigen
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— 70 —
gemacht hat. Wir wollen hier nur Einiges bemerken. Bei den Aendemngen des
26. und 45. Taktes*) hat Beethoven AlbrechtsbergeFs Regel, das Thema in der
Mitte nicht ohne Begleitung eintreten zu lassen, befolgt. Beim. 49. Takt aber, den
Albrechtsberger auf Grund derselben Regel geändert hatte , hat der Schttler den
Meister gemeistert. Albrechtsberger hatte nämlich hier dem Violoneell eine Formel
gegeben, welche sonst im Stücke nicht vorkommt, daher nicht begründet ist.
Beethoven ersetzt sie durch einen dem folgenden Takt entnommenen Gang und
begründet auf diese Weise den Eintritt seiner Formel.
In der Reinschrift ist das Stück überschrieben : y^gtutsi preludio a tre toci^ ;
am Schlüsse steht: mttacca Fugm^ und weiter unten: »mit einem Presto endigen«.
Beethoven wollte also drei Sätze zu einem Ganzen vereinigen. Er scheint nicht
dazu gekommen zu sein. Die Fuge ist vorhanden ; von dem Presto aber haben
wir keine Spur. Die Fuge beginnt :
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Violoncello.
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Die zwei andern oben erwähnten Nachahmungssätze oder Vorspiele beginnen :
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IV. Zweistimmige Fuge.
Wir haben Einiges über die Einrichtung der zweistimmigen einfachen Fuge,
wie sie Albrechtsberger haben will, vorauszuschicken.
Die Fujge besteht aus drei Theilen oder Durchführungen. In jeder Durch-
führung hat jede Stimme das Thema (wenigstens) einmal vorzutragen.
*) Die Takte sind hier, um sie leichter finden zu können, nach ihrer Stellung in der ersten
Bearbeitung bezeichnet. Nach der Reinschrift, in welcher Takte weggeblieben sind, mttssten sie
I^n4crs numerirt werben.
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Das Thema erscheint Überall, je nach seiner Lage, entweder als Fühföi* {diix),
6def als Gefährte [c&mes) *) . Führer und Gefilbrte verhalten sich , allgemein ge-
sprochen , wie Tonika und Dominante za einander , oder umgekehrt. Hebt der
Führer auf der Tonika an, so fol^ lier Gefährte auf der Dominante u. ö. w.
Jedes I^ugenthema soll zweier Engführungen fähig sein : einer weitem oder
halben (semiresfrictio) ^ und einer nähern oder ganzen [restrictio] , JDer zweite
Theil der Fuge ist der Sitz der weitem, det dritte Theil der der nähöhi feng-
fUimng.
Jeder Theil wird mit einer nach der vierten oder fünften contrapunktischen
Gattung eingerichteteü Cadenz geschlossen. Die erste Cadenz findet auf der
Quinte, die zweite auf der Terz , die dritte auf dem Glundton der Tonart Statt.
Bei Fugen in phrygischer Tonart wird ausnahmsiveise der erste Theilschluss auf
der Sexte , statt auf der (Quinte der Tonart gemacht. Im letzten Takt der ersten
Cadenz beginnt wo möglich diejenige Stimme, welche in der ersten Durchfühmng
den Gefährten hatte , einen Zwischensatz (»freie Modulation« neiint es Albrechts-
berger) von einigen Takten, zu dem die andere Stimme anfangs paitelrt und
dann mit dem Grefährten einsetzt. Dann folgt die Stimme , welche den Zwischen-
natz hatte, nach einer Pause mit dem Führer in halber EngfÜhrang. Es bekommt
also diejenige Stimme, welche in der ersten Durchfühmng den Führer hätte, in
der zweiten den Gefährten ; und umgekehrt. Wir nennen diese Yerkehrung des
Wiederschlags das Rivolto der Fuge [ü rivoüo delhßtga). Nach der zweiten
Cadenz setzt diejenige Stimme, welche in der zweiten Durch^hmng den Gtefährten
hatte, mit dem Führer ein. Dann folgt die andere Stimme mit dem Gefährten in
ganzer EkigfÜhmng. Es kehrt also, bis auf die EngfUhmng, in der dritten Durch-
führung die Stimm- und Tonordnung der ersten Durchführung wieder.
Begründete und unwesentliche Abweichungen von dieser Schablone werden
nicht als Fehler, sondern höchstens als Licenzen betrachtet. So dürfen z. B. die
Stimmen mit dem Thema in einer andem , als in der vorgeschriebenen Ordnung
eintreten. Es kann die Stimme, welche in der ersten Durchfuhrung den Gefährten
hatte, die zweite Durchfühmng mit dem Führer beginnen u. s. w.
Die Gegenharmonie (Gegensatz) ist der fünften Gattung des strengen Contra-
punkts gemäss einzurichten. Dabei werden dissonirende Bindungen empfohlen.
Albrechtsberger giebt Beetfioven folgendes Verzeichniss in die Hand :
Fagaram Themati ad Semirestrictionem et Bestrlctioiieiii ftpta.
Nr. 1. Nr. 2. NB. »r. g.
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*) Unter Thema verstehe ich das Ohject der Durchnihrnng, den su Grunde liegenden
melodiBchen Sats, einerlei auf welcher Stafe er erscheint. Ftthrer ist das Thema in der Lage
seines ersten Eintritts, Gefährte in der Lage seiner ersten Beantwortung.
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Beethoven hat das Verzeichniss bis zu Ende des Unterrichts benutzt. Vor-
handen sind 38 Fugen verschiedener Art, deren Themata diesem Verzeichniss
entnommen sind. Darunter befinden sich 18 zweistimmige. Wir bringen von
diesen folgende Auswahl. Die Aenderungen sind flber den Stellen angebracht, zu
denen sie gehören.
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Nottfl1>ohB, BMtlioT6ii*8 Stadien •
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Beethoven lässt den Geführten, statt im 4. Takt anf der letzten Note des
Fnhrere, erat im 5. Taltt eintreten. Albrechtsberger gjebt {Amt. S. 183) die
Regel : »Man föngt gleich tlber oder unter der letzten Note der vollendeten ereten
Stimme mit der zweiten das Thema an ; wenn es aber nicht mOglicb ist , so kann
und mnss man die letzte Note noch leer ausgehen lassenc — Takt 9 nnd 10 folgen
zwei gro^e Terzen i" fj aufeimuider. Albrechtsberger sagt (Anw. S. 21 ) : »Zwei
grosse Terzen sind in der Fortschreitnng eines ganzen Tones hinauf nnd herab
verboten, .... weil dadurch ein uaharmonischer QuerBtand, ein Aß contra Fa
entsteht«. — Im 18. Takt tritt das Thema nicht auf der vorgeachriebeueu Ton-
Btnfe ein. Die Oberstimme soll hier, in der zweiten Durchfuhrung, mit dem Thema
auf der Tonika «intreten , weil sie es in der ersten Durchfuhrung (Takt 5) auf der
Dominante gebracht hat. Dann ist die vorgeschriebene Stimmordnung nicht
beobachtet. Die Oberstimme sollte Takt 15 den Zwischensatz bringen, und darauf
BoUte die Unterstimme , weil sie in der ersten DurohfUhrnng zuerst *w 'Hiem«
gebracht hat, es anch in der zweiten Durchführung zuerst bringen. Albrechts-
berger giebt zur Erklärung dieser Vorschrift folgendes Beispiel :
T^t 28 und 29 ist die Cadenz nicht vorschriflsmftssig gebildet. Letztere soll
(vgl. Anw. S. 175 f.) entweder aus einer zu einem Einklang flüirenden Secund-
Ligatur [23 | 1), oder aus einer zu einer Octave fahrenden Septimeu-Ligatar
(7 6 I 8) bestehen. — Im S8. Takl bringt der Alt nach einer Pause und auf guter
Zeit ein nicht zar DnrchfUbning geliOreodeB Motiv. Ein solchee
zngelaBsen, wenn eB anf einem andeni, als auf einem ersten Tal
Fux sagt [Gradus ad Pamaaaum, deutsche Uebersetzung , S. II
mnsB der alte Batz [das Thema, au^'ecium), oder einneoer, wei
den Qbrigen Stimmen ancb durchzuführen ist, nach einer Pai
werden, wenn man den Vorwurf des Erangelisten nicht haben wi
22. Cap. heisst: Mein Freund, wie bist da hereingekommen, und
zeitlich Kleid an«.
Die folgende Fnge gehßrt der phrygischen Tonart (»E p
Albrechtsberger) an. Vor der Arbeit deutet Beethoven die erste
wie folgt :
N^tp^
üügüü^i^ii pfegj^
6. Takt sind zwei aufeinander folgende groBse Teraen |* 5). Vgl.
I Takt 9 und 10. — Takt 16 and 18 sind leere Octaven auf guter
itervalle (Einklang , reine Quinte und Octave) auf guter Taktzeit
te eines zweistimmigen Satzes zu Termeiden. Vgl. Fax, a, a. 0.,
cbteberger, a. a. 0., S. 21 u. s. w. Älbrechtsberger bringt disBo-
igen an. — Takt 25 nnd 26 kommen ganze Noten vor; das sind
n contrapnnktischen Gattung, welcbe nur bei Schlüssen (Cadenzen)
selbst gestattet sind. Vgl. S. 69 Takt 40. — Die Fuge schliesst
in der phrygischen Tonart, in der sie begonnen. Älbrechtsberger
a Schlnse.
ler Fuge entwirft Beethoven einige EngfUhrungen :
Im 10. Takt, wo nach einer Cadenz ein ZwiBchenaate beginnt, setzt die Ober-
stimme mit einem Motiv ein, welches im folgenden Takt nicht genan nachgeahmt
wird und dessen Eintritt daher nicht begründet ist. Albrechtaberger macht die
Stimmen einander ähnlich. — Im 10. nnd 25. Takt sind überflüssige Cadenzen.
In einer zweistimmigen Fnge sollen nnr drei Cadenzen vorkommen. Beethoven
aber macht ihrer ffinfe , von denen Albrechtaberger eine (Takt 25} entfernt. Die
Aendemng der Takte 26 bis 2S erklärt sich ans der im 25. Takt vorgenommenen
Aendernng des Nachahmnngemotivs. — Das im 36. Takt von Albrechtsberger bei-
gefügte Wort »Licenz« bedentet, dass hier wider die Regel in keiner Stimme eine
«anschlagende« Note angebracht ist. Albrechtsberger giebt (Anw. S. 199) die
Regel : »dass auf einem jeden Streiche in allen Taktarten eine anschlagende Note
wenigstens in einer Stimme sein müsse, damit kein matter Gesang, sondern immer
der zierliche Contrapnnkt (die fünfte Galtnng) vernommen werde«. — Im 40. Takt
verändert Beethoven ohne Grnnd in der Oberstimme eine Note des dem Thema
78
entnommenen NachahmuugsraotivB. Albrechtsberger bringt bei der Aendemng
eine Dissonanz - Ligatur an.
Zur folgenden Fuge gehören einige von Beethoven versuchte Engfbhrungen :
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Die Beaotwortatig d«0 Tbemae iRt nicht richtig. Beethoven beaatw
vierte Kote des Führers (a) mit es. Albreohtsberger ändert nicht. — Tak
kommen Sepdmen-Sprttnge vor. Solche Sprttnge sind im strengen Satz '
Albieefataberger sagt [Anw. H. 23'; ; »Alle ttbermäBBigen, auch die nieistei
deiten und die drei Septimen-Sprünge sind sowohl herab, als hinauf verb
Vom 18. zum 11. Takt sind scltlechte verdeckte [und leere) Quinten. ^
Quinten und Octaven dttrfen im zweistimmigen Satze nicht vorkommen. ^
Weisung« S. 20. — Takt 20 und 21 kommen in der Oberstimme zwei
Sprttnge in gleicher Richtung vor. Zwei oder mehr SprUnge , welche z'
ein grösseres dissonirendes Intervall, wie z. B. hier eine Septime bilden
strengen Satz verboten. Vgl. »Anweisung« S. 38 f. — Vom 21. Takt an
Oberstimme vier Takte hindurch ausschliesslich die vierte c«ntrapi
Gattung angewandt. Albrecfatsberger nennt das einen «matten Gesang«,
(vgl. Anw. S. 64 f., 109), der Contrapnnkt soUe nicht zu lange in einer
herwnschweifen. — Takt 33 und 34 ist in der Unterstimme ein Septimen
Vgl. Takt 8 bis 10. Albrechtsberger bringt bei der Aenderung dissonire
dangen an.
Zor folgenden Foge gehört eine vorher von Beethoven versnobte Eng
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ohne Grund an mehreren Stellen verändert. Zuerst Takt 22 bis 24 , wo er, die
oben mitgetheilte Engführung benutzend, eine kleine Secunde [ef] mit einer
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— 81 —
grossen [h eis] beantwortet ; später Takt 25 bis 27 , wo er mit einem unrichtigen
Intervall [ds statt c) einsetzt und dann , statt eine Stufe abwärts zu geben , einen
Seeunden-Schritt aufwärts macht u. s. w. Albrechtsberger ändert nur die letzt-
erwähnte Stelle. — Im 31. und 32. Takt ist eine überflüssige (Formal-) Cadenz.
Albrechtsberger macht eine Trug -Cadenz daraus. Vgl. die zweistimmige Fuge
Nr. 3, Takt 10 und 25. — Im 42. Takt entsteht durch die ungebundene Halbnote
fm der untern Stimme, und ebenso im 43. Takt durch die blosse Halbnote c in der
obem Stimme ein »Einschnitt«. Das ist ein Fehler wider die fünfte Gattung des
Contrapunktes. Vgl. »Anw.« S. 68, 109. Die Regel lautet: Wenn im Niederschlag
eines Taktes Viertel- oder andere Noten von kürzerer Geltung stehen , so soll im
Aufschlag entweder eine in den folgenden Takt hinüber gebundene Note, oder es
sollen wieder Viertel-Noten u. dgl. angebracht werden , damit es nicht scheinet,
wie Fux (a. a. 0. S. 85) sagt, als ob der Gesang schliessen wollte.
Bevor Beethoven die nächste Fuge anfängt, versucht er eine EngfÜhrang
wie folgt :
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unrichtig. Beethoven hat sie anch nicht benutzt.
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Die unrichtige Beantwortung der letzten Noten des ThemsCs (Takt 12 f. im
Bass) ist von Albrechtsberger in dem S. 72 mitgetheiltenVerzeichniss angegeben. —
Albrechtsberger entfenit im 13. Takt eine Note der ersten contrapunktischen
Gattung und bringt darauf, statt einer consonirenden , eine dissonirende Bindung
an. Vgl. Nr. 2, Takt 16 und 25. — In der zweiten , Takt 20 beginnenden Durch-
führung ist die Tonordnung nicht beobachtet. Die Oberstimme hätte im 22. Takt,
nachdem die Unterstimme vorher mit dem Thema auf der Dominante- eingesetzt,
mit dem Thema auf der Tonika, statt wieder auf der Dominante , folgen sollen.
Das war aber ohne Veränderung des Themas nicht möglich. Albrechtsberger
bringt die Sache dadurch in Ordnung, dass er, das Rivolto beobachtend, zuerst der
Oberstimme das Tliema giebt und dann die Unterstimme folgen lässt. — Im 4t.
Takt ist in der Oberstimme ein im strengen Satz verbotener Übermässiger Quarten-
Sprung. Vgl. Nr. 4 Takt 8 ff. Albrechtsberger bringt im 42. Takt eine dissoni-
rende Bindung an.
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Takt 7 und 8 ist in der Unterstimnie ein unmelodischer Gang^ eine Folge von
drei grossen Secunden. Albrech tsberger bemerkt dazu : »übel«. — Im 16. Takt
führt der Zwischensatz ohne Grund nach der Haupttonart zurück, statt in der
durch die unmittelbar vorhergegangene Cadenz bestimmten Tonart Gdur zu
bleiben. — Takt 24 bis 26 kommen wiederholt vier Achtelnoten auf einem Schlage
vor. Solche sind im strengen Satz verboten. Der strenge Satz duldet Achtelnoten
nur auf einem schlechten Taktgliede, nämlich auf einem zweiten und vierten
Taktviertel. Vgl. »Anw.« S. 64 und 67 f. — Takt 34 und 35 ist das Thema hi der
Oberstimme wesentlich verändert. Statt zwei Secunden - Schritte abwärts zu
machen, macht Beethoven, um offene Quinten zu vermeiden , erst einen Quarten-
Sprung abwärts und dann einen Secunden-Schritt aufwärts. Albrechtsberger hilft
durch Verlängerung einer Note des Themas in der Unterstimme.
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Wort «Lioeuz« im 14. Takt deutet den nnregelmässigen Einbitt des Gefährten
(mit es statt/) an. —- Im 17. Takt verändert Beethoven das Iliema ohne Grund.
Statt in der Oberstimme von der letzten N(^ des 16. Taktes eine Quinte abwärts
zu springen, macht er eine Bindung. — Im 19. Takt bringt Albreohtsberger, statt
der consonirenden, eine dissonirende Bindung an.
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Takt 5 und 6 ist ein unharmonischer Querstand (A-— /). Vgl. »Anweisung«
S. 40 f. — Takt 18 und 19 macht die Oberstimme einen Duodecimen-Sprung. Der
strenge Satz duldet keinen hohem Sprung, als den reinen Octaven- Sprung. Vgl.
»Anw.« S. 23, 40, 181. — Im Aufschlag des 21. Taktes ist eine sprungweis an-
gebrachte verminderte Quinte, Albrechtsberger (»Anw.« S. 40 f., 177) duldet eine
solche freie Dissonanz, wie es seine Aenderung zeigt, höchstens auf einem
schlechten Taktgliede, z. B. auf einem zweiten oder vierten Taktviertel. —
Albrechtsberger will mit seiner Variante zu den letzten Takten der zweiten Durch-
führung zeigen, dass da auch eine phrygische [oder plagale) Cadenz angebracht
werden kann.
Zur folgenden Fuge entwirft Beethoven diese Engführungen :
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Beethoven beantwortet die erste Note des Führers , die Dominante (h) , mit
der Secunde der Tonart {ßs) . Die Regel lautet : Hebt der Führer auf der Quinte
des Haupttons an , so soll der Gefährte mit der Tonika oder Octave des Haupt-
tones anfangen. Vgl. »Anweisung« S. 172; Marpurg*s »Abhandlung von der Fuge«
(Berlin, 1753) S. 35 u. s. w. Richtig beantwortet konnte und musste der Gefährte
einen Takt früher eintreten. — Im 13. Takt ist in der Oberstimme ein unmelodi-
scher Gang, eine abgegrenzte übermässige Quarte {ff — cts). Vgl. S. 49 Nr. 4 und
S. 83 Takt 7. — Im 18. Takt setzt die Unterstimme mit dem Thema auf der zwei-
ten, statt auf der ersten Stufe der Tonart ein. — Takt 25 bis 27 wendet sich die
Modulation ohne Grund nach C dur. Ebenda hat die Unterstimme in Folge eines
wiederholten Secunden-Schrittes [c h] einen einförmigen Gang. Albrechtsbergcr
nennt das (Anw. S. 38, 53 f.) : Monotonie. Vgl. S. 48 Nr. 1.
Beethoven versucht zur nächsten Fuge eine Engführung wie folgt :
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Beethoven beantwortet im 8. Takt wiederum, wie in der vorigen Fuge, die
erste Note des Führers , die Dominante , mit der zweiten Stufe der Tonart , statt
mit der Tonika. — Im 20. Takt, beim Rivolto, setzt die Oberstimme wiederum,
wie in der vorigen Fuge, mit dem Thema auf der zweiten, statt auf der ersten Stufe
der Tonart ein. — Takt 23 und 24 ist das Thema in der Oberstimme^ und zwei
Takte »pHter in der Unterstimme verändert. Beethoven , dem oben mitgetheilten
Entwurf folgend , sehreibt das erste Mal die fünfte Note des Themas eine Quinte
zu hoch, das andere Mal die sechste Note des Themas eine Terz zu tief. Albrechts-
berger bringt bei der Aenderung eine durchgehende Septime an und bexeichnet
das als eine »noth wendige Licenz«. Die andern »Licenzen«, Takt 22 und 26, be-
stehen in der Verkürzung und Verlängerung einiger Noten des Themas. — Takt
38 ist in der Unterstimme wieder eine Note des Themas verändert und eine Tera
zu hoch gesetzt.
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V. Dreistiminige Fug^e.
Bei der drei- und vierstimmigen Fuge bleiben die Regeln der zweist
Fage, iüBofeni sie nicht in Folge der Mehrstimmigkeit erweitert oder be
werden milssen, aufrecht. Eine Ausnahme bilden die Cadenzen. Die zweit
fUhmng kann mit einer ganzen oder förmlichen, nach der 5. Gattung (
oder vierstimmigen Contrapnnkts eingerichteten Cadenz geRchlossen
Sonst dürfen förmliche Cadenzen nur dann angebracht werden , wenn vor
ihrem Scfalussaccord eine Stimme mit dem Thema eintritt. Am SchluBS d
DnrchfUhning und anderwärts, z, B. beim Eintritt der dritten Stimme in d
Durchfahrang, können Trugeadenzen angebracht werden. In jeder Durcl
folgt die dritt-eintretende Ktimnie der ersten ; hat die erste 8timme den
so bekommt die dritte Stimme auch den Fuhrer n. e. w. Das Thema kann
Dnrchftlhmng, namentlich in der zweiten , mehr als einmal von jeder Stii
dann in andern, als in den normalen Lagen des Fllhrers und GefRlirten vor
werden. Auch können durch Nachahmungen gebildete Zwischensätze e
werden. Wir werden in den kommenden Arbeiten Beethoven'» solche Z'
Sätze mehr nnd mehr anwachsen sehen.
Vorhanden sind 7 im strengen Satz geschriebene dreistimmige Fugen
früher (Seite 70] erwähnte Fuge in freier Schreibart. Von ersteren sind
hier an&anehmen :
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Sopran und Alt bringen im 13. und 16. Takt das Thema nicht auf der vor-
geschriebenen Tonstufe. Diejenige Stimme , welche in der ersten Durchfllhron^
den Führer hatte, soll in der zweiten Durchführung den GeflUirten bekommen ;
und umgekehrt. Demnach musste Takt 13 der Alt mit dem Gefährten eintr^en,
und der Sopran mit dem Führer folgen. — Im 17. Takt hat die Oberstimme eine
Pause, welche hier nicht zulässig ist, weil nicht das Thema oder ein Nach-
ahmungsmotiv darauf folgt. Vgl. die zweistimmige Fuge Nr. 1 Takt 38. — Im
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Takt 3 bis 5 hat die Uuterstimuie lauter Viertelnoten. Das ist ein Fehler
wider die anzuwendende fünfte Gattung des Contrapunktes , in welcher gleiche
Noten von der zweiten, dritten oder vierten contrapunktischen Gattung höchstens
vier oder fünf Streiche (halbe Takte) hindurch vorkommen dürfen. Vgl. »Anwei-
sung« S. 64, 67. — Takt 11 und 12 macht der Bass einen im strengen Satz ver-
botenen Duodecimen- Sprung. Vgl. die zweistimmige Fuge Nr. 9 Takt 18 f. —
Im 30. und 31. Takt ist in der Mittelstimme, und zwei Takte später in der Ober-
stimme das Thema verändert. Beethoven lässt die vorletzte Note des Themu&$
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93
liegen, statt Bie eine Qnartc anfwärte zu führen. Albrechtsbcrgcr macht hei der
Aenderang im 31. Takt offene Quinten zwlBchcn Tenor und BasB. — Die Takt 34
bis 36 vorgenommenen Aendeningen ergeben Bich ans den vorher (Takt 30 ff.) vor-
genommenen. — Bei der Cadenz, Takt 37 f., ist der Leitton le] nicht vorBchrifts-
mäSBig angebracht. Die Rege] will, daBS der Lettton als vorletzte Note einer
Stimme vorkomme und dann eine Stufe aufwärtB geführt werde. Vgl. Albrecbto-
berger'a »Anweisung« S. 109, 126, 183.
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Takt 11 bis 13 ist das Thema im Bass verändert. Im 19. Takt macht die
Mittelstimme einen Decimen- Sprung. Im 23. Takt ist das Thema in der Ober-
stimme nnd im 27. Takt in der Unterstimme verändert. In der letzten Engfbhmng,
Takt 39 fF., ist das Thema in keiner Stimme nngeändert geblieben. Von allen
diesen Regelwidrigkeiten hat Albrechtsberger keine entfernt. Dass er sie über-
sehen habe, ist bei seiner Genauigkeit nicht anzunehmen. Albrechtsberger besei-
tigt nur einige der ersten contrapunktischen Gattung angehörende Noten und einem
Querstand [g—gis] im 42. und 43. Takt zwischen Alt und Bass. Dabei kürzt er
die Stelle um einen Takt. In Betreff der Beantwortung des Themas kann maa
die zweistimmige Fuge Nr. 6 vergleichen , welcher dasselbe Thema zu Grunde
liegt.
VL Vierstimmige Fuge.
Vorhanden sind neun im strengen Satz geschriebene vierstimmige Fugen.
Dazu kommt eine mit Benutzung des doppelten Contrapunkts in der Octave ge-
schriebene Fuge, welche später mitgeäieilt werden wird. Von ersteren folgt hier
eine Auswahl.
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Beethoven giebt dem Bass Takt» 7 bis 13 die früher (S. 72) von Albrechtsberger
angegebene »plagale« Antwort. Dennoch ändert Albrechtsberger die Note / im
12. Takt, wahrscheinlich nur, um denUebergang in die Tonart der Unterdominante
zu beseitigen und den nächsten Eintritt des Themas in der Haupttonart zu ermög-
lichen. — Im 13. Takt bringt der Alt den »plagalem Gefährten, nachdem ihn un-
mittelbar vorher der Bass gehabt hat. Das ist wider eine Regel des Wiederschlags.
Albrechtsberger's Regel (»Anw.aS. 197) lautet: Wenn die (ihrem Eintritt nach) erste
Stimme in der Quinte des Haupttons anfangt, so antwortet die zweite in dem
Haupttone, die dritte wiederum in der Quinte, die vierte abermal im Haupttone.
Vgl. auch Marpurg's »Abhandlung von der Fuge« (Berlin, 1753) S. 95. Albrechts-
berger ändert der Regel gemäss. — Im 30. und 31. Takt kommen drei Fehler vor.
Im Aufschlag des 30. Taktes ist eine verdoppelte falsche Quinte. Takt 30 und 31
macht der Alt einen übermässigen Quarten-Sprung. Zu Anfang des 31. Taktes ist
die gebundene Septime [c] mit ihrem Auflösungston [h] begleitet. Vgl. dieUebun-
gen im Gontrapunkt Nr. 17, 22 u. s. w. — Im 40. Takt bringt der Bass ein Motiv,
dessen Eintritt nicht begründet ist. Vgl. die z^^eistimmige Fuge Nr. 1 . Takt 38. —
Im 73. Takt sind oflFene Primen zwischen Tenor und Bass. Albrechtsberger hat
sie nicht beseitigt. — Takt 75 und 76 sind zwischen Tenor und Bass durch eine
Pause unterbrochene Quinten-Parallelen. Solche Parallelen werden behandelt, als
wenn die Pause nicht da wäre. Sie können aber durch einen Quarten -Sprung,
wie ihn Albrechtsberger bei der Aenderung anbringt, beseitigt werden. Vgl. »An-
weisung« S. 37. — Takt 81 tritt das Durchftihrungsmotiv im Bass nicht vollständig
ein. Es fehlt eine Note zu Anfang. Das Motiv sollte einen Takt -früher mit einer
gebundenen Ganznote [d] beginnen. — Takt 81 und 82 ist eine unmelodische Fort-
schreitung im Bass, und ein Querstand [cis—c] zwischen Tenor und Bass. — Vom
13*
100 —
84. zum 85. Takt sind Quinten-Parallelen zwischen Sopran und Bass. Auch sind
die im Aufschlag des 84. Taktes eintretenden zwei Quarten, man mag sie nun als
durchgehende, als vorbereitende, oder als vorhaltende Noten ansehen, nicht richtig
behandelt. Vgl. Albrechtsberger's »Anweisung« S.'99 f. ; Kimberger's »Kunst des
reinen Satzes«, 1. Theil, S. 50, 82. — Takt 88 ff. bringt die Oberstimme das
Thema nicht in der vorgeschriebenen Lage. Nach den Vorschriften der strengen
Schule soll wo m^^glich in der letzten Durchführung jede Stimme mit dem Thema
auf derselben Tonstufe einsetzen , auf der sie es in der ersten Durchführung ge-
bracht hat. Demnach musste die Oberstimme das Thema eine Stufe höher bringen,
als es in Beethoven's Arbeit geschehen ist. — Von andern Fehlern der letzten Eng-
führung ist hervorzuheben , dass keine Stimme das Thema vollständig und genau
bringt. Albrechtsberger sagt (»Anw.« S. 181): »Bei vollstimmigen Fugen können
mehrere Stimmen (in der Engführung) eine kleine Abänderung bekommen , wenn
nur die zuletzt eintretende Stimme das Thema ganz vorträgt und wie das erstemal
vollendet«. Albrechtsberger sieht bei der Aenderung darauf, dass die zuletzt ein-
tretende Stimme, der Sopran, das Thema , bis auf eine erlaubte Veränderung am
Schluss, vollständig und in derselben Lage bringt, wie zu Anfang der Fuge. —
In den zwei letzten Takten lässt Beethoven den Leitton , statt ihn eine Stufe auf-
wärts zu führen, eine Terz fallen. Albrechtsberger tadelt eine solche Führung in
seiner »Anweisung« S. 126.
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und 33 im Bass, Takt 34 im Alt; die
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wendet. Vgl. die dreistimmige Fuge Nr. H Takt 3 ff. — Im Niederschlag des
nennten Taktes ist eine »leere« Oetave. Vgl. die zweistimmige Fuge Nr. 2 Takt
16.— - Im nämlichen Takt ist ein unharmonischer Querstand (c—cis) zwischen Alt
und Bass. Albrechtsberger bezeichnet S. 104 f. seiner »Anweisung« einen ganz
ähnlichen Gang als fehlerhaft. Derselbe Querstand kommt im 13. Takt vor, ist
aber da nicht geändert. — Im 15. Takt entsteht durch das Springen des Basses
eine freie Quarte (^). Eine solche Dissonanz darf nur stufenweise eingeführt
werden. Vgl. »Anweisung« S. 34, 79. — Im 16. Takt springt der Tenor aus einer
Septime (/). Eine solche Dissonanz kann nur stufenweise weiter geführt werden.
Vgl. »Anw.« S. 50 und 53 f. — Im 19. Takt erscheint das Thema im Tenor ohne
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— 106 —
eine begleitende Stimme. Albrechtsberger sagt (»Anw.« S. 196) : »Aaeh ist es ein
Fehler, wenn man mit dem Thema, da man schon in einer verwandten Tonart ist,
wiederum eine Stimme allein anfangen lässt, wie anfangs, z. B. die Fuge wäre
aus Cdur und man ginge in das Amol! u. s. w., so mttsste wenigstens eine Neben-
stimme das Thema begleiten«. — Takt 28 und 29 sind im Alt zwei aneinander
gebundene Noten, von denen die erste , die bindende , kürzer ist als die andere,
die gebundene Note. Derartige Bindungen sind, wie Albrechtsberger (»Anw.« S. 109)
sagt, »allezeit fehlerhaft und wider den guten Gesang«. — Auf der guten Zeit des
36. Taktes erscheint eine unvorbereitete falsche Quinte ohne Terz. Das ist ein
»leerer Accord«. Ucberdies ist eine freie falsche Quinte auf guter Taktzeit im
strengen Satz verboten. Vgl. »Anw.« S. 30, 75 f., 87. — Zu Anfang des 37. Taktes
erscheint eine freie Septime. Eine freie Septime auf guter Taktzeit ist ebenfalls
im strengen Satz verboten. Vgl. »Anw.« S. 78 f., 119 f., 177.
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Takt 4 bis 7 ist der Gefährte durchaus falsch eingerichtet. Beethoven beant-
wortet eine kleine Secunde mit einer grossen, chromatische Schritte mit diatoni-
schen u. s. w. Dieselbe fehlerhafte Beantwortung kommt sechs Takte später im
Tenor vor. — Takt 14, bei Beginn der zweiten Durchführung, ist das Thema im
Alt, und Takt 16 im Sopran verändert. — Im 14. Takt sind offene Octayen
zwischen Alt und Bass. Albrechtsberger hat sie nicht beseitigt. — Die im 25. und
26. Takt vorgenommene Aenderung kann zwei Gründe haben. Erstens wird durch
das Abbrechen des vorher im Alt eingetretenen Themas eine Engführung verhin-
dert. Zweitens entsteht dadurch , dass nach dem gleichzeitigen Aufhören zweier
Stimmen zwei andere eintreten , eine Art Einschnitt. Wenn auch hierüber eine
besondere Regel nicht besteht, so ist doch zu sagen , dass es besser und der fugir-
ten Schreibart gemässer ist , wenn inmitten einer Durchführung die Stimmen all-
mählig verschwinden und nacheinander eintreten.
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Im 39. Takt wird die gebundene Septime, h im Tenor^ nicht vorschriftsmässig
aufgelöst. — Takt 39 und 40 sind verdeckte Quinten zwischen Tenor und Bass. —
Auf dem zweiten Viertel des 40. Taktes wird im Tenor der Auf lösungston der im
Alt gebundenen Septime verdoppelt. Eine solche Begleitung der Septime ist fehler-
haft. Vgl. Nr. 1 Takt 31. — Im 41. und 42. Takt wird die Septime c im Sopran
nicht vorschriftsmässig aufgelöst. Beethoven macht von einer nur im freien Satze
gestatteten Verwechselung der Auflösung Gebrauch. — In der letzten Durch-
führung (Takt 55) setzt der Bass mit dem Thema auf der vierten, statt, wie in der
ersten Durchflihrung, auf der fünften Stufe der Tonart ein. Vgl. Nr. 1 Takt 88. —
Zu Anfang des 60. Taktes ist im Tenor eine vorgehaltene None, welche gegen den
gleichzeitigen Basston als Secnnde erscheint. Eine solche Lage der None ist zu
vermeiden. — Takt 61 und 62 sind verdeckte Quinten zwischen Alt und Tenor.
Vn. Choralfuge.
Die Choralfuge (fugirter Choral) , wie sie Albrechtsberger lehrt, ist eine Abart
der vierstimmigen einfachen Fuge und unterscheidet sich von dieser hauptsächlich
dadurch, dass in ihr ausser einem E\igenthema noch ein Choral (eine kurze Choral-
melodie, ein Cantus firmus) , aus welchem jenes Fugenthema durch Verkleinerung,
Verzierung u. s. w. gebildet ist, zur Durchführung gelangt.
Die Choralfuge besteht, wie die einfache Fuge, aus drei Durchführungen oder
Theilen. Wenn in der ersten Durchführung drei Stimmen das Fugenthema gebracht
haben, setzt die vierte oder letzte Stimme , statt mit dem Fugenthema , mit dem
Choral auf derjenigen Tonstufe ein, auf der sie in der einfachen Fuge mit dem
Fugenthema eingesetzt haben würde. Die andern Stimmen arbeiten dagegen,
indem sie ein schon dagewesenes oder ein neues Motiv unter sich nachahmen. Die
zweite Durchführung beginnt wieder mit dem Fngenthema. Wenn es , mit oder
ohne Engflihrung, von einigen oder von allen Stimmen gebracht worden ist , tritt
eine Stimme, jedoch eine andere als in der ersten Durchflihrung , mit dem Choral
ein, der dann in ähnlicher Weise, wie in der ersten Durchführung, von den andern
Stimmen zu begleiten ist. Dann bringen die andern Stimmen nacheinander , mit
oder ohne Zwischensätsje, den Choral in verschiedenen Lagen und mit Berührung
verwandter Tonarten , so dass am Ende der zweiten Durchführung jede Stimme
den Choral wenigstens einmal gehabt hat. Die zweite Durchflihrung wird mit einer
Cadenz auf der Median te geschlossen. Dann beginnt eine Engflihrung des Fugen-
themas durch alle Stimmen, nach welcher wo möglich diejenige Stimme, welche
die Engflihrung begann, noch den Choral vorträgt.
Beethoven hat drei Choralfugen bei Albrechtsberger geschrieben. Wir theilen
zwei davon mit. Zu der ersten schreibt Albrechtsberger den Choral und das daraus
gebildete Fugenthema, letzteres in einer Engführung, vor wie folgt:
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folgende erwähnen.
Im 24. Takt ist die gebundene Sexte {d im Alt) mit ihrem Auflösnngston
(c im Sopran) begleitet. —• Im 31. Takt tritt der Alt unmotivirt nach vorhergehen-
— 115 —
.den Pansen ein nnd bleibt dann anf Noten der »mattem ersten contrapunktischen
Gattnng liegen. Vgl. S. 74 Takt 38 und S. 76 Takt 25. — Takt 41 bis 45 ist das
im Alt, BasE nnd Tenor liegende Fngenthema wiederholt verändert. — Takt 46
bis 53 , wo der Alt den Choral vorträgt, bringen die andern Stimmen keine Nach-
ahmODgen und sinken, in Folge dessen, zur Unselbständigkeit herab.
Albrechtsberger fängt an zu ändern. Seine Aendernng wird aber immer ein-
greifender, so dasa er schliesslich die Arbeit allein in die Hand nimmt und sie ein
gut Stttck (nngefähr bis Takt SO von Anfang) weiter führt. Sein Zweck dabei war
offenbar, zn zeigen: wie ein Nacbahmnngsmotiy mit dem Choral zu verbinden und
wie der Choral durch alle Stimmen dnrchzufllhren sei. So bringt er z. B. in der
zweiten DurchfUhmng (Takt 46 f.) , wo der Alt den Choral vorträgt, Nachahmungen
zwischen den andern Stimmen an, giebt darauf den Choral noch dem Sopran, dann
dem Basa, dem Alt n. s. w. Dann setzt Beethoven, ohne Zweifel in Albrechts-
berger's Gegenwart und nach seiner Angabe, die Arbeit fort und führt sie zu Ende.
Beethoven hat dann das ganze StUck , mit Albrechtsberger's Aendemngen und Zu-
thaten, ins Reine geschrieben, einige Stellen jedoch dabei geändert, nnd Albrechts-
berger hat auch diese Abschrift durchgesehen nnd Aenderangen darin vorgenommen.
Wir legen diese Arbeit , in welcher also die oben bemerkten Fehler beseitigt und
die angedeuteten Verbesserungen aufgenomnaen sind, vom 23. Takt d. i. von der
Stelle an vor, wo sie anfUngt, von dem mitgetheilten Bruchstück sehr abzn-
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Der Tenor hört im 75. Takte mit /auf und fängt vier Takte später eine Sep-
time tiefer wieder an. Albrechtsberger macht hierzu die Bemerkung: »Es ist Übel,
wenn die aufhörende Note zur anfangenden eine Septime oder None austrägt«. —
Takt 94 und 95 haben Sopran und Alt nur Noten von der ersten contrapunktischen
Gattung. Vgl. S. 114 Takt 31. — Auf dem 3. Viertel des 96. Taktes ist im Bass
eine Wendenote. Derselbe Fehler kommt Takt 98, 100 und 102 vor. Vgl. S. 53
Nr. 15. — Takt 97 und 98 ist im Tenor eine unmelodische Fortschreitung, ein
Tritonus (ft— e). Vgl. S. 49 Nr. 4. — Takt 102 und 103 sind im Alt Ganznoten.
Ueberdies tritt zu Anfang des 102. Taktes eine wesentliche Septime frei ein. Eine
solche ist verboten. Vgl. Albrechtsberger's »Anweisung« S. 78, 119, 136, 142. —
Takt HO wird das Fugenthema vom Alt nicht vollständig gebracht und erscheint
das vom Tenor vorgetragene Thema ohne eine begleitende Stimme. Vgl. S. 104
Takt 19. — Im 114. Takt tritt der Alt unmotivirt ein. Vgl. S. 74 Takt 38.
Zur nächsten Fuge schreibt wieder Albrechtsberger den Choral und das eng*
geführte Thema vor :
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Albrechtsberger streicht Takt 43 die erste Note der Bassstimme and bemerkt
dabei : »Ohne Thema , oder Contrathema , oder Nachahmung darf keine Stimme
ohne Snspir (Viertel-Panse) oder halbe Pause anfangen«. Vgl. die zweistimmige
Fuge Nr. 1 Takt 38. — Takt 47 und 49 entsteht durch das gleichzeitige Pausiren
zweier Stimmen eine Leerheit in der Harmonie. Auch wird durch die Pause
Takt 47 im Tenor die in den Alt ttbergehende Nachahmung unterbrochen. — Auf
dem Niederschlag des 52. Taktes erscheint eine freie falsche Quinte. Eine solche
Dissonanz darf im strengen Satze nur auf schlechter Taktzeit oder im Durchgange
eintreten. Vgl. die vierstimmige Fuge Nr. 3 Takt 36. — Takt 56 bringt der Bass
auf guter Zeit ein fremdes Motiv. Vgl. Takt 43. Albrechtsberger rechtfertigt den
Eintritt desselben , indem er es einen Takt später dem Sopran zur Nachahmung
übergiebt. — Takt 69 setzt der Bass wieder mit einem fremden Motiv auf guter
Taktzeit ein. Albrechtsberger ändert es und macht es zu einem Nachahmungs-
motiv. — Auf dem dritten Viertel des 70. Taktes ist im Bass eine Wendenote. Der-
selbe Fehler kommt vor, ohne von Albrechtsberger beseitigt zu werden, Takt 64,
72, 74, 76 and 96. Vgl. S. 1 18 Tai
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beseitigt.
Tm. Doppelter C
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wenn seine Stimmen sich so rerk«
obere zur nntem wird. Im doppelte
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pnnkt in der Octave ttblichen Verse
zu zeigen, schreibt Albrechteberger
mit einem Beispiel.
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wird 8. 7. «. 5. 4.
NB. Du Uebersetzen (Ueberschi
grosse Intervalle in beiden Vei^ehruDg
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■) Seite 279 in AJbraohtaberger'B >
— 126 —
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So weit Albrechtsberger.
Das einzige Intervall, welches beim doppelten Contrapunkt in der Octave
einige Schwierigkeiten macht, ist die Quinte , weil daraus in der Verkehrung eine
Quarte entsteht. Albrechtsberger sagt in seiner »Anweisung« nicht viel darüber.
Mehr darüber sagt Kirnberger in seiner »Kunst des reinen Satzes«, 2. Theil,
2. Abth., S. Uff. Beethoven nimmt letzteres Werk vor und macht daraus folgen-
den Auszug :
üeber den Gebrauch der Quinte und Quarte in dem doppelten
Contrapunkt der Octave.
1 . Die Qnarteufortschreitungen suche mau zu vermeiden, weU in der Umkehrung
Quinten entstehen.
2. Weder kann man mit der Quinte endigen noch anfangen.
3. Auch mitten in einem Satz ist sie überall zu vermeiden.
Die übermässige Quarte und die durch die Umkehrnng entstehende kleine Quinte
können gesetzt werden :
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*) Nur die zwei ersten der folgenden Beispiele gehören hierher. Die zwei letzten sollen
zeigen , dass im zweistimmigen Satz eine leere reine Quinte auf guter Taktzeit statthaft ist,
wenn darauf ein anderes, die Harmonie vervollständigendes Intervall folgt.
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Umkehrung in die Prime oder den Einklang über [-geht] **) . Um das zu vermeiden, darf
man bei der Auflösung [nur] im Bass fortschreiten, entweder lässt man bei der Resolution
den Bass eine Terz über sich oder unter sich treten.
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IMe durch die Umkehrung [der None] entstehende Septime setzt man ohne Bedenken,
doch nimmt man bei der Auflösung ein anderes IntervaÜ [dazu] , damit nicht die leere
Octave zu stehen konmit.
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So weit Beethoven's Auszug.
Wenn in einem nach den Regeln des doppelten Contrapunktes in der Octave
eingerichteten zweistimmigen Satze nur Primen, Terzen, Sexten oder Octaven ab-
wechselnd auf guter und schlechter Taktzeit vorkommen , Dissonanzen nur durch-
gehend gebraucht werden und durchweg die gerade Bewegung vermieden vrird :
so lässt sich ein solcher Satz durch ober- oder unterwärts hinzugefügte Decimen-
Parallelen drei- und vierstimmig machen. Um diese Anwendbarkeit des doppelten
Contrapunktes zu zeigen, schreibt Albrechtsberger folgendes Beispiel : .
*) Kimberger wiederholt sich hier.
*♦) Die eingeklammerten Wörter {lat Beethoven vergessen.
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Beethoven schreibt nun folgende Uebungen :
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Die zweite Verkehrung, welche Beethoven schreibt, ist keine eigentliche Ver-
kehmng. Statt den Hauptsatz za verkehren , nimmt er dessen erste Verkehrung
zur Verkehrung vor, wobei denn natürlich wieder der Hauptsatz, allerdings in einer
tieferen Lage, zum Vorschein kommt. Albrechtsberger durchstreicht die Ver-
kehrung. Beethoven^s dritte Verkehrung ist auch keine eigentliche Verkehrung.
Als eigentliche zweite Verkehrung mttsste die Oberstimme eine Octave , und die
Unterstimme zwei Oetaven höher stehen*). Deshalb schreibt Albrechtsberger
dazu : »besser Tenor«.
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Hauptsatz.
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*) Es giebt zwei eigentliche oder Haupt- VerkohrungeA. Bei der ersten (evoluUo in octavatn
gracem] wird die Oberstimme des Hauptsatzes eine Octave tiefer geschrieben und so zur Untcr-
Blimme gemacht. Bei der sweken Verkehrung [evoltUio in octavam acutum) wird die Unter-
stimme eine Octave höher geschrieben und so zur Oberstimme gemacht.
Nottebolini, BeethoTon's Studien. 17
— 130
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Auch hier hat Beethoven die richtige zweite Verkehrung (die octaoa acuta)
nicht getroffen. Statt die Unterstimme des Hauptsatzes eine Octave höher zu
schreiben, schreibt er sie eine Octave tiefer. Solche Erscheinungen , wie hier und
in der vorigen Uebung, sind ein Beweis, dass ihm die Theorie des doppelten
Contrapunktes, wie sie in den Lehrbüchern gehandhabt wird, neu war. Albrechts-
berger durchstreicht Beethoven's zweite Verkehrung.
In den folgenden zwei Uebungen sind die Stimmen im doppelten Contrapunkt
in der Quint-Decime (Doppel-Octave) versetzt.
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(8. acuta.)
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Jetzt wird eine Fuge geschrieben. Albrechtsberger deutet Engflthrungen des
Themas an,
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nnd Beethoven schreibt einen verkehrbaren Gegensatz (Contrapunkt).
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— 132 —
Die nnn vorzulegende Fuge ist im freien Satz geschrieben und ist vom allen
bisher geschriebenen Fugen die umfangreichste*). Namentiich ist der zweite Theil
sehr ausgeführt. Er ist mit Engftthrungen, mit Zergliederungen des Themas und
reichlich mit Zwischensätzen versehen, die grösstentheils aus Abschnitten des
Themas und der verschiedenen Gegensätze gebildet sind. Auch begegnen wir hier
(Takt 85) dem ersten längeren Orgelpunkt. Man darf wohl diese Erscheinungen zum
Theil dem Einflüsse Albrechtsberger's zuschreiben, besonders da in dessen »Anwei-
sung« (S. 196, 212) derartige Mittel »zur Verlängerung der Fuge« empfohlen werden.
Violine 1.
Violino 2.
Viola.
Violoncello.
Nr. 5. Fuge.
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— 142 —
worden. ■— Zu Anfang des 17. Taktes ist der vom Violoncell gebrachte Vorhalt
(c) mit seinem Auflösungston (i in der zweiten Violine) hegleitet. Albrechtsberger
verbietet (»Anw.« S. 300) solche »Ligatur der Septime in der Unterstimme«. Vgl.
auch Kimberger's »Kunst des reinen Satzes« Th. 1 S. 75 f. — Takt 17 und 18
führen die Mittelstimmen , weil sie nur Halb- und Viertelnoten haben (das sind
hier, im C-Takt, Noten von der ersten und zweiten Gattung des Contrapunkts) ,
einen »matten« Gesang. Vgl. die dreistimmige Fuge Nr. 2 Takt 3 flF., und die
Choralfuge Nr. 1 Takt 31. Der Bass verträgt eher Halbnoten, z. B. Takt 19 f. —
Vom 3. zum 4. Viertel des 18. Taktes sind oflFene Octaven zwischen erster und
zweiter Violine. Albrechtsberger hat sie nicht beseitigt. — Takt 22 hören zwei
Stimmen zugleich auf. Vgl. die vierstimmige Fuge Nr. 4 Takt 25. — Takt 52
tritt die erste Violine mit einer (zur zweiten Violine disso^irenden) Wechselnote
(a zu ff) frei ein. Eine solche Wechselnote darf nur stufenweise eingeffthrt
werden. — Takt 52 und 53 sind Primen- Parallelen zwischen «erster Violine und
Viola. Albrechtsberger mag sie tibersehen haben. — Takt 53 erscheint ein Theil
des Themas ohne eine begleitende Stimme. Vgl. die vierstimmige Fuge Nr. 3
Takt 19. — Warum Albrechtsberger den 62. Takt ändert, ist zweifelhaft. Gilt
seine Aenderung der leeren Quarte auf dem vierten Viertel , welche gern mit der
Secunde begleitet sein will ? Oder will er den Satz im folgenden Takt , wo zwei
Nachahmungs- Motive zusammen treten, durchsichtiger machen? — Auf dem
vierten Viertel des 77. Taktes haben die Violinen einen Einschnitt. Nach einer
Regel der 5. Gattung des Contrapunkts (vgl. »Anweisung« S. 68 und 109) darf,
wenn auf dem dritten Viertel Achtelnoten stehen , auf dem vierten Viertel eine
Viertelnote nur dann vorkommen, wenn sie (wie es Albrechtsberger in der ersten
Violine ändert) in den folgenden Takt hinttber gebunden ist. ■— Eine Regel zur
Begründung der Takt 80 vorgenommenen Aenderung können wir nicht angeben. —
Auf dem ersten Viertel des 82. und 83. Taktes ist eine leere Harmonie. Die ge-
bundene Quarte verlangt im mehrstimmigen Satze die Quinte oder Sexte zur Be-
gleitung. Vgl. »Anw.« S. 75 und 136. — Viola und Violoncell bringen auf dem
zweiten Viertel des 83. Taktes das scharfe Intervall einer kleinen Secunde.
Albrechtsberger tadelt (»Anw.«S. 54) stufenweise in den Einklang gehende Secun-
den, weil sie »dem Gehör wehe thun«. — Auf dem dritten Viertel des nämlichen
Taktes wird von der ersten Violine der Auflösungston des im Violoncell liegenden
Vorhalts verdoppelt. Vgl. oben Takt 17. — In Folge der von Albrechtsberger
Takt 83 und 84 vorgenommenen Aenderung wird in den folgenden neun Takten
das Taktgewicht von einer ersten auf eine dritte Zeit verlegt und dadurch ver-
schoben. — Takt 99 sind Quinten-Parallelen (j M zwischen erster Violine und
Viola.
IX. Doppelter Contrapunkt in der Decime oder Terz.
Albrechtsberger schreibt :
+ + +
Aus 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
wird 10. 9. 8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1.
^
— 143 —
t . Zwei Terzen, zwei Sexten , zwei Decimen bleiben in der geraden Bewegung ver-
boten, weil zwei Octa?en, zwei Quinten, zwei Einklänge daraus entstehen.
2. Bei der Secund-Ligatur darf die Vorbereitung nicht mit der Terz gemacht werden,
8
9 8
c —
entstflnde.
weil m den Versetzungen ^
3. Die Quart -Ligatur ist oben nicht zu gebrauchen, weil unten 7 8 daraus wird.
Unten aber in die 5. aufgelöst, ist sie gut, weil 7 6 oben daraas wird.
4. Die Quinte wird zur Sexte. Sie ist im strengen Satz zwar in der geraden Bewe-
gung (nämlich als verdeckte Quinte) verboten, doch nicht im freien ; deswegen kann man
sie zuwdlen machen.
5. Die 6. wird zur 5. Deswegen sind solche Sexten in der geraden Bewegung ver-
boten, die zu reinen Quinten werden ; z. B.
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Inversio.
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6. Die Septime ist zum a due sowohl als Ligatur, als auch im regelmässigen oder
QsregeUnässigen Durchgang zu gebrauchen. Zum a ire jedoch nur in der 10. wmta. Die
Faxische Wechselnote ist auch zum a due gut.
7. Die 9. ist auch zum a due gut , besonders wenn sie von der 10. vorbereitet wird.
Zum a tre ist nur die 10. acuta brauchbar ; beim a quaitro muss die vierte Stimme frei dazu
gemacht werden.
8. Wenn man in der Haupttonart schliessen will, so muss die Oberstimme den Satz
in der 3. oder 5. endigen.
NB. Wenn man die Unterstimme nur um eine 3. statt 10. hinaaf versetzen will
(welches wohl in Singsachen geschehen muss) , so wird die Oberstimme hinab in die
octaoam graioem versetzt.
R^el zum a tre und a quattro : Hier müssen alle Streiche in der Gegen- oder Seiten-
bewegung und keine Dissonanz-Ligaturen gemacht werden, sondern nur 3., 6., 8.
NB. Bei Doppelfogen muss das Contrathema zugleich im doppelten Contrapunkt der
8. gemacht werden; sodann abreibt man die Decime bald zum Haoptthema, bald zum
Contrathema; beim a quaUro zu allen beiden.
So weit Albrechtsberger.
Beethoven hat 24 Uebnngen mit den üblichen Verkehrungen geschrieben.
Davon sind die ersten zweistimmig und haben einen Cantns firmns ; dann folgen
zweistimmige Uebnngen ohne Cantns firmus ; endlich drei- und vierstimmige, zum
Theil mit, znmTheil ohne freie Stimmen. Es genügt, von jeder Art eine oder einige
Uebnngen mitzntheilen. In der folgendem Auswahl sind die mit Nr. 2 bis 6 be-
zeichneten Uebnngen so geschrieben , dass die zwei obern Notenzeilen zusammen
genommen den Hauptsatz, und die zwei untern NotenzeilenMie erste Verkehmng
des Hauptsatzes darstellen.
Nr. l.
Hauptsatz.
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bachtende Grenze der Decime nnd verhindert dadurch eine echte oder
che Verkehnyig. Ferner ist auf dem Niederschlag des 3. Taktes der Leit-
Tonart [h] mit der Decime [d] begleitet ; daraus entsteht bei der ersten
mng eine Verdoppelnng des Leittons. Beethoven macht hierzu die Be-
ig; »Der 7. grosse Ton ist im Niederstreiche zu vermeiden, auch die DecimeD
e Noten«, Albrechtsberger ändert nicht.
U. gracit der Oberatiniine.
<m ersten, zum zweiten Viertel des 5. Taktes schreiten beide Stimmen (des
atzes) in gleicher Blefatung in eine Terz; daraus entstehen bei der Ver-
g verdeckte Octaven. Beethoven ändert die Stelle.
0. ffravü der ÖbeTStimme.
Liocnz
kt 3 und f> schreiten beide Stimmen (des Hanpteatzes) in gerader Bewegung
Sexte ; darans entstehen bei der Verkehmng verdeckte Quinten. Beethoven
t daza: »Wenn man streng componirt, soll man keine 3., keine 6. und
D. in der geraden Bewegung macheno. — Im vorletzten Takt entfernen sick
145 —
die StimmeH weiter als eine Deeime voneinander, so dass aus der dort angebrach-
ten Quart -Ligatur bei der Verkehrung nicht die erwartete Septimen-, sondern
eine Secund- Ligatur entsteht. Beethoven fügt eine Beziflferung und das Wort
»Licenz« hinzu und bemerkt dabei : »Statt der Secund - Ligatur ist 76 zur Beziffe-
rung gut; zur ächten Versetzung aber nicht«.
Nr. 4.
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Auf dem Niederschlag des zweiten Taktes erscheint eine kleine Sexte über
dem Leitton der Tonart; daraus entsteht bei der ersten Verkehrung eine freie
übermässige Quinte. Hierauf bezieht sich eine von Lehrer und Schüler gemein-
schaftlich aufgesetzte Bemerkung. [Beethoven beginnt :] »Der siebente grosse Ton
ist als Grundton*) mit der 6. minor oben zur [Albrech tsberger fährt fort :] Ver-
setzung der 10. gravis nicht zu gebrauchen, weil die übermässige 5. daraus wird.
Mit der 3. minor gebraucht wird die scharfe 8. daraus , das ist der siebente grosse
Ton, mithin auch nicht zu gebrauchen. [Beethoven schreibt weiter:] Wenn aber
ein Thema aus der 3. major geht , so ist der siebente grosse Ton unten mit der
6. minor oben zu gebrauchen, weil die reine Quint daraus wird.« Albrechtsberger
ändert.
Nr. 5.
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Freie Summe.
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Die folgende TJebnng ist nach der S. 143 angeftihrten Regel geschriebi
welcher sich ein zweistimmiger Satz drei- nnd rleratinunig machen Iftsst.
Mr. 8.
HaoptMte. a du«.
— 148 —
X. Doppelter Contrapunkt in der Duodecime oder Quinte.
Albrechtsberger schreibt :
Aus 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12,
wird 12. 11. 10. 9. 8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. l.
1 . Wenn man , statt in die echte Dnodecime , nnr in die Quinte versetzen will , so
mass die andere Stipime in die Octave versetzt werden , weil- der Contrapankt in der
Qninte andere Intervalle auswirft, wie folgendes Schema zeigt :
Aus 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
wird 5. 4. 3. 2. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
2. Die Sexte darf nicht sprung-, sondern nur stufenweise angebracht werden. Sie
kann in der Unterstimme gebunden, im Aufstreich aber nicht ausgehalten werden.
3. Die Septimen-Ligatur darf nicht mit der Sexte vorbereitet werden , wohl aber mit
den andern Consonanzen.
Zum zweistimmigen Satz können alle Ligaturen und die gerade Bewegung gebraucht
werden. Hier sind 11. und 4., eben so 2. und 9. oft einerlei. Die Secund-Ligatur ist die
beste Cadenz.
Hauptsatz.
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Bleibende Stimme.
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So weit Albrechtsberger.
Beethoven schreibt sechs Uebungen mit Verkehrungen. Wir wählen fol-
gende aus.
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Auf dem NiederRchlag des 7. Taktes haben die Stimmen des (von den zwei
obem Notenzeilen dargestellten) Hauptsatzes das Intervall einer Duodecime. Bei
der Verkehrung entsteht eine Prime daraus, ein Intervall, welches seiner Leerheit
wegen in der Mitte eines zweistimmigen Satzes zu vermeiden ist. Vgl. »Anwei-
sung« S. 21, 57. Albrechtsberger ändert.
— 150 —
Nr. 3.
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ändert und bemerkt : »Wenn man bei dieser Versetzung (der Unterstimme des
Hauptsatzes in die Ober-Duodeeime im Hauptton, welcher hier /> war, schllessen
will: so muss in der freien Stimme zu Anfang der 2>-Accord gebracht, und die
letzte Note der 12. acuta verlängert werden , gleichsam als ein tasto solo (orgel-
punktartig), worunter eine 2>-Cadenz mit der l = Ligatur gemacht wird«. Vgl.
Albrechtsberger's »Anweisung« S. 334 , wo derartige Verlängerungen oder Orgel-
punkte vorkommen. — Takt 7 und 8 ist in der freien Stimme die bindende Note
kürzer als die gebundene. Vgl. (S. 104) die vierstimmige Fuge Nr. 3 Takt 28.
Die folgende Uebung ist mit Hülfe der Regel (»Anw.« S. 327) geschrieben, nach
welcher ein zweistimmiger Satz sich durch hinzugefügte Parallel - Stimmen drei-
und vierstimmig machen lässt , wenn auf allen Takttheilen abwechselnd nur Ter-
zen, Quinten und Octaven vorkommen, Dissonanzen nur durchgehend angebracht
sind, und durchweg die gerade Bewegung vermieden ist. Aehnliche Regeln wurden
früher S. 127 und 143) angeführt.
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Erste Unterstimme um eine 8ve tiefer.
XI. Doppelfttge.
Albrechtsberger nimmt (beim Unterrichte Beethoven'g) zwei Arten der Doppel*
fhge tax. Bei der ersten Art treten die zwei Themata (Thema und Contrasubject)
vereint in verschiedenen Stimmen ein ; bei der andern werden sie unmittelbar nach-
einander von einer und derselben Stimme eingeführt. Dieser Unterschied betrifft
aber nur die Exposition, die erste Durchführung. In allem Uebrigen sind sich
beide Arten gleich. In jeder Durchführung soll jede Stimme jedes Thema (wenig-
gt^is) einmal, und in der Begel das zweite nach dem ersten vortragen. Eng-
führungen des ersten Themas sind zu Anfang der zweiten und dritten Durch-
— 152 —
ftlhrnng anzubringen, worauf dann beide Themata vereint in rerschiedenen
doppel-contrapunktischen Verkehrungen oder Versetzungen folgen. Die künst-
licheren, durch Verdoppelung der Stimmen entstehenden Versetzungen werden bis
zuletzt aufgespart. Sonst sind die Regeln der einfachen Fuge so viel als möglieh
beizubehalten.
Beethoven hat bei Albrechtsberger sechs Doppelfugen mit Anwendung des
doppelten Contrapunkts in der Decime und Duodecime geschrieben. Wir lassen
ftlnf davon folgen.
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ie Stimme , der Alt, ohne in Wiederholung zu gerathen , im 9. Takt das
hema nicht bringen kann , nnd dass die in der Exposition zuletzt mit dem
hema eintretende Stimme , der Bass , zweimal (Takt 9 f. und 17 f.] das
i^ema in gleicher Lage bekommt. Diese Wiederholung ist nur zu ver-
wenn der Baas , als die in der Exposition zuletzt mit dem ersten Thema
ide Stimme, zuerst das zweite Thema bekommt. Dann kann der Alt im
mit dem zweiten Theina folgen. — Beethoven giebt im 4. Takt dem zwei-
na einen Anhang (Coda) von einigen Noten {c eßt], welche von der Tonika
inante leitend, zweites und erstes Thema mit einander verbinden. Dieser
wäre gnt, wenn er einen Bestandtheil des folgenden Themas ausmachte.
für sich bestehende Formel ist er fehlerhaft. Albrechtsberger bemerkt zn
e: »Die Einleitung aufwärts in die 5. oder iu die 8. ist nicht mehr Üblich
echt; in die 3. aber der Dominante oder der Tonika ist erlaubt*. — Takt
El macht der Alt einen Quinten- Sprang aufwärts in den Leitton (e h).
sberger bemerkt dabei: »Vom dritten Ton in den 8iebenten,'näm1ich vom
^1 springt man nicht, wegen des harten Gesangs«. — Im 35. Takt kommt
— 155 —
wieder eine »Einleitung« (Coda) vor. — Albrechtsberger hat alle diese Stellen
geändert.
Die Fuge hat aber nun noch zwei bedeutende Mängel . Erstens ist nirgends
eine Engfilhrung angebracht. Zweitens ist von der Verdoppelung der Stimmen
durch Parallel-Stimmen ein beschränkter Gebrauch gemacht. Beethoven koppelt
immer nur Sopran und Tenor, Alt und Bass, nirgends aber Sopran und Alt,
Alt und Tenor u. s. w. ; dabei lässt er Haupt- und Parallel-Stimmen immer
nur in eigentlichen Decimen, nirgends aber in verkehrten und verengerten
Decimen, in Sexten und Terzen zusammen gehen. Was geschah nun? Die
nächste Fuge wurde während des Unterrichtes geschrieben, wobei denn Albrechts-
berger helfen und rathen konnte. In der folgenden Wiedergabe dieser von Schüler
und Lehrer gemeinscliaftlich geschriebenen Arbeit sind die von Albrechtsberger
geschriebenen Stellen zu Anfang mit A, die von Beethoven herrührenden zu An-
fang mit B bezeichnet.
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Zu Takt 71.
Dass diese Fuge von den bei der vorigen Fuge bemerkten Mängeln (der Eng-
ftlhrung und der Verdoppelung der Stimmen bei den Versetzungen) frei ist, ist nur
der Hülfe Albrechtsberger's zuzuschreiben. Engftthrungen des ersten Themas
haben zu Anfang der zweiten und dritten Durchführung (Takt 19 ff. und 54 ff.)
ihre Stelle gefunden. Die Versetzungen a tre und a quattro, zum Theil von
Albrechtsberger geschrieben oder von ihm angedeutet, sind mannigfaltig ein-
gerichtet. Die Verdoppelung der Stimmen geschieht nicht immer in eigentlichen
Decimen, sondern auch in Terzen (Takt 13, 41, 72 ff.) und Sexten (Takt 33 ff.).
Der Sopran geht bei den Verdoppelungen nicht immer mit dem Tenor , sondern
auch mit dem Alt und mit dem Bass (Takt 33, 45, 72 ff.) ; der Alt nicht immer
mit dem Bass, sondern auch mit dem Sopran und mit dem Tenor [Takt 13, 45 ff.)
u. s. w. — Im achten Takt hatte Beethoven zwischen erstem und zweitem Thema
eine nicht durchgehende Quinte (^1 angebracht. In der Octaven- Verkehrung wäre
— 158 —
eine schlechte Quarte daraus geworden. Albrechtsberger bringt dafttr eine Sexte
k| an. — Takt 70 und 71 war eine octaven- artige Forts^chreitung (?Z^) *^"
sehen Alt und Tenor , und ein verbotener Quinten - Sprung in den Leitton {ae\m
Sopran) . Albrechtsberger ändert auch diese Stelle und verlängert sie um einen
Takt.
Die nächste Fuge wurde wieder mit Httlfe Albrechtsberger's geschrieben.
Albrechtsberger sorgt gleich anfangs ftir richtige EinfUhrung der Themata, später
für Anbringung des ersten Themas in Gegenbewegung u. a. m. Wir können das
Stück übergehen.
Die nun folgende Fuge ist im freien Satz geschrieben*). Albrechtsberger
giebt die ersten Stimmeintritte an.
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Das Violoncell hat Takt 16 und 17 einen unmelodisolien Gang;, eine stufen-
weise Folge von drei grossen Secundcn IJUedc, Vgl. die Uebung im Contra-
punkt Nr. 4. — Vom 3. zum 4. Viertel des 26. Taktes sind verdeckte Quinten
zwischen ei-ster und zweiter Violine. Vgl. die Uebung im Coutrapunkt Nr. 9. —
Im 27. Takt wird der Eintritt des ersten Themas im Sopran durch eine der ersten
Note des Themas gleichwährende vorhergehende Note geschwächt. — Takt 30
und 31 erscheint die zweite Violine, welche ein aus den letzten Noten den ersten
Themas gebildetes Nachahmungsmotiv bringt, zweimal ohne eine begleitende
stimme. Ebenda pausiren einige Stimmen gleichzeitig. Vgl. die vierstimmigen
Fugen Nr. 3 Takt 19, und Nr. 4 Takt 25. — Von der ersten zur zweiten Hälfte
des 32. Taktes sind unterbrochene Octaven - Parallelen zwischen zweiter VioKnc
und Violoncell. Vgl. die Uebung im Contrapunkt Nr. 2. — Vom 33. zum 34. Takt
sind Quinten-Parallelen zwischen ei-ster Violine und Viola. — Die auf dem Nieder-
schlag des 36. Taktes eintretende dissonirende Quarte /in der zweiten Violine-
wird, statt auf dem nächsten schlechten Takttheil und <las ist hier, im zusammen-
gesetzten C-Takt, das zweite Viertel des Taktes) , ei-st auf dem nächsten guten Takt-
theil (dem dritten Viei*tel; aufgelöst. Aehnlich verhält es sich mit der auf dem-
selben Niederschlag erscheinenden Septime [b in der ersten Violine) , welche, statt
auf dem nächsten schlechten oder guten Takttheil, erst im folgenden Takt aufge-
löst wird. Vgl. S. 67 Takt 61 und Albrechtsberger's »Anweisung« S. 46, 136,
142 f. — Vom 42. zum 43. Takt sind verdeckte Octaven zwischen erster und zwei-
ter Violine. — Takt 57 bis 59 kommen dreimal verdeckte Primen zwischen erster
Violine und Viola vor. — Vom 3. zum 4. Achtel des 67. Taktes sind Quinten-
Parallelen zwischen erster Violine und Viola. Takt 7 1 kommt derselbe Fall vor.
Albrechtsberger springt bei seinen Aenderungen in eine (»Anw.« S. 177) erlaubte
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— 167 —
Dissonanz. — Die erste Violine wiederholt Takt bd bis 71 zweimal eine Figiir vo»
drei Noten auf gleichen Stufen. Takt 73 bis 75 kommt derselbe Fall in der zweiten
Violine vor. Albrechtsberger nennt das Monotonie. Vgl. S. 87 Takt 35. — Takt 77
treten die Themata nicht vernehmlich genug ein. Albrechtsberger bringt vor dem
ersten Thema 'in der zweiten Violine] eine Pause an und vereinfacht die von Beet-
hoven figurirte erste Note dee zweiten Themas. — Im vorletzten Takt ist die ge-
bundene wesentliche Septime {c; in der zweiten Violine nicht regelmfissig aufgelöst.
Zur folgenden Fuge giebt Albrechtsberger das Hauptthema an. Beethoven
schreibt da» zweite Thema.
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enten , dass da bei der Decimen-Veraetzung Octaven anf näclisten Takt-
tHtehen niUsscn, wie denn auch »olelie Parallelen Takt 17 — 18, 21—22
entstanden sind. Albrechtsberger ändert die Stellen nicht. Er beseitigt
nde Fehler: die nicht berechtigte Carlen?, im 30. und 31. Takt; die
uinte auf dem Niederschlag des 52. Taktes (vgl. Seite 122 Takt 52);
en zwischen Sopran und Tenor vom 52. zum 53. Takt,
i^ge bat aber nun wieder einige bedeuteiKle Mängel und zwar dieselben,
•A der ernten Duppelfuge bemerken konnten. Erstens bat Beethoven der-
dmme zuerst das zweite Thema gegeben, welche zuerst das erste Thema
et, was zur Folge hat, dass die zuletzt eintretende Stimme, der liass,
(Takt ft — 12 und Takt 17—20) das zweite Thema in gleicher Lage be-
Cweitens ist in der ganzen Fuge keine EngfUhruug angebracht. Drittens
bei den drei- und vierstimmigen Versetzungen die Verdop|>eluug der
Oller Themata immer nur in parallelen Decimen , nicht aber in Terzen
ischah nun wieder das, was früher geschah : die nächste Arbeit wurde
litsberger's Gegenwart vorgeDonimen. Zur Arbeit gewählt wurde eine
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erste Thema beantwortet, das zweite Thema. Einer Wiederholung des zweiten
Themas in gleicher Lage ist also vorgebeugt. Bedenklich ist jedoch , dass , nach
den Regeln des Wiederschlags, der Bass im 9. oder 10. Takt das erste Thema
bringen soll, hieran jedoch durch das vorher gebrachte zweite Thema gehindert
wird. Beethoven giebt daher einer andern Stimme, dem AU, das zweite Thema :
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letzte Note des ersten Themas (rf) weggelassen, weil sie mit der ersten Note der
vom Tenor gebrachten Antwort ein schlechtes Intervall bilden würde. Femer
haben die Themata auf dem 2. Viertel des 3. Taktes das Intervall einer unter-
setzten Terz (eigentliche Sexte) zwischen sich , woraus bei der Verkehrung in die
Daodecime eine nicht brauchbare Septime entsteht. Albrechtsberger versucht zu
ändern ; es gelingt aber nicht. Das erste Thema kann nur dann vollständig und
seine Endnote mit der Anfangsnote der Antwort zusammen gebracht werden, wenn
die antwortende Stimme höher ist als die ftlhrende , so dass beide bei ihrem Zu-
sammentreffen das Intervall einer Quinte zwischen sich haben. Albrechtsberger
streicht Beethoven's Anfang durch und fängt von Neuem an. Er giebt das erste
Thema dem Bass , und nun kann auf der Endnote des Themas {d) eine höhere
Stimme mit der Antwort einsetzen.
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den Albrechtsberger selber (»Anw.« S. 79, 81) nicht erlaubt. Albrechtsberger fügt
einen Takt ein, so dass die Antwort erst im 6. Takt erfolgt. Jetzt ist die Arbeit
in Fluss. Albrechtsberger schreibt auch die nächsten Takte, giebt die ersten
Stimmeintritte an, und erst vom 13. Takt an betheiligt sich Beethoven immer mehr
und mehr an der Arbeit. In der nun folgenden Wiedergabe dieser Arbeit sind, wie
früher, die von Albrechtsberger oder Beethoven geschriebenen Stellen mit den
Anfangsbuchstaben ihrer Namen bezeichnet.
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Beethoven wurde während der Arbeit zweimal von Albrechtsberger unter-
brochen. Das erste Mai inmitten der zweiten Durchführung, wo er der Ober-
— 176 —
stimme Takt 34 bis 37 das Hauptthema in derselben Lage geben wollte, in welcher
dieselbe Stimme es zwölf Takte früher gehabt hatte, nämlich so :
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Albrechtsberger verhindert die Wiederholung. Die zweite Unterbrechung fand zu
Anfang der dritten Durchführung (Takt 72 flF.) Statt, wo Beethoven wegen der
anzubringenden Engflihrung in Zweifel sein mochte. Albrechtsberger war auch
hier behülflich, und man kann bemerken, dass die Eintritte der Stimmen durchaus
regelmässig , nämlich , wie zu Anfang der ersten Durchfuhrung , von unten nach
oben und abwechselnd auf Tonika und Dominante erfolgen. Dass überhaupt in
dieser Fuge die bei der ersten und vierten Doppelfuge bemerkten grösseren Fehler
(nämlich : die unrichtige erste Einführung des zweiten Themas , der Mangel der
Engführung , die primitive Verdoppelung der Stimmen beim a Ire und a quattro"
vermieden sind, ist wieder nur der Hülfe Albrechtsberger's zuzuschreiben.
■m
Später hat Beethoven die Fuge in's Keine geschrieben. Es ist die letzte
Doppel fuge, welche dem Unterricht bei Albrechtsberger angehört. Nach ihr wurde
der dreifache Contrapunkt vorgenommen.
Xn. Dreifacher Contrapunkt in der Octave und dreifache Fuge.
Albrechtsberger schreibt :
Beim dreifachen Contrapunkt lassen sich drei Stimmen nach den Regeln des Contra-
punkts in der 8. verkehren; z. B. •
♦) Nr. 1. 2. 3. Nr. 1. 2. 3. Nr. 1.
2.
3.
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Die erste Regel**) verbietet die Nou- Ligatur , weil einmal \ \ , das andere Mal \ *
daraus wird ; z.B.
Nr. 1.
2.
3.
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♦) Nr. 1 zeigt die ursprüngliche Lage, den Hauptsatz ; Nr. 2 die erste Verkehrung ; Nr. 3
die zweite Verkehrung.
**) Nämlich die erste Regel in Albrechtsberger's •Anweisung« (1790) Seite 351.
r
— 177 —
Die sweite Regel verbietet zwei reine Quarten ; 2. B.
Ausnahme. Guter Satz , weil die zweite Quart
ein Tritonus ist.
Nr. 1. 2. 8.
Uebler Satz.
Nr. 1. 2.
Nr. 1. 2. 8. Nr. 1. 2. 8.
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5 5
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4 4
4 4
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Die dritte Regel verbietet die frei angeschkigene Qnint , weil in einer Verkehrung
der frei angeschlagene J-Aocord entsteht; s. B.
Nr. 1. 2. 8.
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gut.
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ttbel.
Folgfich ist die Versetzung mit J auszulassen, oder \ oder | statt | im ersten Satz zu
nehmen. Im Durchgang oder mit der Sext gebunden ist die Quinte gut; z. B.
Nr. 1. 2. 3. Nr. 1.
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gehtauit. gut.
Besser gleich anfangs :
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3.
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NoilebohM, B«etliOfen*H Stadien.
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rierte Regel verbietet die mit der Terz in der geraden Bewegung und auf guten
m frei angeschlagene 3ext; z. B.
Nr. 1. 2. 3.
■"«'■ Bbel.
er also ist tm a Ire zur Seit die Octave oder der Einklang; z.
oder . oder
1 in der widrigen Bewegung ist der ^ - Accord nicht gut ,- weit einmal Jj daraus
Der Sfolut obUqutis ist also in dieser Kunst der beste,
feit Albrechtaberger.
thoven, Albrechteberger's Regeln kurz zusammeDfassend, bemerkt :
ptregel : Die 2-, die 7- und die | - Ligatur sind zu gebrauche». Die 4 3 - und
^igatur nicht. Onte Consonanz-Aocorde sind ^ , ^ und ^ , ^ und J.
olgeo die Vorarbeiten zn einer dreifachen Fuge. Die darin zor Verwen-
mmenden drei Themata werden genieinschafllieh von Beethoven und
sberger entworfen. Letzterer giebt die Üblichen sechs Versetzungen an
i Haupt Versetzung. (Hauptsatz.)
Erste Neben Versetzung.
— 179 —
Dritte Hsaptreraetuiiig.
Dritte Nel>6nver8etzung.
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Beethoven beginnt in Albrechtsbei^er's Ctegenwart die Arbeit wie folgt :
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Der Sopran hat im 7. Takt das erste Thema auf der Tonika, und zwei Takte
später hat es der Alt auch auf der Tonika bekommen. Das ist wider eine Kegel
des Wiederschlags, nach welcher der Alt mit dem Thema auf der Dominante folgen
23
— 180 —
sollte. Vgl.S. 95 Takt 13. Albrechtsberger ändert die Stelle, giebt auch die näch-
sten fUnf Eintritte des ersten -Themas (das letzte Mal in Gegenbewegnng) und
einige andere Eintritte an, und dann Übernimmt Beethoven wieder die Arbeit und
führt sie zu Ende. Wir lassen die so entstandene Fuge mit dem geänderten An-
fang und mit Bezeichnung der von Beethoven and Albrechtsberger herrührenden
Stellen (durch die Anfangsbuchstaben ihrer Namen) folgen.
Nr. 1.
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3. Thema.
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10. gravis.
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Im 46. Takt setzt der Sopran mit einem Nachahmungsmotiv ohne Begleitung
einer andern Stimme ein. Vgl. die einfachen vierstimmigen Fugen Nr. 3 Takt 19,
und Nr. 4 Takt 25. — Zu Anfang des 48. Taktes ist der Leitton von Gmoll ver-
doppelt. Vgl. Uebung im Contrapunkt Nr. 17. — Die Aenderung Takt 51 erklärt
sich aus der Takt 45 f. vorgenommenen. — Der Alt macht Takt 53 und 54 einen
übermässigen Quinten -Sprung. Vgl. die Choralfuge Nr. 1 (8.117) Takt 75. —
^^^^^Bdl
— 185
Albrechteberger hat dieee Fehler beBeitigt; andere (z. B. die unterbroci
taveo Takt 4 1 zwischen Sopran und Tenor, die Quinten-Parallelen Takt '■
zwischen Sopran und Tenor] hat er stehen lassen.
Albrechteberger sagt Seite 353 seiner «Anweisungu, wo von den dr
und drei Nebenversetznngeu dea dreifachen Gontrapunkte die Rede ist
nicht notbwendig, dass alle Nebenversetznngen in einer einzigen Dop]
dreifachen) Fnge auch angebracht werden. Einem Anfänger aber musi
dieger Uebnng nichte schenkenu. In obiger Fuge sind denn auch wir
sechs Versetenngen angebracht. Angebracht ist die
1 . Hauptversetzung : Takt 1 , 42, 54 ;
39;
37,06;
1. NebenTersetzung :
30;
4, 57;
7, 60.
Jetzt wissen wir anch, warum Albrecbtsberger früher (S. 178) die s
Setzungen schrieb.
Bei der folgenden Fuge hat Albrechteberger wieder geholfen. E
den Anfang, giebt die ersten Eintritte der Themata an, dann Uberuin
boven die Arbeit und führt sie zu Ende.
— 186 — I
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Albrechtsberger hat einige Stellen geändert. Darüber lässt sich Folgendes
bemerken.
Vom 3. zum 4. Viertel des 34. Taktes sind verdeckte Quinten und Oetaven
zwischen den drei obem Stimmen. Vgl. die Uebungen im Contrapunkt Nr. 9
und 18. — Takt 55 tritt der Bass nach Pausen und auf guter Zeit mit einem nicht
zur Nachahmung gelangenden Motiv ein. Vgl. die Choralfuge Nr. 2, Takt 43. —
Auf dem 1. Viertel des 56. Taktes ist eine Dissonanz, die gebundene Secunde (c),
verdoppelt. — Takt 68 bis 70 sind zweimal Quinten - Parallelen zwischen Sopran
und Alt. — Takt 105 bis 107 sind Dissonanz -Verdoppelungen (gebundene Se-
cunden), zugleich verzögerte Oetaven -Parallelen zwischen Tenor und Bass. Vgl.
Takt 56, ferner S. 48 Nr. 2 und Albrechtsberger's »Anweisung« S. 60 f., 127, 131.
Ik.,
— 191 —
Von den üblichen Versetzungen kommen die drei Hauptversetzungen (Takt 1 ,
8, 15) und eine Nebenversetzung (Takt 30) vor. Dass sie zu Stande gekommen
sind, ist grösstentheils der Hülfe Albrechtsbergers zuzuschreiben.
Nach dieser Fuge , der letzten , welche dem Unterrichte bei Albrechtsberger
angehört, wurde der Kanon vorgenommen.
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:. Kanon.
Der Unterricht beschränkt sich auf die Gomposition einiger drei- und vier-
stimmigen Zirkel- oder Lieder -Kanons im Einklänge und auf das Umschreiben
einiger Kanons aus einer Form in eine andere.
Die Gomposition eines dreistinmiigen Zirkel -Kanons im Einklänge bietet
wenig Schwierigkeiten. Ausser, dass die drei Stimmen, aus denen der Kanon be-
steht , zusammen genommen harmonisch rein gesetzt sind , müssen auch die zwei
Stimmen, welche nacheinander eintretend den Kanon eröffnen, einen reinen zwei-
stimmigen Satz bilden. Ist der Kanon vierstimmig, so müssen auch die zuerst
zusammentretenden drei Stimmen rein dreistimmig gesetzt sein. ^ ^
Beethoven schreibt gleich einen dreistimmigen Kanon im Einklänge *) :
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(Woesaachsein mag, das ist gleichyiel,gleichvie1.)
Wo es auch sei, das ist dem MU-den ei - ner - lei^das ist dem Mü-den
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ruht sich's wohl.
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ruht sich's wohl, ruht sich's wohl.
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wohl, ruht sich's wohl, ruht sich's wohl.
ruht sich's wohl, ruht sich's wohL
h- r- ^xt=^^: .=^M-\^-i^^ ^
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ner - lei.
Albrechtsberger ändert (siehe : A) wohl aus keinem andern Grunde , als um
die zu Anfang des vorletzten Taktes vorkommende Begleitung der Septime mit der
Sext und die vom vorletzten zum letzten Takt zwischen der Ober- und Unterstimme
♦) Der Text ist üeltzens Liedchen von der Ruhe entnommen. Vgl. Op. 52 Nr. 3. Die ein-
geklammerten Worte bei der Unterstimme gehören der ersten Fassung an.
..^m
— 192 —
vorkommenden verdeckten Primen zu beseitigen. Vgl. S. 50 f. die Uebungen im
Contrapunkt Nr. 9, 17 und 22.
Beethoven setzt seinen (noch ungeänderten) Kanon vollständig in Partitur*) :
Offener Kanon.
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Takt 1 1 und 1 3 erscheii^en schlechte freie Quarten r und i) . Dieser Fehler
wäre vermieden worden, wenn, statt der Mittelstimme, die Unterstimme des Entwurfs
zur ersten Folgestimme gemacht worden wäre ; allein dann wären an andern Stellen
(z. B. Takt 10) leere Quinten und Octaven zum Vorschein gekommen. Etwas besser
wäre es gewesen, mit den beiden untern Stimmen zu beginnen und die Ober-
stimme zuletzt zu bringen. Das ging aber des Textes wegen nicht an, denn diesem
nach musste die Unterstimme zuletzt kommen. Entwurf und Ausschreibung des
Kanons sind also missglückt. Albrechtsberger streicht Beethovens offenen Kanon
durch.
Es werden nun fremde Kanons zur Uebung in der richtigen Vertheilung der
Stimmen vorgenommen. Beethoven löst einen Seite 399 in Albrechtsberger's
»Anweisung« in einzeiliger Notirung stehenden vierstimmigen Kanon auf und
schreibt ihn in Partitur. Dann bringt er einen Seite 397 des nämlichen Werks in
einzeiliger Notirung stehenden dreistimmigen Kanon in die Entwurf- und in die
offene Form. Albrechtsberger bemerkt dann: »Zum Herausschreiben genug«.
Beethoven schreibt nun wieder selbst einen Kanon im Einklänge, erst im Entwurf:
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mWf ^' ^m^apii'f^'\i J' .'^j \ ^^
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dann offen :
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3. Satz.
1. Satz.
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*) Wir geben hier und später bei ähnlichen Aus- und Umschreibungen nur den Anfi^ng
wieder.
— 193
dann geschlossen :
Canone a 3 aW umsofto. __-__ ^
U.S. w.
Dann entwirft ßeetliorcn einen TicrRtiininigen Kanon im Einklänge :
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Alhrecbtsber^er Hndcrf den letzten Tnkt entweder wegen des in der zweiten
Stimme v(»rkommenden Triton -Sprnngs /'./ , oder weil die zwei obern Stimmen,
welelie den Knn<»n eröffnen, auf dem 2. Viertel eine in> zweistimmigen Satz niebt
znUissige leere falsebe Qninte haben.
Beethoven giebt dem Kancm die geschlossene Form:
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f
üjg TqtTjgr T^
II. s.w.
Noch fängt Albreehtsbcrger einen nerstimmigen Kanon in ungleichen Inter-
vallen an, führt ihn aber nicht ans. Damit ist der rnterricht zu Ende.
Ueber Beschaffenheit und Erfolg des Unterrichts«
Man kann Albreehtsbcrger das Prädicat eines gewissenhaften und genauen
Lehrers nicht versagen. Er ist wachsam auf jeden Fehler, umsichtig bei der
Aenderung, immer zu helfen bereit, auf die Entfernung von LUcken bedacht.
Gleich zu Anfang des Unterrichts werden von Haydn übersehene Punkte erörtert ;
in vierstimmigen Fugen wird auf Anbringung des Themas in verschiedenen Lagen
gedrungen ; es wird gesehen auf Zergliederung des Themas , auf Bildung der Zwi-
schensätze durch Abschnitte des Themas und freie Motive ; und gegen Ende des
Unterrichts, bei der Doppelfuge , wird für Engfllhrungen und mannigfaltige Ver-
doppelungen gesorgt. Dass dem Regelwesen Albrechtsberger's eine gewisse Um-
Nottebohin, Beethoven*« Stadien.
25
— 194 —
ßtändlichkeit anklebt*) , dass einige Vorschriften schablonenhaft sind**) , kann
man im Ganzen genommen nicht tadeln. Auch kann kein grosses Gewicht darauf
gelegt werden, dass Albrechtsberger in der Erweiterung seines' Systems nicht
immer glücklich war**'*'; und dass er zuweilen Fehler übersaht). Unebenheiten
beim Unterricht sind nicht zu vermeiden. Man muss bedenken, dass einige Gegen-
stände schwer zu leliren sind, dass Bestimmtheit der Regeln Noth thut und zur
Sicherheit fllhrt, dass eine blosse Formel, und sei es eine Schablone, dem Schüler
einige Hülfe gewährt und ihm eine Richtschnur an die Hand giebt.
Der einfache Contrapunkt wurde, abgesehen von einigen Dingen , die wir für
unwesentlich halten, gründlich durchgenommen. Dasselbe kann man auch von den
doppelten Contnii)unkten sagen, nicht aber von der Fuge. Hier zeigen sich Mängel.
In Albrechtsbergcr's Verzeichniss der Fugen-Themata (S. 71) ist die »»authen-
tische« Antwort bei Nr. H falsch, zunächst deswegen, weil sie einen gi-ossen Secun-
den-Schritt [cb] in einen kleinen [fe] verwandelt, und umgekehrt. Ganz ähnlich,
wie hier, verhält es sich mit den Ausgängen der »authentischen« Antworten der Tlie-
mata Nr. 11 und 14. Die »plagale« Antwort des Themas Nr. 11 ist falsch, weil
darin die Tonart der Quarte der Haupttonart entgegen gestellt wirdf f) . In der vier-
stimmigen Fuge Nr. 1, welcher das Thema Nr. 11 zu Grunde liegt und wo Beet-
hoven Albrechtsbergcr's »plagalen« Gefährten anbringt, ändert Albrechtsberger eine
Note des Gefährten, so dass zwei kleine.Secunden-Schritte des Themas [h c h) mit
zwei grossen Secunden-Schritten beantwortet werden. Ferner hat Albrechtsberger
mehrere falsche Antworten Beethoven's stehen lassen , z. B. in der zweistimmigen,
Fuge Nr. 4, Takt 6 f., wo die dritte Note des Führers (a) mit es beantwortet ist;
in der vierstimmigen Fuge Nr. 2, Takt 12 und 24 , wo beidemal h statt b stehen
sollte; in der vierstimmigen Fuge Nr. 5, Takt 5 und 13, wo eine grosse Secunde
mit einer kleinen beantwortet ist, und umgekehrt; in der Fuge alt ottava (S. 132),
Takt 9, wo die 3. Note in der Viola-Stimme es ßtatt e heissen sollte u. s. w.
In den angeführten Stellen sind zwei Regeln der thematischen Beantwortung
nicht beachtet worden: 1) die Regel, dass, wenn der Führer in der Haupttonart
schliesst, der Gefährte sich nach der Tonart der Ober-, nicht der Unter-Dominante
zu wenden hat ; 2) die Regel ,^ dass die eine Tonart charakterisirenden kleinen
Secunden- Schritte (das mi fa) im Gefährten an derselben Stelle anzubringen
sind, wo sie der Führer hat. Albrechtsberger hat also, in BetreflF dieser
Regeln, eine richtige Beantwortung nicht gelehrt. Daraus folgt, dass Beethoven
bei ihm eine richtige Beantwortung nicht gelernt hat.
*) Z. B. hei den ihrer Vielheit wegen schwer zu merkenden Regeln über verdeckte Quin-
ten und Octaven.
*^) Z. B. die Erfordernisse der zweistimmigen Fuge : Dreitheiligkeit, zwei EngfUhmngen,
drei Cadenzen u. a. m.
*•*; Z. B. in den contrapnnktischen Uebnngen im freien Satz, die den Zweck, mit der
neueren Schreibart bekamst zu machen, doch nur annähernd erreichen kennen, weil sie ein wich-
tiges Element, die Rhythmik der neueren Musik, ausser Acht lassen.
fj Z. B. (Seite 51) in der Uebung im Cuntrapimkt Nr. 11, wo Albrechtsberger (Takt 2,
5 und 9) Wendenoten stehen lässt und selbst macht.
ff) Albrechtsberger scheint , abweichend von andern Theoretikern, eine Antwort anthen-
tisch zu nennen , wenn sie mit einem Schritt von der zweiten zur ersten Stufe einer Tonart
schliesst, so dass da eine authentische (ganze) Cadenz angebracht werden kann; plagal, wenn
ihr Ausgang eine plagale (halbe?) Cadenz zulässt. Vgl. seine »Anweisung« (v. J. 1790; S.'7.
— 195 —
Wie nun hier das Gesetz der strengen, so ist anderort« das Gesetz der freien
Nachahmung verletzt worden.
Eline Forderung der freien Nachahmung ist Aehnliohkeit. Die Aehnlichkeit
wird durch unwesentliche Aenderungen oder Abweichungen nicht aufgehoben,
z. B. wenn eine kleine Secunde mit einer grossen beantwortet wird; wtdil aber,
wenn ein charakteristischer Zug des Nachahmungsmotivs zerstört , wenn z. B. ein
Spmng weggelassen oder verkehrt wird. Albrcchtsberger hat zwar in den Zwi-
schensätzen der vierstimmigen Fugen nnd in den Choralfugen , da wo der Choral
zur Durchführung kommt, darauf gesehen, dass Nachahmungen angebracht
werden ; alldn er hat das Gesetz der Aehnlichkeit, theils bei eigner Arbeit , theils
bei der Aenderung von Beethoven geschriebener Stellen, verlefzt. In ersterer Hin-
sicht ist zu verweisen auf die von ihm geschriebene Stelle in der Choralfuge Nr. I
Takt 44 if. ; in anderer Hinsicht auf seine Aenderungen in den vierstimmigen Fugen
Nr. 3 Takt 29 und 30, und Nr. 4 Takt 25 und 26, in der Choralfuge Nr. 1 Takt 3J ,
in der Fuge alF oUava [H. 138) Takt 80, in der Doppelfuge Nr. 3 Takt 17 u. s. w.
Sollte Beethoven, der, wie die Fuge aus der Knabenzeit zeigt, von Haus aus einen
so feinen Sinn für Thematik hatte, es nicht bemerkt haben, wenn Albrcchtsberger
seine Nachahmungsmotive veränderte und das Gesetz der Aehnlichkeit verletzte?
Ein anderes Gesetz der Nachahmung verlangt contrapunktische Selbständig-
keit der begleitenden Stimmen. Hier ist nun zu bemerken , dass bei manchen in
Beethoven'« Fugen vorkommenden Nachahmungen die begleitenden Stimmen theils
an einer gewissen Dürftigkeit, theils an Ueberladung leiden. Zur Erklärung dieser
Erscheinung werden wir auf ein Missverhältniss geführt, welches nicht nur die
Nachahmung, sondern auch die Fuge betriflft. Dieses Missverhältniss besteht in
einem Ueberwiegen des contrapunktischen Kegelwesens auf Kosten wesentlicher
Itestandtheile der Fuge.
Albrcchtsberger betrachtet die Fuge als eine Fortsetzung des Contrapunkts,
als eine Art Vonfrappunio fugaio. In der zweistimmigen Fuge sollen die Kegeln
des zweistimmigen strengen Satzes beobachtet werden , in der dreistimmigen Fuge
die des dreistimmigen Satzes u. s. w. Dann soll die Gegenharmonie (der Gegeii-
sats] der fünften Gattung des Contrapunkts gemäss eingerichtet sein *). Hiergegen
wäre nichts einzuwenden , wenn Albrcchtsberger sonst folgerecht zu Werke ge-
gangen wäre. Er hat aber Themata zur Bearbeitung g^eben, welche selbst theils
dem strengen Satze nicht gemäss sind , theils mehr oder weniger nach Art der
fünften contrapunktischen Gattung eingerichtet sind '). In den contrapunkti-
schen Uebungen im freien Satz macht er es umgekehrt, aber eben so verkehit.
Er schreibt einen dem strengen Satz angehörenden Cantus firnms vor und verlangt
•) Z. B : Septimen- und andere dis8onu*cDde Sprlinge wenlen nicht geduldet in den zwei-
stimmigen Fugen Nr. I und C ; Sprünge über eine Octavo nicht in der zweistimmigen Fuge Nr. 9
imd in der dreistimmigen Fuge Nr. 2 ; vier Achtelnoten auf einen Schlag nicht in der zweistim-
migen Fuge Nr. 7 u. s. w. Vgl. auch AlUrechtsberger's »Anweisung« S. 18, 175.
♦♦) Z. B. die Themata Nr. 2, 5, 6, S, 10, 11 und 21. — Die sechs Themata, welche Fux bei
der einfachen Fuge giebt, lassen sich wohl mit einer der 5. Gattung gomässen Gegenharmonie
verbinden. Sie sind alle diatonisch und bestehen meistens aus Ganz- und Halbnoten. Erst nach
Beendigung des doppelten Contrapunkts kommt Fux zu den ^ausserordentlichen« Fugen , wo der
»verdriessliche Choralgesang« fallen gelassen, aber auch die Gegenharmonie frei gegeben wird.
25»
— 196 —
dazu Contrapunkte im freien Satz.) Die unmittelbare Folge davon war eine Be-
schränkung der Gegenharmonie und eine Vernachlässigung der Zwischensätze.
Denn was für Noten soll eine auf die fünfte Gattung angewiesene Gegenharmonie
wählen, wenn sie sich vom Thema unterscheiden soll und ihr von diesem die
Üinite Gattung mehr oder weniger vorweg genommen ist? Die ftlnfte Gattung
ist keine Zauberbttchse , aus welcher Thema, Gegensatz und Zwischensatz mit-
sammen hervorgjßhen könnten. Eine andere Folge davon war, dass dem Schüler
die Arbeit erschwert, vielleicht verleidet wurde. Das Letztere scheint sich nun zu
bestätigen.
Beethoven hat die contrapunktischen Uebungen mit vieler Aufmerksamkeit
geschrieben. Er ist sichtlich bestrebt, der Regel gerecht zu werden und Fehler zu
vermeiden. Er macht Fehler, aber sie sind nicht aus Flüchtigkeit oder Nachlässig-
keit entstanden. Beethoven Hess sich die Sache angelegen sein. Als ein Beweis
«einer Willigkeit und des guten Einverständnisses zwischen Lehrer und SchUler
kann angefahrt werden, dass er bei einer Uebung in der 4. contrapunktischen
Gattung einen unvorbereiteten Septimen- Accord mit einem Vorhalt I 4 3 landen
Kand schreibt und dabei fragt: »ist es erlaubt?«. Bei der einfachen Fuge beginnt
Beethoven flüchtiger zu arbeiten. Die meisten zweistimmigen Fugen sind noch
mit Auftnerksamkeit geschrieben. Fast in allen drei- und vierstimmigen im strengen
Satz geschriebenen Fugen aber wird schlechter contrapunktirt , als in den contra-
punktischen Uebungen. Beethoven macht Fehler der gewöhnlichsten Art (offene
Quinten u. dgl.) , welche nur aus Nachlässigkeit entstanden sein können und
welche beweisen, dass Beethoven hier weniger bei der Sache war, als früher*).
Wenn wir nun andererseits bemerken , dass anderartige , zum Theil gleichzeitig
und inzwischen geschriebene Stücke, z. B. der Nachahmungssatz in jfc-moll, die
Uebungen in den doppelten Contrapunkten und die Fuge für vier Streichinstru-
mente in i^-dur, wieder mit vieler Sorgsamkeit gearbeitet und frei von groben Fehlem
sind: so können wir den Grund zu jener Erscheinung nur in der Art der dort ge-;
stellten Aufgabe suchen. Da bleibt denn zur Erklärung nur die Annahme übrig,
Beethoven habe jene Fugen im strengen Satz ungern geschrieben. Er befand sich
in dem Alter, in dem man gemeiniglich lieber angeregt als unterrichtet sein will.
Die ihm vorgelegte Schabl(jne und die einschränkenden Regeln Albrechtsberger's
konnten ihm nicht zusagen, und er wurde der »Kunst, musikalische Gerippe zu
schaffen«"**), überdrüssig. Dass dabei seine eigensinnige Natur mit im Spiele war
und dass er nicht Willens war, seinem gutmeinenden Lehrer zu folgen, dafür ist
eine nun zu berührende Erscheinung geltend zu machen.
*] Manch anderer Lehrer würde wohl eine Arbeit wie die vierstimmige Fujxe Nr. 2 einfach
zurückgewiesen liaben, statt sicli, wie es Albrechtsberger geduldig thut, mit der Beseitigung der
darin vorkommenden Querständo, untersetzten Quarten u. dgl. zu befassen. In der ersten
Clioralfuge macht Beethoven wiederholt Wendenoten (anschlagende Quarten . Albrechts-
berger beseitigt sie zum Theil. Dennoch macht Beethoven in der zweiten Choral fuge denselben
Fehler sechsmal. Noch in der letzten Fuge des Cursus, in der dreifachen Fuge in ^-dur S. i^5 ,
kommen grobe Fehler, z. B. Quinten-Parallelen und Dissonanz-Verdoppelungen, vor.
**) Auf Albrechtsberger gehender ironischer Ausdruck Beethovens in einem Briefe vom
22. Januar lb25. Siehe -Cäcilia« v. J. 1825 S. 205.
h.
197
Beethoven hat bei keiner Doppelfuge von derjenigen Art, wo gleich mit dem
Doppelthema in verschiedenen Stimmen begonnen wird, die richtige Exposition ge-
troffen. Es ist ihm auch bei keiner Doppelfuge gelungen , mannigfaltige Verdop-
pelungen für die zweite oder dritte Durchführung zu finden. Ueberall hat Albrechtß-
berger helfen müssen. Auch bei den dreifachen Fugen musste Albrechtsberger die
erste Einführung der Themata und die verschiedenen künstlicheren Versetzungen
angeben*). Der Kanon endlich wurde nicht vollständig und gleichsam nur für den
Hausbedarf durchgenommen. Künstlichere Kanons, z. B. solche, wo die Stimmen
nicht immer in gleichen Noten zusammen gehen, sind nicht geschrieben worden.
Hieraus geht unzweifelhaft hervor, dass der Unterricht gegen Ende überstürzt und
nicht eigentlich beschlossen wurde. Nur Beethoven kann der Dränger gewesen
sein. Um den Cursus zu absolviren, hätte Beethoven., ohne Albrech tsberger's
Hülfe, wenigstens noch eine fehlerfreie Fuge von jeder bezeichneten Art schreiben
müssen.
Bemerkenswerth sind ihrer Unrichtigkeit wegen mehrere Antworten Beet-
hoven's. In den zweistimmigen Fugen Nr. 10 und 11 verletzt er die Regel, dass,
wenn der Führer auf der fünften Stufe der Haupttonart eintritt , der Gefährte auf
depen erster Stufe einzutreten habe. In der dreistimmigen Fuge Nr. 3 wird ein
Theil des Themas bei der Antwort willkürlich verändert. In der vierstimmigen
Fuge Nr. 4 werden chromatische Schritte mit diatonischen beant^vortet, und um-
gekehrt. Dass Beethoven noch in der letzten Doppelfuge S. 171, Takt 8) anfangs
e mit J, statt mit h beantwortet, ist ein Beweis, dass er, als der Unterricht zu Ende
ging, eine in jeder Beziehung richtige Beantwortung der Fugenthemata nicht inne
hatte. Früher wurde bemerkt, dass er bei Albrechtsberger, in Betreff zweier Regeln,
eine richtige Beantwortung nicht gelernt habe. Kann man sich nun wundem,
wenn Beethoven im Christus am Oelberge (s. Beispiel a), im Finale mlla Fugm der
Variationen Op.35 (ä), in den Variationen über »Tändeln und Scherzen« [c] **)
i^^ feg^^ ^^pp^p^i
r
b.
'^^
I
und in andern Werken auf die eine oder andere Regel keine Rücksicht nimmt ?
*) Beethoven hat zwar derartige Veröetziingen angebracht in der letzten dreifachen Fuge
•S. I8U, T»kt9S bis 123. Allein es sind der Reihe nach dieselben Versetzungen, welche Albrechts-
iHjrger zu Anfang der Fuge Takt 1 bis 26 angebracht hat ; nur hat ihnen Beethoven eine andere
Lage gegeben Man kann also das Auffinden derselben nicht Beethoven zuschreiben.
**" Die angeführten Stellen, wenn sie auch nicht eigentlichen Fugen angehören, können
wohl als Beispiele der Beantwortung herangezogen werden. Gewiss würde jedes Stück gewon-
nen haben, wenn der Gefährte der Regel gemäss eingerichtet worden wäre. In Betreff der Be-
antwortung des lliemas aus den Variationen Op. 35 sind vielleicht nicht alle Leser mit dem Ver-
fasser, der das us istatt h) im '.». Takt beanstandet, einverstanden.
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— 1 98 —'
Die Uebungen im Contrapunkt , wozu auch die bei Haydn geschriebenen zu
rechnen sind , haben eine gute Wirkung gehabt. Beethoven ist von einer über-
wiegend figurativen zu einer mehr contrapunktischen Schreibart geführt worden.
Wo sich in den vor dem Unterricht geschriebenen Werken eine auf Verschieden-
heit der Notengattungen und der Bewegung beruhende Selbständigkeit und Gegen-
sätzlichkeit der Stimmen zeigt, da ist solche meistentheils auf dem Wege der
Figuration erlangt , durch Fortspinnung eines Motivs , durch Ausschmückung an
sich einfacher Noten u. s. w., wobei HUlfsnoten aller Art, arpeggienartige Gänge,
Läufe, Terzen -Parallelen u. dgl. eine grosse Rolle spielen. Zur Veranschau-
liclmng der früheren Schreibart können einige Stellen aus dem Trio für Streich-
instrumente Op. 3 dienen*)
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V-
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Wo dennoch in tVühoreii WcrktMi Stellen contraiiunktisclier Art vorkommen,
da sind sie meistentheils entweder sehr kurz, z. H. in den Variationen über nVcn/n
Amoi^ea Var. I), 13, 14 und in den zwei Präludien Op. 39; oder sie sind nicht rein
gesetzt, z. B. folgende Stelle aus dem nachgelassenen Trio in £*-dur für Piano-
forte und Streichinstrumente ^") :
■ ! I ! i ~
tri. €Tli
*; Andere Stellen- Variationen [ihav »Venni Ain(tn-«, Var. 20; Op. 44, die meisten Varia-
tionen. (Op. 44 entstand 1792 oder 1793. Vgl. des Verfassers »»Beethoveniana« S. 7.)
**) Siehe auch Op. 3 (Breitkopf u. llärtelschc Gosaninit-Ausgabu) S. 19 T. 4.
k^
— 199 —
In den gegen Ende des Unterrichts und bald nach demselben geschriebenen
Werken hingegen finden sich viele Stellen, die ein entschieden contrapunktisches
Gepräge haben , Stellen , die nicht mehr ans harmonischer Combination hervor-
gegangen sind , sondern die in der Anwendung der Consonanzen und Dissonanzen
und in ihrer Ausgeführtheit eine bewusste Handhabung der contrapunktischen
Mittel erkennen lassen^). Einige zweistimmige Stellen aus Op. 13 und 21 mögen
diese Schreibart veranschaulichen.
1
i
m
£l^
Ihrii-ij;
€
^
£
rT_^3:
ritt^^ge
Ss^^^
m
^m^^^
Bei der Nachahmung lässt sich ein ähnlicher Erfolg nachweisen. In den vor
dem Unterricht geschriebenen Werken erstreckt sich die Nachahmung meistens
auf kleine Gruppen. Wo längere Motive oder Sätze zur Nachahmung verwendet
werden, da giebt meistens die zuerst eingetretene Stimme nach Eintritt der zweiten
entweder ihre Selbständigkeit auf, oder sie lässt, wenn sie solche behauptet, an
Beinheit der Führung zu wünschen übrig. In den später geschriebenen Werken
hingegen werden sowohl grössere als kleinere Motive zur Nachahmung verwendet,
und es behauptet an geeigneter Stelle die anhebende Stimme nach Eintritt der
andern in contrapunktisch reiner Führung in der Regel ihre Selbständigkeit.
Ueberdies kommen in den späteren Werken viel mehr Nachahmungsstellen vor,
als in den früheren. Zur Vergleichung kann verwiesen werden einerseits auf das
Trio Op. 3, andererseits auf die Trios Op. 9**), wie denn überhaupt diese Werke
den Unterschied der früheren nnd späteren Schreibart anschaulich machen können.
*} Efl ist wohl ttberflttsdig, zu bemerken, dass man nicht mit dem Massstabe des strengen
Satzes an Beethoven's Werke treten kann. Keine eigentliche Composition Beothoven's ist im
strengen Sats geschrieben. Wir betrachten das Studium des strengen Satzes als eine Disciplin
und urtheilen nur nach den Wirkungen, welche die Uebungen darin gehabt haben können.
•♦) Z. B. die Stellen: Op. 3 Seite4 Takt 22f. , S. 9 T. 1-6, S. 10 T. 16—23, S. 19 T. l f.
und T. 4^ f ; Op. 9 Nr. 1 S. 4 T. S-2t n. s. w.
l '■
— 200 —
Bei der Fuge zeigt ßich kein guter Erfolg. Früher wurde bemerkt, dass
Albrechtsberger's Unterricht in BetreflF einiger wichtigen Bestandtheile der Fuge
mangelhaft und nicht gründlich war. Ferner wurde bemerkt, dass Beethoven einen
grossen Theil der ihm von Albrechtsberger aufgegebenen Fugen nachlässig ge-
arbeitet habe und dass durch seine Schuld der Unterricht nicht eigentlich zu Ende-
geführt worden sei. Es läuft darauf hinaus, dass der Eine nicht konnte, der Andere
nicht wollte. So viel steht fest , dass Beethoven bei Albrechtsberger keine Durch-
bildung in der Fugenform gewonnen hat. Nach diesem ungünstigen Ergebniss ist
OS zu erklären , wenn Beethoven , in der nächsten Zeit nach dem Unterricht, sieh
an der eigentlichen Fugenform nicht versucht und nur einen sehr bcschrHnktcn
Gebrauch davon gemacht hat. Er hat in den nächsten zehn Jahren kein Stück ge-
schrieben, das man im eigentlichen Sinne eine Fuge nennen könnte. AVir finden
bei ihm meistens nur Anläufe zu einer Fuge, Fugatos, kurac fugirte Stellen oder
blosse Durchführungen im Anfang oder in der Mitte eines grösseren Satzes. In den
fngirten Sätzen, die eine längere Ausflihnmg zeigen und die in ihrem Anfang oder
auch weiterhin einer eigentlichen Fuge am nächsten kommen (z. B. im Finale der
Variationen Op. Ua und im Schlusschor des Christus am Oelberg , wird, thcils
durch unbegründet eintretende, nicht weiter getllhrte neue (tcgensätze, theils durch
freie oder ungefüge Zwischensätze, theils dadurch, dass das Ganze in einen freien
SchlusH ausläuft, der angeschlagene Ton aufgegeben und die fugirte Schreibart
verlassen. Dabei kommen willkürliche Veränderungen des Themas vor , und wie
frei Beethoven Themata beantwortet hat, haben wir früher gesehen. Es würde
wenig ergiebig sein, wollte man genauer untersuchen, wie Beethoven die Bestand-
theile der Fuge im Einzelnen behandelte. Es verdient noch bemerkt* zu werden,^
dass, in Betreff der Bildung der Gegen- und Zwischensätze , das wohltemperirte
Ciavier von J. S. Bach, welches Beethoven doch von Jugend an kannte, gar nicht
eingewirkt zu haben scheint, dass aber unwesentliche Eigenthümlichkeiten der
fugirten Schreibart aus der Schule Albrechtsberger'» haften geblieben sind.
Albrechtsberger empfiehlt Umkehrungen, Verkleinerungen und andere Ver-
änderungen des Themas. Beethoven bringt solche an im Finale der Variationen
Op. 35 und im letzten Satz der dritten Symphonie (Part. S. 78, 84). Albrechts-
berger lehrt EngfUhrungen. Beethoven bringt solche in seiner freien Weise an im
Schlusschor des Christus am Oelberg (S. 109 f.), in der ersten Messe beim y>Oum
sancto spirtlua (S. 42) und beim»iV vitam venturin (S. 86) . Albrechtsberger lehrt (vgl.
S. 125), dass die erste Note eines Themas durch Anticipation verlängert werden
könne. Beethoven bringt solche Verlängerungen an im zweiten und vierten Satz der
dritten Symphonie (S. 45 Takt 11 imBass, S. 87 Takt 3 in den Blasinstrumenten) ,
in der ersten Messe beim » Cum sancto spiritua (S. 41 Takt 8) u. s. w. Nach Allem
kann man sagen : der Unterricht in der Fuge hat nur das Gute gehabt, dass Beet-
y hoven fortan die Bestandtheile der Fuge und die Mittel der fugirten Schreibart, so
wie er sie kennen gelernt hatte , einzeln anwenden konnte und in freier Weise
auch angewandt hat.
Das Letztere lässt sich , jedoch in einem bessern Sinn und entsprechend der
bessern Beschaffenheit des Unterrichts, auch von den nächstfolgenden Gegen-
ständen der Compositionslehre sagen. Doppelcontrapunktische Stellen finden sieh,
fe.
— 201 —
mit Augnahme einiger unrein gesetzten , von denen eine frtther (S. 14) angeführt
wurde, in den vor dem Unterricht geschriebenen Werken nicht ; wohl aber in später
geschriebenen, und diese sind alle rein gesetzt. Stellen anzuführen, wird überflüssig
sein. Doppelfugenartige Stellen kommen vor im zweiten Satz der dritten Sym-
phonie (S. 44, Takt 1 f., 2. Violine und Viola oder Fagott) und im letzten Satz
des Quartetts Op. 59 Nr. 3 (S. 23, T. 17 f.). Der dreifache Contrapunkt ist an-
gewendet im zweiten Satz des Quartetts Op. 18 Nr. 4 (S. 9, Syst. 5, T. 2 f.) und
hier sogar mit vier Versetzungen ( 3 3 ^ r ) ' ^"^"^^^ ™ letzten Satz des Quin-
tetts Op. 29 (S. 23, T. 9 f .) , welche Stellen jedoch, da der dreifache Contrapunkt nicht
genau durchgenommen wurde, nicht ohne einiges Selbststudium zu erklären sind.
Beim Kanon können wir uns kurz fassen. Beethoven hat unsers Wissens in
der nächsten Zeit nach dem Unterricht keinen Kanon von der bei Albrechtsberger
vorgenommenen Art geschrieben. Die von ihm geschriebenen Kanons (Op. 35
Var. 7 ; Quartett im 1 . Act def Leonore) sind anderer Art ; sie deuten auf zugäng-
liche Vorbilder hin , sind aber auch aus dem polyphonen Princip , das Beethoven
sich angeeignet hatte, zu erklären.
Wir haben Seite 13 gesagt, Beethoven habe um 1785 die Schreibart Mozarts
angenommen und sich dieselbe bis ungefähr zum Jahre 1792, also bis kurz vor
Beginn des Unterrichts bei Haydn, immer mehr zu eigen gemacht. Der Unterricht
bei Haydn und Albrechtsberger hat ihm dann neue Formen und Ausdrucksmittel
zugeführt, und diese haben eine Umwandelung seiner Schreibart bewirkt. Die
Stimmen haben an melodischer Ausbildung und an selbständiger Führung ge-
wonnen. An die Stelle der früheren Durchsichtigkeit ist eine gewisse Dichtigkeit
des Stimmgewebes getreten. Aus einer homophonen Zwei- und Mehrstimmigkeit
ist eine reale geworden. Das frühere blosse »obligate Accompagnement« ist einer
mehr auf Contrapunktik beruhenden obligaten Schreibart gewichen. Beethoven
hat das Princip der Polyphonie angenommen. Dabei ist der Satz reiner geworden,
und es ist beachtenswerth , dass die bald nach dem Unterricht geschriebenen
Werke zu den reinsten gehören, die Beethoven geschrieben hat*). Wir rechnen
dazu in erster Reihe die (im J. 1798 erschienenen) Trios Op. 9. Wohl leuchtet
auch jetzt noch das Vorbild Mozart*s durch. Wir suchen es aber jetzt weniger in
der Art zu figuriren oder zu contrapunktiren , als in der Form und in andern
Dingen , welche mit der contrapunktisch obligaten Schreibart nur mittelbar zu-
sammenhängen. In ähnlicher Weise kann von andern Einflüssen gesprochen
werden, so von dem Joseph Haydn's. Auch dieser Einfluss ist nicht contrapunk-
tischer Art. Beethoven hat auf dem Grunde seines erworbenen und ererbten Be-
sitzes weiter gebaut. Er hat die überkommenen Formen und Ausdrucksmittel in
sich verarbeitet, fremde Einflüsse allmählich ausgeschieden und, dem Drange
seiner subjectiven, auf's Ideale gerichteten Natur folgend , sich einen eigenthüm^
liehen Styl geschaffen. Ueber die Erscheinungen, welche mit dieser Umwandlung
verbunden waren, ist an einem andern Orte zu sprechen.
♦) So nnreiDC Stellen, wie sie in früheren Werken vorkommen, z. B. in den Variationen
über nVenniAmorea (Var. 3 Takt 6— S, Var. 4 Takt 5, Var. 19 Takt 4 f.), in den Variationen
Op. 44 a. B. w., sind in den bald nach dem Unterricht geschriebenen Werken nicht zu finden.
Nottebohm, Beethoven*» Studien. 26
— 202 —
Zur Chronologie.
Noch ist Kenntniss zu nehmen von einigen andern Arbeiten Beethoven's,
welche sich zwischen seinen Uebungen vorfinden.
Auf den letzten Zeilen eines Bogens, welcher zwei Choralfugen enthält, steht
folgender Anfang eines Liedes über einen Text aus Metastasio's »Olimpiade« :
Allegretto tmi tton niolio,
§ Coro.
Clavicembalo.
P
i^^l^i^i:^
-ff:^
O ^ ca - re sel-vPy o ca- ra fe - li - ce li - her- tä!
O
sempre dolce
Das Stück ist überschrieben : »Nr. 10. Wird hintenan geschrieben«. Es war also
für eine Sammlung bestimmt. Was das für eine Sammlung war, ist nicht be-
kannt.
Zwischen den Uebungen im doppelten Contrapunkt der Decime findet sich
folgender Entwurf zur »Adelaide« :
t
W^^^
g^^^isi^^}^^^^^^^
^^l^ifE^^fe
das durch wan-ken-de
1
4te
-€
und bald darauf ein Entwurf zum Anfang des zweiten Hatzes des Trios in 6 dar
Op. I Nr. 2. Das Blatt, auf welchem der letztere Entwurf vorkommt, ist an einer
Seite abgerissen, so dass nur das Anfangs-Motiv und eine davon getrennte spätere
Stelle sichtbar sind und das Ganze nicht mittheilbar ist.
Nach einer Fuge alla cluodecima findet sich ein zum letzten Satz der ersten
Symphonie gehörender Entwurf, der so lautet :
u. 8. w.
^^^^^^^^^g^§
EgE3--^'-fg=Jg--f^^
lEt-;;
.-jjIL ^fM _i
^PEE^4^.
^^
^-i /gyr tfl ^
I
f
-Ä-*-
— 203 —
Beethoven muss sich also mit diesen Compositionen während des Unterrichts
beschäftigt* haben. Einen Anhaltspunkt zur Bestimmung der Zeit, da der Unterricht
zu Ende ging , kann annähernd nur die auf das Trio in G dur bezügliche Skizze
geben. Die Skizze muss vor dem 9. Mai 1795 geschrieben sein, weil an diesem
Tage die »binnen 6 Wochen zu erscheinenden« drei Trios Op. 1 zuerst in der
Wiener Zeitung auf Pränumeration angezeigt wurden, also fertig waren. Mithin
musste der Unterricht an jenem Tage schon beendigt, oder seinem Ende sehr
nahe sein *) .
Es giebt noch ein anderes Mittel, das Ende des Unterrichts annähernd zu
bestimmen. Dies besteht darin, dass man nach der Seitenzahl, welche die Uebun-
gen einnehmen, die Zeit , in welcher sie geschrieben * zu bemessen, und hiernach
die Dauer des Unterrichts zu bestimmen sucht. Hierbei wäre zu bemerken, dass,
nach Abzug der Ab- und Reinschriften, 160 eng beschriebene Seiten in Querfolio
vorhanden sind , und dass Beethoven wöchentlich dreimal Unterricht hatte. Nach
solcher Messung scheint uns der Unterricht ungefähr 15 Monate gedauert zu haben,
und wäre er demnach, wenn er um Neujahr 1794 begann, ungefähr im März
1795 zu Ende gegangen. Dies Ergebniss lässt sich mit dem obigen leicht ver-^
einbaren.
*) Unverträglich mit dem an die Skizze sich knüpfenden Ergebniss ist die auf eine Mit-
theilung von Ries (Not. S. S4} sich stützende Annahme (vgl. Thayer's Biogr. I. S. 2.39), die
Trios seien schon vor dem 19. Januar 1794, an welchem Tage Haydn Wien verliess, fertig ge-
wesen, während das Vorkommen der Skizze beweist, dass die Trios Ende 1794 noch nicht fertig
waren.
26
Unterricht bei A. Sali
Der Unterricht betriflft italienische Gesang-Composition. Vorhanden sind un-
gefähr 20 Gesangstttcke mit italienischem Text, welche Beethoven componirt,
Salieri durchgesehen und zum Theil verbessert hat. Sie wurden zwischen den
Jahren 1793 und 1802 geschrieben. Das ist eine zu lange Zeit, um einen fort-
laufenden, an bestimmte Lehrstnnden gebundenen Unterricht annehmen zu können.
Auch lassen die Stücke keinen Lehrgang, nach dem sie geschrieben sein könnten,
erkennen. Es hat allen Anschein, dass Beethoven von der Zugänglichkeit und
Willfährigkeit Salieri's , wenig bemittelten Musikern zu gewissen Stunden unent-
geltlich Unterricht zu ertheilen *) , Gebrauch machte , und dass er ihn von Zeit zu
Zeit besuchte, um sich betreffs der Gesang-Composition Raths zu erholen.
Ein Theil der Stücke findet sich zwei - oder dreimal und auch mit vorher-
gehenden Entwürfen in Beethoven's Handschrift vor , woraus zu schliessen , dass
Beethoven mit einiger Sorgsamkeit gearbeitet hat. Salieri ändert (in den mehr-
stimmigen Stücken) oft nur die Oberstimme. Es ist aber selbstverständlich , dass
seine Aenderungen auch auf die andern Stimmen auszudehnen sind , wenn diese
mit der Oberstimme zusammengehen. In der nun folgenden Auswahl sind die
Stücke, so viel wie möglich, chronologisch zusammengestellt. Einige Stücke sind
aus irgend einem Grunde, z. B. weil keine Aenderungen oder bemerkenswerthe
Aenderungen nur im Anfang vorkommen, unvollständig mitgetheilt. Salieri's
Aenderungen , mit 8 bezeichnet, sind über den Stellen angebracht , zu denen sie
gehören. Der Text zum ersten Stück ist aus Metastasio's Cantate : i>La Gelosia«.
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Nr. 1. Duetto.
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*) Vgl. Mosers »lieber das Leben und die Werke des Anton Salieri«, S. ISO, 2ü8.
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21
Die von Beethoven gemachten Fehler betreffen einige der wichtigeren Regeln
der italienischen Prosodie. Erstens ist zwischen den zusammentreffenden Vocajen
der Wörter che und Amore im ersten Takt und der Wörter torno und a im
15. Takt keine Elision angebracht*). Zweitens sind die Takt 3, 5 und 19 vor-
kommenden einsilbigen Wörter suo und piü als zweisilbige behandelt**).
*) Wenn im Innern eines italienischen Verses Huf ein mit einem Vocal ausgehendes Wort
ein mit einem Vocal beginnendes Wort folgt, so werden die Silben, denen die zusammentreffenden
Vocale angehören , zu einer Silbe vereinigt. Bei der Scansion wird die erste Silbe nicht mit-
gezählt, und beim Declamiren oder Singen wird der erste Vocal nur flüchtig bertthrt und auf den
zweiten gleichsam hinübergezogen. Ein solches Zusammenziehen der Silben oder Vocale wird
Elision (eiisidne) genannt. Die Elision ist auch vorzunehmen, wenn das erste Wort mit einem
Doppellaut aufhört, oder wenn das zweite mit einem h anfUngt. Beim Ausgange eines Verses,
bei einer Cäsur, überhaupt bei Wörtern, welche durch ihre Stellung oder durch ihren Inhalt eine
Trennung bedingen, unterbleibt die Elision.
**) Der Doppellaut uo in «uo ist im Innern eines Verses einsilbig und kann nur beim Aus-
gang eines Verses und bei Einschnitten zweisilbig gesprochen werden. Das Wort pOk ist, wie
alle ähnliche Wörter mit der Gravis auf dem zweiten Vocal, immer einsilbig.
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— *i09 —
Drittens ist durch das Hinüberziehen der ersten Silbe des zweiten Verses (/<w -) auf
das zum Raum des ersten Verses gehörende vierte Achtel des zweiten Taktes die
metrische Cäsur verschoben und die Eurhythmie gestört. Wie der erste und dritte
Vers, so sollte auch der zweite Vers auf einem letzten Takt -Achtel beginnen.
Salieri folgt in seiner Aenderung der metrischen Gliederung des Textes. Aehnlich
wie im 2. Takt verhält es sich im 6. und 10. Takt.
Der Text zum folgenden StOck ist aus Metastasio's Cantate : »// Nomen,
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20
Am Rande des Manuscripts steht von Beethovens Hand die Bemerkung:
»NB. U^ /, O sono vocali ingrcUi^ dot>e evita di fare molte note o colaralurea.
(U, I, sind unbequeme Vocale, wo viel Noten oder Coloraturen zu vermeiden
sind.) Diese Bemerkung ist allgemein gehalten, kann aber zunächst auf die Be-
handlung des Wortes infido im 9. Takt bezogen werden, wo die drei Noten,
welche Beethoven der zweiten Silbe giebt, unbequem zu singen sind.
Im 2., 3., 6. und 7. Takt sind die Wörter sempre, posi und Ninfa nicht
richtig betont. Bei allen muss der Ton auf die erste Silbe fallen.' — Im 8. und
18. Takt sind metrische und logische Einsehnitte, die Beethoven nicht berück-
sichtigt hat und die regelmässig auf das fünfte Taktachtel fallen müssen. Vgl.
Nr. 1 Takt 2. — Im 16. Takt behandelt Beethoven das Wort t?o/ (cofo), indem er
die Melodie aufwärts führt , als wenn es mit den folgenden Worten logisch
r
— 211 -
zusammenhienge, (xler als wenn ihm ein Fragezeichen folgte. Das Wort schliesst
aber einen beigeordneten Satz. Es folgt ihm ein Absatz, der am besten durch
fallende Noten auszudrücken ist. Ueberdies ist der Vocal o [o chiuso oder stretio)
in jenem Worte, wegen der zu seiner Aussprache erforderlichen gekniffenen
Mundöflfnung , in tiefer Lage besser zu singen als in hoher. — In den letzten
Takten ist die Regel nicht beobachtet, dass bei Schlusspunkten der weibliche Aus-
gang eines Verses, also hier die zweite Silbe des Wortes nido, einen guten Takt-
theil erhalten soll. Auch ist Beethoven's Melodie in den letzten Takten, wegen
des wiederkehrenden Schrittes/^«, monoton.
Der Text zum nächsten Stück, von dem wir nur den Anfang hersetzen , ist
au8L einer Cantate [Cantata IX.] von Metastasio, und lautet vollständig:
Ne campt e neue seloe
Seguivo giä le belve^
Pascevo %l gregge ancor
Libero pastoreüo,
Libero cacciator ;
Ora non son piü quello:
Perdei la liberiä,
E guel c/ie peggio, oh Deil
Come 86 il mio tormento
Culpa mm sia di lei,
Moetrare al mio lamento
Clori non vtwl pietä.
Nr. 3. Coro»
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Die unruhige Melodie mit ihren springenden Intervallen und die wechselnde,
unstete Harmonie, welche Beethoven den Worten giebt, sind dem Inhalt des Ge-
dichtes, in welchem ein verlassener Schäfer um die Hartherzigkeit seiner Geliebten
klagt, nicht angemessen. Zu solchem Inhalt eignet sich mehr eine gleichsam
matte, einförmige, in engeren Intervallen sich bewegende Melodie. Beethoven
streicht, ohne Zweifel auf Veranlassung Salieri's, der eine unbedeutende Stelle
ändert , das Stück durch und nimmt die Worte nochmals zur Composition vor. In
dieser Bearbeitung ist der Inhalt des Gedichtes besser getroflfen. Sie beginnt :
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212 —
Nr. 4.
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pi:irri-^''-r-?HM-d-^w^ r p p p !"J^=^ ^
Der Text zu den folgenden Stücken ist aus Metastasio's y^Zenobiam^ Ätto III ^
Scena IX,
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Nr. 5. Dnetto.
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spi - ro |icr te. u. 8. w.
Im 2. Takt wird durch das zu frühe Eintreten des Wortes v'e die diesem
Worte vorhergehende metrische Cäsur unterdrückt, die Gleichheit mit den vor-
und nachher eintretenden Rhythmen verhindert und das Athemholen erschwert.
— 213 —
Jene Cäsur ist, wie es Salieri thut, am besten durch eine Pause deutlieh zu ma-
chen. — Takt 7 und 9 sind die Worte insospiro (Tamorm u. s. w. (ich seufze vor
Liebe und wage nicht, ihm zu sagen : ich seufze um dich) nicht ihrem Inhalt ge-
mäss behandelt. Verhaltene, schtlchterne Liebe spricht aus den Worten, und
diesen Gemttthszustand soll die Musik aufnehmen. Beethoven aber giebt ihnen,
durch Anbringung punktirter und ungleicher Noten, einen beinah trotzigen, her-
ausfordernden Ausdruck.
In der folgenden Composition hat Beethoven jene Worte besser ausgedrückt.
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Im 2. Takt lässt Beethoven, ähnlich wie im vorigen Stück, die metrische
Cäsur nicht zur Geltung konmien. Die Aenderung des Auftaktes (ganz zu Anfang)
erklärt sich aus der rhythmischen Uebereinstimmung mit dem geänderten zweiten
Takt. — Im 7. Takt bringt Salieri eine das Seufzen charakterisirende Manier
an. — Im 14. und 15. Takt hat das Wort te^ hier eine männliche Ausgangssilbe,
zwei erste Takttheile und dadurch eine unnatürliche Länge bekommen. Salieri
hilftdurch Anbringung der bei solchen Endungen üblichen langen Vorschlagsnote. —
Beethoven hat Takt 17 bis 19 die Worte »j»cr tanto soffrire« (um so viel zu
leiden) gleichgültig behandelt. Das Wort soffrire eignet sich, wie es Salieri's
Aenderung zeigt, zu einem erhöhten Ausdruck. — Takt 23 und 24 ist im Sopran
das Wort cht ad er falsch betont. Der Ton muss auf die erste Silbe [ckiedere]
fallen.
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34
Die ersten Worte sind in rhetorischer Hinsicht nicht gut ausgedrückt. Beet-
hoven zeichnet die erste Silbe des Wortes tutte vor dem wichtigeren Worte pe7ie
durch eine dissonirende Harmonie und durch einen höhern Ton in der Melodie
aus. Dann giebt er dem Worte pene zur Tonica absteigende Noten und eine aus
der ganzen Cadenz gebildete Formel , welche den Eindruck machen , als wenn da
ein Satz schlösse , oder als wenn im Text ein Komma stände. Es findet aber da
nur ein metrischer Einschnitt Statt. Die Worte Fra tutte le pene hängen mit
den fügenden logisch zusammen. Um diesen Zusammenhang und jenen Ein-
schnitt in der Musik deutlich zu machen, muss eine Formel gewählt werden, wel-
che auf einen Fortgang deutet, welche die Melodie nur aufhält, nicht endigt. Dazu
eignen sich steigende Noten , wie sie Salieri anbringt. Femer drückt Beethoven
das im 4. Takt stehende Fragezeichen durch eine Wendung zum tonischen Drei-
klang, durch eine der Flagalcadenz entnommene Formel aus. Diese Wendung ist
für einen Fragesatz zu bestimmt. Besser ist eine Wendung zur Dominant -Har-
monie, wie sie Salieri anbringt. Salieri wird bei der Aenderung auch berücksich-
tigt haben, dass die mittlere Silbe des Wortes maggiore in der Höhe nicht gut
auszusprechen ist. — Im 16. und 20. Takt hat Beethoven den letzten Silben der
Wörter vahre und ardire Noten auf gleicher Stufe gegeben. Diese klingen etwas
Noitebohm, Bectboven's Studien.
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— 218 —
lahm. Die vorletzte Silbe jener Wörter ist betont, die letzte tonlos. Solche Silben
wird man, wenn man sie natürlich ausspricht, nicht in gleicher Höhe aussprechen.
Man wird die Stimme gern etwas steigen lassen, wenn die Silben, wie es hier der
Fall ist, in der Mitte eines Textabschnittes vorkommen ; umgekehrt wird man die
Stimme etwas sinken lassen, wenn die Silben, wie es im 18. Takt bei dem Worte
soffrire der Fall ist, am Ende eines (beigeordneten) Satzes vorkommen. Salieri
ist der Ansicht, dass im Gesänge die Worte auf eine der Sprache ähnliche Art be-
handelt werden müssen, und ändert danach. Er macht bei den erwähnten Silben
den Sprachton geltend. Dadurch bekommt der Gesang einen gewissen Schwung
und mehr Zusammenhang. — Im 36. Takt ist in der Oberstimme der melodische
Einschnitt verschoben und das Athemholen des Sängers nicht gehörig berücksich-
tigt. Die Athemstelle muss mit dem Einschnitt der Melodie zusammenfallen.
Der Text zu folgendem Stück ist aus Metastasio's Cantate »// Ritomm.
Nr. 8. Terzette.
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U. S. W.
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Der Tenor hat im 7. Takt einen ttbemiKasigen Quarten -Sprung abwärts , ein
etwas unsangbares Intervall. — Im 8. und 9. Takt bat sich Beethoven durch den
Versaccent zu einer falschen Betonung der Wörter cot che verleiten lassen. Der
Versaccent mnss hier dem Wortaccent weichen. Das Wort voi ist dem Sinne nach
(las bedeutendere, mnss also hervorgehoben und betont werden. Takt 28 und 29
kommt derselbe Fall vor, — Im 31 . Takt giebt Beethoven der zweiten Silbe des
Wortes divenni eine CoLorator. Das Wort eignet sich dazu nicht, weil es von
— 220
untergeordneter Bedeutung ist. Beethoven ändert die 8teUe. — Die Worte il mio
nascosto Takt 32 und 33. im Sopran sind nieht gut declamirt. Die letzten Silben
des Wortes nascosto sind unnattirlich gedehnt.
Der Text zum folgenden Stück ist aus Metastasio's Cantate »Xa Gelodan,
Nn 9. Quartette.
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20
Im 7. bis 10. Takt ist das Wort corre nicht richtig betont. Die zweite Silbe
ist tonlos und muss der ersten Silbe gegenüber den schlechtem Takttheil be-
kommen. — Im 21. Takt hat Beethoven in drei Stimmen das Wort non wegge-
lassen, was zur Folge hat, dass die Stimmen das Gegentheil von dem singen , was
sie singen sollen. Ueberdies ist das Athemholen nach dem Worte fr enar und das
Aussprechen der Worte si pud erschwert.
Das folgende Recitativ bildet die Einleitung zu einer Arie fUr Sopran mit Be-
gleitung von Streichinstrumenten. Der Text ist aus Metastasio's Cantate y>La
i^empestm. Wir Setzen ausser der Siügstimme nur den begleitenden Bass [Basso e
Violoncello) her iind deuten di^ übrige Begleitung durch Bezifferung u. dgU an.
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ii .
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— 222 —
Nr. 10. RecitatiTO.
Allegro tua non tanio.
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JVb, non tur-har-tif o Ni-ce; io non ri - tor-noapar - lar-U ttanwr. So che ti
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Ve^diteheilctel mi - naccia im - prowisa
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spiace; ba-sta co-«i.
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cA« iV c»ß/ minaccta intprowiaatetn-
d/ - ^ cü'panne setmoi ri-dur-reil
LhMr r T f^-|;^^_uj
al-le ca-panne se vuoi ri - dw - re il gregge, io vengo
^^ all' ottava
90 'Io ad of'frir
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loadof-frir Top-ra nUa. Che! non pa-ven-ti?
Os^ser - va, che a mo-
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- nt alla gieggia.
In que-tto sjit-eo
ri'pa-r
a - (." fral-
)veQ nintmt im 7. Takt eine Elision vor. Sie ist nicht zulässig, weil
eil Wörtern ritorno und a eine Cäsnr, eine metciBche Trennung Statt
>D80 verhält es sich Takt 12 bei den WHrteru minaccia und improv-
Takt 17 bei den Wärtern solo und ad. Dagegen iet Takt 33 zwischen
u Nice und io , wo Beethoven nicht elidirt, eine Elision vorzunehmen,
ft^ort io im Zusammeahang des Textes gleichgUÜig ist und daher
iDung bedarf. — Takt 28 sind die Worte al fremer nicht richtig be-
itaterem Worte [frSmeve] nnss die erste Silbe den Ton bekonunen. —
t die zweite Hälfte des Wortes/arat nur eine Note bekommen. Der
ai wird aber bei Absätzen , wie hier beim Ausgang eines Fragesatzes,
gesprochen, muss also zwei Noten erhalten.
Isher erwähnten Fehler betreffen die prosodische Beschaffenheit des
tzt sind die Fehler wider den rhetorischen Ausdruck zu erwähnen.
Die recitativische Schreibart verlangt, mehr als die ariose es thut, dass die
Worte , welche im Zusammenhang eines Textes die wichtigsten und wichtigeren
sind, mit einem ihrer Bedeutung entsprechenden Nachdruck (Emphase) belegt
werden. Das natürlichste, der rednerischen Declamation entnommene, damit über-
einstimmende Mittel der Hervorhebung eines Wortes oder Wortgliedes ist, ihm eine
höhere Tonstufe , einen Emporschritt in der Melodie zu geben. Dies Mittel wird
angewendet , auch wenn das hervorzuhebende Wort nur aus einer Silbe besteht
und keine metrische Betonung hat. Ist es metrisch betont , so erhält es , andern
metrisch betonten aber bedeutungsloseren Worten gegenüber, auch einen besseren
Takttheil. Beethoven hat in ersterer Beziehung gefehlt : Takt 26 und 27 , wo das
Zeitwort innalza^ als das wichtigste Wort im Zusammenhang, den nächstfolgen-
den Worten gegenüber eine höhere Tonstufe verlangt; Takt 37 und 38, wo eine
richtige Declamation den Empfindungslaut o auf den höchsten Ton tragen und
dann, bei Nice, in ein tieferes Intervall herabsteigen wird; Takt 44 und 45, wo
das Wort piü und die zweite Silbe des Worts pensare den Accent bekommen
müssen. In anderer Beziehung ist gefehlt itn 12. Takt, wo das Zeitwort
minaccia wichtiger ist als das Substantiv cielxavA einen bessern Takttheil be-
kommen muss. Aehnliche Fehler kommen vor: Takt 14 bei den Worten alle
capanncy Takt 29 bei Polo incerlo, Takt 34 bei dem schon erwähnten
Worte io.
An mehreren Stellen ist die Interpunction nicht gehörig beobachtet. Beet-
hoven giebt Takt 7 und 8 dem Worte d'amor steigende Noten, welche den Ein-
druck machen , als wenn noch etwas folgen sollte. Jenes Wort beschliesst aber
einen für sich bestehenden Gedanken , einen Satz. Es findet also nach ihm ein
Kuhepunkt Statt. Ein solcher Ruhepunkt kann , ähnlich wie man beim Reden vor
einem Punkt die Stimme fallen lässt, nur durch fallende Noten ausgedrückt werden.
Ganz ähnlich, wie hier, verhält es sich Takt 17 und 18 bei den Worten Vopra
mia, Takt 22 und 23 bei den Worten s'oscura il ciel, und Takt 27 bei cadute
foglie. — Beethoven giebt im 11. Takt der Singstimme eine Pause. Sie ist nicht
zulässig , weil sie grammatisch zusammengehörende Wörter trennt. — Die Worte
non paventij Takt 18 und 19, enthalten eine Frage. Beethoven drückt sie nicht
gut aus, indem er der letzten Silbe eine tiefere Note giebt, als der vorletzten. Die
Frage kann , ähnlich wie es in der Rede durch Erhebung der Stimme geschieht,
nur mit einer steigenden Melodie ausgedrückt werden, r— Den Worten io pre-
t^eggo^ Takt 33 und 34, folgen Zeichen der abgebrochenen Rede. Beethoven be-
handelt sie, als wenn ein Schlusspunkt da stände. Das Abbrechen in der Rede
kann kaum anders, als durch eine Dissonanz, deren Auflösung entweder verzögert
oder der Begleitung überlassen wird, ausgedrückt werden. Salieri deutet bei der
Aenderung eine andere Begleitung an und kürzt die Stelle um zwei Takte, so dass
der Gesang in derselben Tonart wieder eintritt, in welcher er abbrach.
Noch ist die Takt 26 vorgenommene Aenderung zu bemerken. Beethoven
giebt den Worten lapolve innalza dieselben Töne, welche die vorhergehenden
Worte haben. Diese Wiederholung würde gerechtfertigt sein, wenn die unter-
liegenden Worte ihrem Inhalte i\ach in einem Verhältniss der Wiederholung oder
Beiordnung ständen. Sie stehen aber in einem Verhältniss der Einheit. Die letzten
Nottebohm, Beethoven's Studien. 29
.,^
\
Worte bringen zu dem in den ersten Worten enthalte^n Subject ein Prädicat
hinzu. Diese Zusammengehörigkeit verlangt auch einen Fortgang in der Melodie,
eine Verschiedenheit in der Führung der redtirenden Stimme , ähnlich wie in der
Rede das logische Verhältniss zwischen den Bestandtheilen eines Satzes durch
Hebung oder Senkung der Stimme fühlbar gemacht wird.
Salieri hat auch in der dem Recitativ sich anschliessenden Arie [Ma tu tremi)
manche Aenderungen vorgenommen. Sie haben meistens eine Erleichterung der
Singstimme , eine Verminderung der vorkommenden Coloraturen im Auge. Zur
Nutzanwendung hat Beethoven am Rande des Manuscripts bemerkt : »leichter Ge-
sänge«. Später hat er dem Manuscript die Ueberschrift gegeben : ThEsercizH - da
Beethovens. Er hat also das Stück seinen Uebungen beigezählt.
Ausser den mitgetheilten StUcken sind noch andere vorhanden . die auch dem
Unterricht bei Salieri angehören. Sie konnten tibergangen werden, weil sie
gleicher Art sind und bemerkenswerthe Aenderungen darin nicht vorkommen.
Näheres über sie im folgenden Abschnitt.
Zur Chronologie.
Gleichzeitig mit dem Duett y^Bei labbrn (Nr. \ ) wurden geschrieben : ein Ter-
zett in Cdur » Ghiura il noccMers und ein Terzett in Gdur »3/a tu tremü. Das Duett
y>Bei lahbru liefert den Beweis, dass Beethoven, als er es schrieb, mit der Elision
nicht bekannt war. Dagegen zeigt das Sttick »0 ccare sehen , dessen Anfang unter
den bei Albrechtsberger geschriebenen Uebungen (s. S. 202) aufgefunden wurde,
dass Beethoven , als er es schrieb , mit der Elision bekannt war. Letzteres Stück
war fertig Ende 1794. Jene drei Stücke können also nur in der Zeit zwischen
Ende 1792, da Beethoven nach Wien kam, und Ende 1794 geschrieben sein.
Gleichzeitig mit dem Terzett y^Per te damicoi^ (Nr. 2) und den zwei Quartetten
»iVet campi<f< (Nr. 3 und 4) entstand ein Duett in Ddur y>Scrwo in tea. Aus der Be-
schaflFenheit der in diesen vier Stücken vorkommenden Fehler wider die Prosodie
u. a. m. darf man folgern, dass sie später geschrieben wurden, als die zuerst ge-
nannten drei Stücke, jedoch früher, als die jetzt zu erwähnenden.
Ziemlich gleichzeitig mit den drei Bearbeitungen des Textes ^Fra ttitle le
peneii (Nr. 5, 6 und 7) wurden geschrieben: ein Duett in Cdur »Salvo tu vuoi lo
sposoa^ ein Terzett in Adur und zwei Quartette in F- und Gdur mit dem Text
r>Quella cetra ah pur tu seia. Auf einem Bogen , welcher Arbeiten zu einigen von
diesen Stücken enthält , findet sich ganz zu Anfang ein zum letzten Satz der Sere-
nade Op. 25 gehörender Entwurf:
U^^« »»'^»»^ " ^^^^^^ '^ ^^»^^
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— 227 —
We Serenad« muss also vor oder ziemlich gleichzeitig mit den genannten italieni-
schen Gesängen geschrieben sein. Sie erschien im J. 1802, ist aber gewiss einige,
wenn nicht mehrere Jahre früher , vielleicht ziemlich gleichzeitig mit der (1 797
erschienenen) Serenade Op. 8 componirt worden. Wir nehmen spätestens das
Jahr 1797 als die Entstehungszeit jener Vocalsätze an.
Zur Bestimmung der Entstehungszeit des Terzetts »CÄt mai dt questo^core«
(Nr. 8) kann folgende zum letzten Satz des Quartetts Op. 18 Nr. 1 gehörende
Stelle dienen :
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■s^m^f^^r^^
t,
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-=^-
welche sich auf der von unten nach oben gezählten 1., 5. und 9. Notenzeile der
letzten Seite des Bogens , welcher auf seinen ersten drei Seiten jenes Terzett ent-
hält, vorfindet. Es scheint, dass Beethoven, als er mit der Keinschrift des Quar-
tetts beschäftigt war , aus Versehen den zum Theil schon beschriebenen Bogen
ergriff, dessen Rückseite für die Vorderseite hielt, und das Versehen erst be-
merkte, als er das Blatt umwandte, um die Violinstimme weiter einzutragen. Dies
kann nicht später als 1799 geschehen sein. Demnach lässt sich spätestens das
Jahr 1799 als die Compositionszeit des Terzetts »CÄt mai diquesto corea an-
nehmen.
Die Compositionszeit des Quartetts y>Gtura ü nocchiera (Nr. 9) lässt sich nicht
bestimmen. Es scheint aber seiner Beschaffenheit nach eins von den zuletzt ge-
schriebenen Stücken zu sein.
Die Scene und Arie »iVb, non turbartn (Nr. 10) entstand Ende 1801 oder
Anfang 1802. Vgl. des Herausgebers »Ein Skizzenbuch von Beethoven« S. 37.
Es ist sehr wahrscheinlich , dass Beethoven , ausser den bisherangeführten,
auch alle seine andern italienischen Vocal-Compositionen, und nicht nur die-
jenigen, welche dem oben abgegrenzten Zeitraum von 1793 bis 1802 angehören,
sondern auch die später entstandenen, Salieri zur Durchsicht vorgelegt hat. Denn
sollte Beethoven, dem Salieri's Haus jederzeit offen stand*), nicht ganz besonders
bei den Werken, die zur Veröffentlichung bestimmt waren, die Gelegenheit be-
nutzt haben , Salieri zu ßathe zu ziehen ? Wir rechnen zu diesen Werken : die
Scene und Arie r>Ah! perßdoo^ {Op. 65} **), das (1802 componirte) Terzett »TVc-
*) Dass Beethoven mit Salieri noch um 1809 in Verbindung stand , geht aus Folgendem
hervor. Moscheies , der 1 808 zu längerem Aufenthalt nach Wien kam , erzählt (»Aus Moscheies'
Leben« I. S. 11) , er habe eines Tages bei Salieri, den er nicht zu Hause getroffen, einen Zettel
auf dem Tische liegen gesehen, auf dem in Lapidarschrift zu lesen war : »Der Schüler Beethoven
war da!« Dass Moscheies im Februar 1809 bei Salieri Unterricht hatte, berichtet ReichardI
(j^Vei'trautis Briefe*« I. S. 388). Sollte es sich bei Beethoven's Besuch nicht um die «Vier Arietten
jund ein D^eitt« (Op. h%) jgabandelt haben? Das Autograph eines dieser Stücke hat die Jahres-
zahl 1809,
♦*) Eine revidirte Abscfcrjfl; trögt 4as Datum: Prag 1796. Dass das Stück aber in Wien
componirt, in Prag höchstens abg/ßschrieb^fl wöd mit jener üeberschrift versehen worden , darf
wohl ohne Weiteres behauptet werden..
29*
1^.
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— 228 —
mute, empß (Op. 116), die (1807 componirte) Anette »/n qtiesta iamba^^ die mit
der Opaszahl 82 erBchienenen Stücke a. a. m.
Ueber Art und Erfolg des Unterrichts.
Wir stellen uns den Unterricht bei Salieri nicht so mit den Regeln behaftet
vor, wie er nach den vom Herausgeber versuchten Erklärungen erscheinen mag.
Diesem stand nur das geschriebene Wort zu Gebote. Salieri hat gewiss anders
gesprochen. Er war kein Theorist. Ihm stand das gesprochene und gesungene
Wort zu Gebote, und sein Untemcht war auf Anschaulichkeit gerichtet. Salieri
war der Ansicht, dass es bei einer Vocal-Composition vornehmlich auf den rich-
tigen Ausdruck der Worte ankomme, und dass nichts geeigneter sei, die innere
und äussere Beschaffenheit eines Textes dem innem und äussern Sinn vorzuftthrcn,
als die Declamation*).
Salieri's Standpunkt hat seine Berechtigung, seine Methode ihren Werth.
Gut gesprochen ist halb gesungen, lautet ein alter Spruch. Wer beim Lesen mit
der Stimme den Gedanken und Empfindungen des Dichters und dem Eindruck
folgt , den die Worte auf ihn machen , wird sein Gefühl gleichsam ausser sich
setzen , es sich anschaulich machen ; er wird nicht dem Ungefähr , dem blossen
Gefühl überlassen sein , sondern in der Declamation ein Vorbild zur Gomposition
finden. Dass dabei auch das musikalische Element zu seinem Scchte kommen
kann und muss, ist selbstverständlich. Aus der natürlichen Declamation und ohne
die Regeln, deren wir bedurften, sind auch die meisten Aenderungen Salieri's zu
erklären.
Es fragt sich nun : hat Beethoven die declamatorische Methode angenommen,
und ist er durch sie oder durch den Unterricht auf eine genaue oder genauere Be-
handlung des Textes geführt worden? Das sind zwei Fragen, welche wohl zu-
sammenhängen, aber getrennt zu beantworten sind. Die erste Frage kann nur
beantwortet werden, wenn die Gesang -Compositionen Beethoven's in ihrer Ge-
sammtheit zur Betrachtung herangezogen werden. Die andere Frage lässt sich
beantworten, wenn die vor und bald nach Beginn des Unterrichts geschriebenen
Gesang - Compositionen zur Vergleichung vorgenommen werden. Bei solcher Ver-
gleichung sind jedoch die Stücke mit italienischem Text auszuscheiden; denn
nach einer früher ausgesprochenen Vermuthung wäre Gefahr, hier in fremdes Ge-
hege zu gerathen. In den vor dem Unterricht geschriebenen deutschen Liedern
hat Beethoven auf den Text nicht gehörig Rücksicht genommen. Zu verweisen ist
*) Mosel erzählt S. 26 seiner Biographie Salieri's: »Metastasio [den Salieri um 1768 kennen
lernte] Hess ihn , wenn sie aliein waren , öfters ganze Scenen aus seinen Opern und Oratorien
declamirend lesen, welches, sagt Salieri , mir zu einer überaus nützlichen Schule in der Decla-
mation gedient hat, eine Schule, die, wie Metastasio meinte , jedem , welcher sich zum Gesang-
Componisten bilden will , unumgänglich nöthig ist«. S. 148 sagt Mosel : »Salieri's grösstes Lob
einer fremden Vocal-Composition lautete : »esprime assai bene le paroU — sie drückt die Worte
sehr gut aus«. Ein Schüler Salieri's, A. Hüttenbrenner, erzählt (Leipz. Allg. Musik. Zeitung vom
J. 1825, S. 796) : »Bei Singstücken, die ihm gebracht wurden, überlas er zuerst die Worte mit
vieler Aufmerksamkeit; dann prüfte er die Musik, ob sie dem Charakter des Gedichtes getreu
verfasst sei«.
k
229 —
auf die Liedersammlang Op. 52, besonders auf das Lied » Feuerfarb' « "^j . Die
Worte sind silbenweise in Musik gesetzt, mebr syllabirt als deelamirt. Manche
*) Dm Lied »Feuerfsrb'« wurde Ende 1792 oder Anfang 1793 componirt. Vgl. des Heraus-
gebers »BeethoYenianac S. 7. Es ist zur Betraehtung besonders geeignet, weil es, als das aller
Wahrscheinlichkeit nach letzte Lied , welches vor Beginn des Unterrichts geschrieben wurde,
den damaligen Standpunkt Beethoven's tim sichersten kennzeichnet Beethoven hat, wie das
Autograph zeigt, bei der Composition nur auf die zusammengezogenen zwei ersten Strophen
Rücksicht genommen. Die Musik kann also nur nach diesen Strophen beurtheilt werden. Wir
setsen Melodie und Text her
Andante con meto.
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ÖTc- { i -r l- V-1!— ^ J ; i ;;"nrT-"E^
1. lob weiss ei -ne Far-be, der bin ich so hold, die ach-te ich hO-her als
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Sil-ber und Gold, die trag ich so gor-ne um Stirn und 6o - wand, und
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ha-be sie Far-be der Wahrheit ge-nannt
2. WohlblU-het in lieb-li - eher
eakmdo ^^ a tempo
_^^,^^.^.f.*.m^r rrj-r t^^^^^. ^i^ \ p p-^;.^^^
sanfter 6e-staltdie glühende Rose, doch bleichet sie bald. Drum weihte zur Blume der
iTXlZJ^fedi-HH:' f. F I J' J^-^-h ^
Lie-be man sie; ihr Reiz ist un-endlich, doch wel-ket er früh.
und bemerken folgende Stellen, wo der Text mangelhaft ausgedrückt ist.
Beethoven schliesst (Takt 8) die erste Strophe in der Dominante, und (Takt 17) die zweite
Strophe in der Haupttonart. Nach der Musik scheinen also die Strophen in einem abhängigen
Verhältniss, etwa wie Vorder- und Nachsatz, zu einander zu stehen. Im Gedicht aber sind sie
logisch getrennt. Jede Strophe spricht einen Gedanken vollständig aus. Um die Trennung deut-
lich zu machen, hätte die erste Strophe in der Haupttonart schliessen müssen ; dann konnte die
zweite Strophe in einer andern Tonart, z. B. in der Parallele, anfangen. — Beethoven giebt
fälschlich dem Worte »bin« (Takt 2) einen hohem Ton, als dem Worte »hold«. Das letztere Wort
ist das wichtigere. — Beethoven macht« bei »hold« eine halbe Cadenz. Diese macht den Ein-
druck, als wenn die bis dahin ausgesprochenen Worte ihrem Inhalte nach nicht vollständig
wären , oder, mit andern Worten, als wenn die Satztheile, welche durch das jenem Worte fol«
gende Komma getrennt sind , in einem Verhältniss der Unterordnung zu einander ständen. Die
Satztheile stehen aber in einem Verhältniss der Beiordnung. Jenes Komma konnte in der Musik
nur durch einen merklichen Absatz , am besten durch eine aus der ganzen Cadenz gebildete
Formel ausgedrückt werden. — Im 5. Takt ist das Wort «gerne« nicht gut wiedergegeben. Die
erste Silbe miisste eine höhere Note bekommen, als das vorhergehende »so«. — Im 7. Takt ist
fälschlich das unbedeutsame Hülfszeitwort »habe« hervorgehoben. Das Wort »Wahrheit« musste,
als das wichtigste in der Verbindung, 'den Worten »habe« und »Farbe« gegenüber, durch einen
Emporschritt ausgezeichnet werden. — Im 12. Takt musste das Wort »Rose«, als das wichtigere,
dem Worte »glühende« gegenüber hervorgehoben werden. — Nach dem Worte »Rose« ist ein
Einschnitt (Komma). Beethoven hat ihn nicht kenntlich gemacht und behandelt die Stelle, als
wenn kein Trennungszeichen da stände. Allerdings ist der Text hier unbequem, und ist der
Einschnitt des Gedichts in der Musik schwer wiederzugeben. — Im 13. Takt musste »bald«, als
das wichtigste Wort, hervorgehoben werden. — Bei den Worten »Blume der Liebe« legt Beet-
hoven, ähnlich wie früher bei »Farbe der Wahrheit«, den Ton auf das erste Wort. Das letzte
Wort ist das wichtigere und musste auch in der Musik hervorgehoben werden. — Im vorletzten
V
— 230
Fekler wider Einzelheiten und den Zusammenhang des Textes kommen darin vor,
die grOsstemtheÜB meht entstanden sein würden, wenn Beethoven vorher die Worte
aufmerksam gelesen hätte. In den nach Beginn des Unterrichts geschriebenen
Liedern zeigt sich nun ein bedeutender Fortschritt, und mehr als das : ein Durch-
bruch ist in ihnen vollzogen. Der Text ist in jeder Beziehung, sowohl in Betreff
seiiifer prosodischen Beschaffenheit, als in Betreff seines Inhalts und der vor-
gezeichneten Situation, ungleich sorgsamer behandelt, als in den früheren Liedern.
Am nächsten steht uns V9n den späteren Liedern die »Adelaidea"^). Wir machen
nur darauf aufmerksam, wie gut die nicht ganz leicht in Musik zu setzenden
langen, fÜnffUssigen Verse (Einsam wandelt dein Freund im Frühlingsgarten etc.)
behandelt sind. Ferner setzen wir mehrere aus den Skizzen zusammengelesene
Stellen her:
^m
Egf DSa tJS^s^agpgg
A - de - lai-de
A - de-lai - de A - de
A - de - lai - de
^g^P^PS ^id^ ^^ ^i:r^-?^--gg^4£j'-|H ;
A-de- lai-de A-de- lai-do A - de - lai-de
A-de-lai-de A-de - lai-de
A - - de-lai -do A-de
^
^^
*
f-
iri
A-de - lai-de
an denen man sehen kann, welche Versuche Beethoven mit dem einen Wort
Adelaide gemacht und wie er dem Sprachkörper dieses Wortes nachgespürt
hat. Von andern Liedern sind zu nennen: der (1803 componirte) Wachtelschlag,
Gellerfs Lieder (Op. 48) u. a. m.
Die andere oben gestellte Frage , ob Beethoven sich die Methode des Decla-
mirens angeeignet habe, ist unbedingt zu bejahen. Ohne solche Gewöhnung wäre
Takt hätte die erste Silbe des Wortes »unendlich« einen rhetorischen Accent verdient. — Bei
dem mehr lehrenden als lyrischen Inhalt des Gedichtes wäre wohl ein enges Anschliessen an die
Sprachmelodie geboten gewesen.
Als Beispiele schlechter Textbehandlung und der Wortverzerrung lassen sich auch aus
andern Liedern Stellen anführen, z. B. folgende aus Op. 52 Nr. 5 und 6i
U. 8. W.
Gott mit dir, Ge - lieb-ter, tief zu Her-zen haMe dir mein
Oh - ne Lie-be le * be, wer da k^nn;
*] Die unter den üebungen bei Albrechtsberger aufgefundene Skizze (S. 202) zeigt, dass
damals die Composition des Liedes noch nicht weit vorgeschritten war. Demnach lässt sJcU
Anfang 1795 als die Compositionszeit der Adelaide annehmen,
k.
— m —
i
al - lein, al - lein, al - lein — jedoch Silentium ! ! ! «
Ferner folgende Stelle aus einem um 1817 an Frau Streicher geschriebenen Briefe :
m
»Wo sind die Bettdecken i
^
^ 1
^ ^1
manche Erscheinung in Beethoven's Ctesang - Compositionen nicht zn erklären.
Dabei ist jedoch zn bemerken , dass das declamatorische Wesen in früheren Wer-
ken weniger zum Vorschein kommt , als in späteren , in rein lyrischen Liedern
weniger, als in Gesängen erhabenen Inhalts oder pathetischen Charakters. Nicht
selten geht es in Emphatik über. Als ein Beispiel des aus der Declamation hervor-
gegangenen Styls lässt sich der (1817 geschriebene) kurze Chor »Rasch tritt der
Tod den Menschen am anftthren. (Mine die Gewohnheit, den sprachlichen Körper
eines Wortes musikalisch einzufassen , lassen sich auch Stellen in Briefen nicht
erklären, wo Beethoven , vom Sprach - in den Gesangton ttbei^hend , ein im Zu-
sammenhang vorkommendes Wort in Noten ausdrückt. So z. B. folgende Stelle |
aus einem Briefe an Lichnowsky aus dem Jahre 1814 : t
. . . mit dem Hof ist nichts anzufangen, ich habe mich angetragen — allein \-\
adagio
-■■/
'^'"^
i^
-4
.^
\ —k
-\':-:
f.
Wot Wo?«
Man hat nach solchen Erscheinungen wohl Ursache, eine Einwirkung des
Unterrichts anzunehmen. Die Wirkung war aber nicht in allen Punkten nach-
haltig. In Betreff einer sorgfältigen Textbehandlung im Sinne Salieri's lässt sich
der Einiluss kaum über die Zeit hinaus verfolgen , in welcher Beethoven in seinen
Compositionen überhaupt sich noch an seine nächsten Yoi^änger und Zeitgenossen
lehnt. Als er anfing, sich in der Instrumental-Musik auf eigene Füsse zu stellen,
schlug er auch in der Vocal- Musik seinen eigenen Weg ein. Seine eigene Natur y^
machte sich geltend. Seine Natur war von der Salieri's zu verschieden, als dass '^4
ersieh dessen Anschauungsweise hätte ganz zu eigen machen können, und Sa- J^^
lieri's Lehren waren nicht tief genug in Fleisch und Blut gedrungen, als dass sie
den Umwandlungsprocess, der in der künstlerischen Natur Beethoven's vor sich '-M
ging, hätten mitmachen können. Die Wandlungen , die Beethoven dann durch-
machte, sind anderwärts zu erörtern.
Ein wichtiger Punkt ist noch nicht berührt worden : die Sangbarkeit. Dass
dieser Punkt zur Sprache gekommen , geht aus einer Aenderung zu Nr. 8 und aus
den Aenderungen zu der S. 226 erwähnten Arie hervor. Salieri's Einfluss ist aber
hier, wider Erwarten, nicht hoch anzuschlagen. Die vor dem Unterricht geschrie-
benen Lieder sind, wenn sie auch einer silbenmässig gesprochenen Rede ähneln,
doch sangbar ; nur fehlt ihnen das auf cantilenenartiger Führung und auf der An-
bringung gehaltener Töne beruhende Sangliche, welches die späteren Lieder
haben. Und dieser Fortschritt , den die späteren Lieder zeigen , kann zum Theil
auch durch andere Einflüsse , durch Einflüsse , die so zu sagen in der Luft liegen, ^^
herbeigeführt worden sein. Was für Klagen die Sänger bei der Aufführung des
»Fidelio« i. J. 1805 führten, und wie wenig Rücksicht Beethoven in spätem Com-
positionen auf die Singstimmen nahm, ist bekannt.
Noch ist zu erwähnen, dass Beethoven, offenbar zum Stadium, eine Anzahl
italienischer Vocalsätze von andern Componisten abgeschrieben hat. Davon sind
6 (eigentlich 7j Stücke (Duetto und Quartetto »i^^/miram«, Terzetto »Qe^anto i
bella la campa^na^n, Terzetto »O care tehe antichea^ u. s. w.) von einem andern
Schüler Salieri's, Freiherr Carl Doblhoff ; sie sind gedruckt unter dem Titel : ^Sei
dwertimenii campestri a due, tre, e quattro Vock u. s. W. Zwei StUcke [^Su questo
coüe erbpscMi u. s. w.) sind von A. Comet, einem um 1796 in Wien lebenden Ge-
sanglehrer, und finden sich in dessen y>Sei Duettini Con Accamp^ dt Cembalo, o
Forle Piano fü. Man hat diese Stttöke bisher für Compositionen von Beethoven
gehalten.
Druck von Breitkopf nnd HIrtel in ti«iip7.ig.
^
^